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Nach dem 16. bzw. 18 Lebensjahr muss erneut nachgewiesen werden, dass die Voraussetzungen für eine Schwerbehinderung vorliegen.
Herr R.: Meine Tochter ist mit 13 Jahren an Typ-1-Diabetes erkrankt. Sie hat damals auch einen Schwerbehindertenausweis erhalten. Und wenn ich mich nicht irre, ich weiß es aber auch nicht mehr so genau, wurde uns damals gesagt, dass dieser bis zum 18. Lebensjahr gilt. Nun hat die Behörde (der Antrag auf jährliche Verlängerung läuft noch) aber durchblicken lassen, dass er nicht mehr verlängert werde, weil die Voraussetzungen nicht mehr gegeben seien.
Nun ist die Frage: Welche Voraussetzungen sind gemeint? Denn es dürfte allgemein bekannt sein, dass sich an dieser Krankheit nichts ändern wird, da ja auch immer noch nicht der Grund bekannt ist, warum die Krankheit überhaupt auftritt. Und da meine Tochter Ende 2013 16 Jahre alt geworden ist, kann das Alter doch eigentlich auch nicht der Grund sein. Oder ist das ein Missverständnis meinerseits und der Ausweis wird nur bis zum 16. Lebensjahr gewährt? Und wenn ja, warum nur bis zum 16. Lebensjahr? Einen plausiblen Grund dafür wüsste ich nicht.
Oliver Ebert: Allein das Vorliegen der Diabeteserkrankung sowie der damit einhergehende Therapieaufwand reichen nicht aus, um einen Schwerbehindertenausweis zu erhalten.
Zur Feststellung einer Behinderung müssen sich Versorgungsämter an der Versorgungsmedizin-Verordnung orientieren; dort sind für nahezu alle Krankheiten Vorgaben (versorgungsmedizinische Grundsätze) festgelegt. Auch für Diabetes gibt es eine solche Vorgabe (Anlage zu § 2 VersorgungsMedVO). Eine Schwerbehinderung darf aufgrund des Diabetes nur unter bestimmten Voraussetzungen festgestellt werden, bei:
“An Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbstständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein.”
Um einen Schwerbehindertenausweis zu erhalten, müssen also erhebliche Beeinträchtigungen an der Teilhabe im sozialen Leben vorliegen. Dies bedeutet, dass man durch Krankheit oder andere Gesundheitsstörungen derart beeinträchtigt wird, dass das Leben im Alltag erheblich erschwert ist.
Das Bundessozialgericht hat dies für Diabetes in aktuellen Entscheidungen mehrfach bestätigt: Für die Feststellung einer Schwerbehinderung reicht es somit nicht, dass eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchgeführt wird. Vielmehr muss die betreffende Person krankheitsbedingt erheblich in der Lebensführung beeinträchtigt sein.
Die meisten Versorgungsämter stellen bei Kindern mit Diabetes jedoch meistens unproblematisch eine Schwerbehinderung bis zum 16. Lebensjahr fest, mitunter auch bis zum 18. Lebensjahr.
Gem. Teil A Nr. 5d jj) der Anlage zu § 2 VersorgungsMedVO ist bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres auch Hilflosigkeit anzunehmen, sodass bis dahin auch das Merkzeichen “H” zuerkannt wird. Mit diesem Merkzeichen kann man u. a. höhere Steuervorteile und eine kostenlose Beförderung im Nahverkehr in Anspruch nehmen.
Diese Kulanzregelungen gelten aber nur für Kinder bzw. Jugendliche; danach muss nachgewiesen werden, dass die obigen, regulären Voraussetzungen für eine Schwerbehinderung oder eine Hilflosigkeit vorliegen. Dies ist nun auch bei Ihrer Tochter der Fall.
Sie sollte daher gegenüber der Behörde belegen, dass der Diabetes nicht nur einen hohen Therapieaufwand, sondern auch sonstige erhebliche Einschränkungen auf ihre Lebensführung mitbringt. Ich empfehle, dass sie hierzu möglichst umfassend schildert, wie und inwieweit sie durch den Diabetes beeinträchtigt wird bzw., was sie dadurch nicht (mehr) machen kann.
Problematisch dabei ist: Eine solche Darstellung kann im Ergebnis auf eine Selbstdiskriminierung hinauslaufen. Man sollte daher sehr sorgfältig abwägen, was der Ausweis im Einzelfall überhaupt bringt.
Über meine Internetseite www.diabetes-und-recht.de können Sie eine kostenlose Broschüre mit Checklisten und weiteren Infos herunterladen, die ich für diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe erstellt habe. Wenn Sie sich hieran orientieren und die Beeinträchtigungen Ihrer Tochter umfassend schildern, dann sollte es eigentlich klappen, den Ausweis Ihrer Tochter zu verlängern.
Kontakt:
REK Rechtsanwälte Stuttgart/Balingen
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E-Mail: Sekretariat@rek.de
, Internet: www.diabetes-und-recht.de
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2014; 7 (2) Seite 20-21
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