Kinder mit Diabetes: Selbständig mit AID – kein Problem?

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Kinder mit Diabetes: Selbständig mit AID – kein Problem?

AID-Systeme gelten als Meilenstein in der Behandlung von Kindern mit Typ-1-Diabetes. Doch wie selbständig können Kinder damit wirklich umgehen? Ein Blick in Alltag, Schule und Familie zeigt: Technik hilft – aber Begleitung bleibt essenziell.

Beim Karl-Stolte-Seminar im Februar 2023 in Hannover waren sich die über 300 Mitglieder pädiatrischer Diabetesteams einig: “den AID-Systemen gehört die Zukunft”. Dr. Julia Ware berichtete eindrucksvoll von den Behandlungserfolgen, die das Team der University of Cambridge unter Leitung von Prof. Roman Hovorka insbesondere bei sehr jungen Kindern erzielen konnte:

Deutlich mehr Zeit im Zielbereich, weniger Hypoglykämien, und vor allem berichteten die Eltern, dass sie endlich wieder durchschlafen und ihre Kinder entspannter in die Obhut von Großeltern oder Freunden geben konnten. Die Kinder selbst berichteten, dass ihr Leben viel normaler geworden sei.

Ausreichend informiert für Routine und Gelassenheit

Es besteht kein Zweifel, dass die AID-Systeme einen großen Fortschritt in der Diabetologie darstellen, sie setzen aber auch voraus, dass die Nutzenden, Eltern und Kinder, altersgemäß geschult und von erfahrenen Teams unterstützt werden.

In der jüngsten Altersgruppe, den Kleinkindern mit Typ 1 Diabetes, liegt die Verantwortung für die Behandlung ausschließlich bei den Eltern und anderen Betreuungspersonen, z.B. in einer Krippe. Die Erwachsenen müssen genau über die Technik, typische technische Probleme und deren Lösungen informiert sein, um dann mit ausreichend Routine und Gelassenheit das System “laufen zu lassen”.

Und das gilt auch für jedes einzelne Element des Systems, also den Glukosesensor, die Pumpe und die Steuereinheit mit dem Algorithmus. Auch ganz praktische Fragen müssen dazu beantwortet werden, z. B. wohin mit dem Handy und der Pumpe am Kind im Kindergarten? Einige Eltern haben dazu eine kleine Tasche geschneidert, die sicher auf dem Rücken des Kindes befestigt wird und im Alltag möglichst wenig stört.

Was tun, wenn Probleme auftreten?

Vorschulkinder können schon verstehen, was die Kästchen, die sie an ihrem Körper tragen, machen, wenn ihnen die Aufgaben anschaulich erklärt und gezeigt werden. Zum Beispiel so:

“Die Pumpe gibt dir das Insulin, was im Körper fehlt, das kann man sogar im Schlauch der Pumpe sehen. Der Sensor, der selbstverständlich sehr schön verziert werden sollte, ist der Aufpasser. Er überprüft, ob der Blutzuckerwert okay, zu hoch oder zu niedrig ist. Er schickt das Ergebnis an das Handy. Dort wird genau ausgerechnet, wieviel Einheiten Insulin du gerade brauchst. Diese Zahl wird an die Pumpe geschickt, die dem Körper dann genau die richtige Menge an Insulin gibt. Die drei Geräte arbeiten sehr gut zusammen. Aber man muss darauf achten, dass der Sensor gut auf der Haut klebt und nicht herunterfällt und der Katheter der Pumpe muss auch gut in der Haut liegen. Darauf sollten Kinder achten. Und wenn etwas nicht stimmt, der Sensor nicht hält oder der Katheter herausgerutscht ist, dann müssen Kinder gleich einem Erwachsenen Bescheid sagen.”

Für Kinder im Vorschulalter ist es hier wichtig, dass sie genau wissen, was sie in solchen Fällen tun sollen und sie z.B. auch geübt haben, wie sie Erwachsene um Hilfe bitten. Sie sollten dazu auch wissen, dass solche Probleme passieren können, und dass sie deshalb weder Strafen noch Vorwürfe fürchten müssen. Alle anderen Aufgaben des Diabetesmanagements liegen bei den Eltern oder in Absprache mit ihnen bei Erziehern in Kindertageseinrichtungen oder z. B. bei den Großeltern.

AID-Systeme in der Grundschule

Wenn Kinder mit einem AID-System in die Grundschule kommen, gilt für sie das, was zuvor für Vorschulkinder beschrieben wurde. Sie sollten, z. B. in Kursen wie “Fit für die Schule” darauf vorbereitet werden und üben, anderen Kindern selbstbewusst zu erklären, was sie an ihrem Körper tragen und warum. Auch sollten sie wissen, wie sie bei Problemen, Alarmen und anderen Schwierigkeiten Erwachsene um Hilfe bitten.

Dabei sollten die Vor-, vor allem aber auch die Nachteile gut abgewogen werden, die mit einer individuellen Schulbegleitung für ein Kind mit Diabetes verbunden sein können. Das Zahlenverständnis und die Fähigkeit zum komplexen Denken reicht in dieser Entwicklungsphase in keinem Fall aus, um Entscheidungen bei der Insulintherapie zu treffen. Diese müssen erfahrenen Erwachsenen vorbehalten bleiben.

Bei älteren Grundschulkindern, die von ihren Eltern im Alltag gut in das Management des Diabetes einbezogen wurden, sind schon kleine Aufgaben nach sehr konkreter Absprache möglich, z. B. den Sportmodus wählen. Eindeutige “Verhaltensregeln”, die mit dem Kind erstellt/gemalt werden und praktische “Schritt-für-Schritt”-Übungen sind hier ein kindgerechter Einstieg in die selbständige Behandlung.

Mit AID-System in die weiterführende Schule

Vor dem Übertritt in eine weiterführende Schule sollten ältere Schulkinder auf den nächsten Schritt in die Selbständigkeit vorbereitet werden, einige Aufgaben zunächst unter Supervision der Eltern selbst übernehmen und mit den Eltern absprechen, wo Hilfe oder Erinnerungen (telefonisch) erforderlich sind. Auch wenn Kinder hier schon sehr selbständig wirken und sein wollen, sind sie bei komplexen Entscheidungen – besonders unter Zeitdruck – überfordert. Die Herausforderung für Eltern ist hier, ein gutes Gleichgewicht zwischen Fordern, Zutrauen und Fürsorge zu finden.

Die Berichte von Maren Sturny über die 9-jährige Nonie zeigen, wie es gelingen kann, Kindern Rückenwind zu geben: Leistungen anerkennen, aus der Ferne gelassen zuschauen, Mut machen, aber auch da sein, wenn es schwierig wird. Ältere Kinder vor der Pubertät haben ein tolle Auffassungsgabe, lernen durch Vorbilder und sind ausgesprochen geschickt, wenn es darum geht, neue Technologien zu erkunden und zu bedienen.

Und das kann ihnen auch Schritt für Schritt so gut gelingen, dass sie den Schulalltag mit einem AID-System weitestgehend selbst meistern können – einen vertrauensvollen Kontakt mit den Eltern vorausgesetzt, die ihnen bei Fragen oder auch Motivationskrisen bis weit in das Jugendalter hinein zur Seite stehen.

Erfahrungsberichte

Einige Berichte zu den Erfahrungen der Familien, mit denen das Team in Cambridge gearbeitet hat, finden sich unter bit.ly/3JUolFd


von Prof. Dr. Karin Lange

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2023; 14 (1) Seite 16-17

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  • insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche

    Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 2 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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