So lassen sich Ressourcen stärken

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So lassen sich Ressourcen stärken

Situation von Geschwisterkindern

Mit der Diagnose einer chronischen Erkrankung oder Behinderung eines Kindes ändert sich für die betroffenen Familien häufig viel. Der ganze Familienalltag wird durcheinandergebracht und muss sich erstmal wieder neu sortieren. Dies bedeutet für die Geschwisterkinder oft, dass viel Unvorhersehbares und Veränderungen auf sie zukommen, was bei ihnen Unsicherheiten auslösen kann. Die Eltern sind nicht selten in sehr zeitintensive Maßnahmen eingebunden, wie viele Arzttermine, Therapiemaßnahmen oder pflegende Tätigkeiten. Diese zeitliche Beanspruchung der Eltern sowie ihre damit einhergehende vermehrte Aufmerksamkeit auf das Kind mit Behinderung/Erkrankung spüren Geschwisterkinder und stellen die eigenen Bedürfnisse vermehrt zurück. Auch emotionale Belastungen, wie Scham oder die Frage nach der Schuld für beispielsweise den Ausbruch der Erkrankung, beschäftigen die Geschwisterkinder teilweise sehr. Letzteres ist häufig mit einem defizitären Wissen über die Erkrankung oder Behinderung des Geschwisters verknüpft.

All diese möglichen Belastungen können Einfluss auf das psychische Wohlbefinden der Geschwisterkinder haben. Dies belegen auch diverse Studien. Sie zeigen, dass Geschwisterkinder ein leicht erhöhtes Risiko für die Entwicklung von psychischen Auffälligkeiten haben – für externalisierende, aber vor allem auch für internalisierende Verhaltensweisen (ängstliches, depressives Verhalten) sowie für somatische Probleme (Schlafprobleme, Kopfschmerzen) (3, 4, 2, 1).

Die Untersuchungen zeigen aber auch, dass Geschwisterkinder durch ihre besondere Lebenssituation einige Ressourcen oder Stärken aufweisen. Hierzu zählen beispielsweise eine sehr ausgeprägte Sozialkompetenz: Geschwisterkinder lernen, sich in das Erleben anderer Menschen einzufühlen und diese ggf. zu unterstützen. Zudem besitzen sie einen hohen Grad an Reife, Verantwortungsbewusstsein und Einfühlungsvermögen.

Alles in allem ist es wichtig, Geschwisterkindern die Möglichkeit zu geben, ihre Fragen zu äußern, und einen Raum zu schaffen, in dem sie über ihre Gedanken und Gefühle bzgl. ihrer Situation sprechen können, unabhängig von ihrem subjektiven Belastungserleben.

Die Angebote des GeschwisterCLUBs

Genau dies wird in den präventiven Gruppenangeboten des GeschwisterCLUBs ermöglicht. Diese haben das Ziel, Geschwisterkinder in ihren psychischen Schutzfaktoren und ihrer Resilienz zu stärken sowie die erlebten Belastungen abzufedern und so der möglichen Entwicklung von psychischen Auffälligkeiten entgegenzuwirken. Der GeschwisterCLUB ist ein Projekt des Instituts für Sozialmedizin in der Pädiatrie Augsburg (ISPA e. V.). In den letzten 12 Jahren wurden hier gemeinsam mit weiteren Akteuren aus der Geschwisterbegleitung Konzepte für Geschwisterkinder verschiedener Altersstufen entwickelt, sodass heute ein lebensphasenübergreifendes Modell (von 3 bis 18 Jahren; siehe Übersicht) vorhanden ist. Alle Konzepte sind in Büchern mit praktischen Durchführungshinweisen veröffentlicht und somit für Fachkräfte aus dem deutschsprachigen Raum nutzbar.

Alle Angebote des GeschwisterCLUBs drehen sich um das Thema "Aufwachsen mit einem Bruder oder einer Schwester mit Erkrankung/Behinderung" und welche Gefühle damit verbunden sein können. Sie geben den Geschwisterkindern die Möglichkeit, ihre besondere Lebenssituation zu reflektieren, und versuchen, sie zu befähigen, diese eigenständig zu bewältigen. Um den Teilnehmenden einen besseren Zugang zu dem Thema zu ermöglichen, sind die Gruppenangebote in kind- bzw. jugendgerechte Rahmengeschichten eingebettet. Spiel und Spaß kommen natürlich auch nicht zu kurz.

Die Angebote variieren in ihrem Umfang und ihrer Intensität im Umgang mit dem Thema "Geschwisterkind sein". So gibt es ein niedrigschwelliges Einstiegsangebot – den GeschwisterTAG. Hier lernen die Kinder häufig zum ersten Mal andere Geschwisterkinder kennen und erleben, dass sie nicht allein in dieser Situation aufwachsen. Daneben gibt es auch intensive, mehrtägige Kurse wie Supporting Siblings (kurz: SuSi), GeschwisterTREFF, GeschwisterTEENS, bei denen auch die Eltern phasenweise mit einbezogen werden. Die drei letztgenannten Kurse sind von der Zentralen Prüfstelle Prävention zertifiziert und können so potenziell von den Krankenkassen bezuschusst werden. Zudem wurden die Konzepte SuSi und der GeschwisterTREFF hinsichtlich ihrer Wirksamkeit in Evaluationen untersucht. Diese zeigen, dass sich die Fähigkeiten der Geschwisterkinder in den Bereichen Stressbewältigungskompetenz, Sozialkompetenz, emotionale Kompetenz und Selbstwertgefühl verändern: In ihrem Alltag handeln sie selbstsicherer, sind gelassener und können ihre Gefühle und Bedürfnisse vermehrt spüren sowie äußern.

Einblick in die Praxis

Ein Angebot des GeschwisterCLUBs – der ModuS Geschwisterworkshop "Fit und Stark" (entstanden in Kooperation mit dem Kompetenznetz Patientenschulung e. V.) – eignet sich besonders für spezifische/diagnoseeinheitliche Gruppen, z. B. Geschwister (6 – 12 Jahre) von Kindern mit Diabetes. Während des eintägigen Kurses wird mit der Symbolik eines großen Koffers gearbeitet – dieser wird als Diabetes-Koffer bezeichnet. Über geeignete Fragestellungen kann die Fachkraft mit den Geschwisterkindern ins Gespräch kommen, z. B.: Was wissen sie über die Erkrankung? Welche Begriffe kennen sie? Welche Situationen haben sie bereits erlebt? Zudem sollte den Geschwisterkindern die Möglichkeit geboten werden, sich mit ihrer eigenen Rolle auseinanderzusetzen und zu überlegen, welche Bedeutung die Erkrankung für sie hat. Alles, was die Geschwisterkinder erzählen, wird auf Metaplankarten festgehalten und in den Diabetes-Koffer hineingelegt.

Danach wird zusammengetragen, welche Personen den Kindern einfallen, die dabei helfen, den Diabetes-Koffer zu tragen, und ihn somit ein Stück leichter machen. Diese werden auf handförmige Zettel geschrieben und die Kinder platzieren die "tragenden" Hände an einer Stellwand um den Koffer herum (siehe Bilder). So wird das soziale Netz der Kinder und die Bedeutung sozialer Unterstützung anschaulich dargestellt. Im Anschluss reflektieren die Geschwisterkinder, welche Stärken und Fähigkeiten sie besitzen und wie diese ihnen helfen, mit ihrer besonderen Rolle, aber auch mit anderen Herausforderungen im Alltag umzugehen. Die genannten Ressourcen sind folglich nicht nur vorhanden, um die familiäre Situation zu erleichtern, sondern dienen auch beispielsweise bei Prüfungen in der Schule oder im Umgang mit Freundinnen und Freunden als Stütze. Alle Stärken werden auf bunte Druckvorlagen in Form von Luftballons festgehalten und zu dem restlichen Schaubild dazugepinnt. Das beschriebene Angebot verdeutlicht die Haltung des GeschwisterCLUBs sehr deutlich: Geschwisterkinder sind zwar mit einigen spezifischen Herausforderungen konfrontiert, sollten jedoch nicht pathologisiert, sondern viel mehr in ihren vorhandenen Ressourcen aktiv gestärkt werden.

Verbreitung in ganz Deutschland

ISPA e. V. bietet Einrichtungen kostenlose Beratungen an, wie sie eine Geschwister-Begleitung aufbauen können, die zu ihren individuellen Rahmenbedingungen passt. Zudem führt das Institut die Fortbildung zur "Fachkraft für Geschwister" durch. Bei dieser lernen Fachpersonen aus dem Sozial- und Gesundheitswesen theoretisches Basiswissen zu der Situation und den Bedürfnissen der Geschwister und erhalten konkrete Handlungs- und Gestaltungskompetenzen für die praktische Umsetzung der Geschwisterbegleitung.

Infos
Quellen:

Autorin:

Eva Dorn (li.), Heike Höfner (re.)
Institut für Sozialmedizin in der Pädiatrie Augsburg – ISPA e. V., Projekt „GeschwisterCLUB“

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

  • gingergirl postete ein Update vor 1 Woche, 4 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 1 Woche, 6 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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