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Mit der Fr1da-Studie testen Wissenschaftler 100.000 Kinder in Bayern auf Typ-1-Diabetes. Ziel ist es, die Erkrankung möglichst früh zu erkennen und damit eine frühzeitige Behandlung zu ermöglichen. Auch Ansätze, die verhindern, dass Diabetes ausbricht, sollen weiter erforscht werden.
Unser Ziel ist es, dass kein Kind mit Typ-1-Diabetes mehr eine Ketoazidose bei Diagnosestellung erleidet”, sagte Studienleiterin Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler bei der Auftaktveranstaltung des Studienprojektes. Fr1da steht übrigens für “Typ-1-Diabetes früh erkennen – früh gut behandeln”. Damit spricht Prof. Ziegler einen wichtigen Punkt in der Versorgung von Menschen mit Typ-1-Diabetes an: Die Erkrankung wird häufig zu spät erkannt.
Nicht selten stellen Ärzte die Diagnose erst, wenn eine lebensbedrohliche Entgleisung der Blutzuckerwerte mit einer Übersäuerung des Körpers (Ketoazidose) auftritt. Die Folgen für die Patienten können eine Behandlung auf der Intensivstation und – in manchen Fällen – sogar langfristige Schädigungen am Gehirn sein. Dazu kommt häufig eine Traumatisierung von Patienten und Angehörigen.
Typ-1-Diabetes zählt zu den Autoimmunerkrankungen. Im Blut von Erkrankten lassen sich krankheitstypische Antikörper nachweisen. Wie Professor Ziegler und ihr Team vom Helmholtz Zentrum München in jüngster Vergangenheit aufzeigen konnten, liegen die Antikörper schon lange Zeit – Monate bis mehrere Jahre – bevor Diabetes ausbricht im Blut vor. Die Erkrankung lässt sich also vorhersagen.
Die Münchner Wissenschaftler haben nun einen einfachen Bluttest entwickelt, der in nur einem Blutstropfen aus der Fingerbeere die vier häufigsten Antikörper nachweisen kann. Bayernweit sind Haus- und Kinderärzte aufgerufen, allen Kindern im Alter von zwei bis fünf Jahren einmalig die Teilnahme an einer Diabetesfrühdiagnostik anzubieten und die gesammelten Blutproben zur Analyse an das Helmholtz Zentrum München zu senden. Die Studienteilnahme ist freiwillig und kostenlos.
Bei einem positiven Testergebnis, also wenn Antikörper nachgewiesen werden können, erhalten die Betroffenen und ihre Familien eine langfristige medizinische Betreuung und umfangreiche Schulungsprogramme. Die jungen Patienten und ihre Familien werden so langsam an die Erkrankung herangeführt. So lernen sie, mit der Krankheit umzugehen und sie im Alltag zu bewältigen.
“Die Früherkennung gibt den Patienten, Familien und behandelnden Ärzten wertvolle Zeit, um sich auf den Diabetes vorzubereiten”, so Ziegler, “zum einen wollen wir durch die frühe Diagnose Komplikationen verhindern, zum anderen wollen wir mit dem Schulungsprogramm eine optimale Betreuung der Betroffenen erreichen. Denn ein gutes Selbstmanagement ist einer der wichtigsten Faktoren in der Behandlung von Typ-1-Diabetes.”
Bei Typ-1-Diabetes bildet das Immunsystem Antikörper gegen das Insulin sowie gegen zelluläre Eiweiße der insulinproduzierenden Zellen. In der Folge werden die Zellen zerstört, die Insulinproduktion versiegt.
Ein häufig geäußerter Einwand zu dem Screening-Projekt ist die Befürchtung, man nehme den Eltern und Kindern durch die frühere Diagnose Zeit der Unbeschwertheit. Dem entgegnen die Wissenschaftler, dass die Vorteile einer frühen medizinischen Anbindung mit Verhinderung von Komplikationen sowie einer Vorbereitung auf die Erkrankung in aller Regel überwiegen. Viele Betroffene berichten bei einer plötzlichen Diagnose, die eine Lebensumstellung von heute auf morgen notwendig macht, von Überforderung und Traumatisierung.
Die frühe Diagnose erkennt Diabetes zu einem Zeitpunkt, an dem zwar schon Autoantikörper vorhanden sind, Diabetes aber noch nicht “ausgebrochen” ist. Die Antikörper richten sich gegen die insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse und zeigen eine Zerstörung dieser durch das Immunsystem an.
Dieser Prozess schreitet aber langsam voran, am Anfang der Erkrankung sind also noch intakte Zellen vorhanden. Diese produzieren noch ausreichend Insulin, um den Blutzucker im Gleichgewicht zu halten – daher zeigen sich beim Patienten noch keine Symptome.
Ein neuer wissenschaftlicher Ansatz besteht darin, den fortschreitenden Immunprozess aufzuhalten, um die Krankheit vor ihrem Ausbruch zu stoppen. Aktuell wird beispielsweise eine Art “Impfung” erforscht, um eine Gewöhnung des Immunsystems zu erreichen und die fälschliche Autoimmunreaktion einzudämmen.
Solche Präventionsstudien werden bereits durchgeführt und machen Hoffnung, Diabetes eines Tages aufhalten oder sogar heilen zu können. Geeignete Personen aus der Fr1da-Studie können an solchen Studien teilnehmen. Die Wissenschaftler hoffen, die Ansätze damit weiterentwickeln und verbessern zu können.
Mit den gesammelten Daten der Fr1da-Studie wollen die Wissenschaftler auch die Ursachenforschung zu Diabetes voranbringen. Zwar lassen sich bei etwa zehn Prozent aller Menschen mit Typ-1-Diabetes genetische Risikofaktoren nachweisen und es gibt zahlreiche Hinweise auf verschiedenste Risikofaktoren aus der Umwelt (dazu zählen beispielsweise Infektionen, Kaiserschnittgeburten, Säuglingsernährung oder ein zu hohes Hygienemaß in der “westlichen Welt”).
Dennoch sind das Zusammenwirken der Faktoren und der auslösende Prozess bei der Entstehung von Typ-1-Diabetes nach wie vor unbekannt. Durch die bayernweite Probensammlung liefern die Fr1da-Daten einen einmaligen bevölkerungsbezogenen Querschnitt in dieser Altersgruppe, der wertvolle Hinweise zu ursächlichen sowie regionalen oder sozialen Zusammenhängen geben könnte.
Die Studie wird von zahlreichen Partnern und Förderern unterstützt, das nationale wie internationale medizinisch-wissenschaftliche Interesse ist enorm. Erweist sich das Screening als erfolgreich, könnte es auch in die bundesweit regelhaft durchgeführten Vorsorgeuntersuchungen (“U-Reihe”) aufgenommen werden.
Wer kann teilnehmen?
Alle Kinder in Bayern zwischen zwei und fünf Jahren.
Wie erfolgt die Untersuchung?
In einem Blutstropfen aus der Fingerbeere werden diabetestypische Antikörper bestimmt. Zudem füllen die Teilnehmer einen einseitigen Fragebogen aus. Die Teilnahme ist freiwillig und kostenlos.
Was sind die Ziele der Fr1da-Studie?
Wer steht hinter der Studie?
Die Studie wird vom Helmholtz Zentrum München geleitet.
Kooperationspartner sind die Technische Universität München, der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V. Landesverband Bayern, PaedNetz Bayern sowie das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege.
Förderer sind die US-amerikanische Förderorganisation zur Diabetesforschung JDRF, der Landesverband Bayern der Betriebskrankenkassen und die Deutsche Diabetesstiftung.
Schirmherrin der Studie ist die Bayerische Staatsministerin für Gesundheit und Pflege, Melanie Huml, MdL.
Mit der Fr1da-Studie wird allen Kindern zwischen zwei und fünf Jahren in Bayern eine kostenlose Untersuchung zur Früherkennung des Typ-1-Diabetes angeboten. Ziel ist es, durch eine frühe Diagnose die betroffenen Kinder frühzeitig und bestmöglich zu behandeln. Wissenschaftler erhoffen sich darüber hinaus neue Erkenntnisse zu den Ursachen von Diabetes und zu neuen Strategien, um diese häufigste Stoffwechselerkrankung des Kindes- und Jugendalters aufhalten oder gar heilen zu können.
Kostenfreie Rufnummer: 0800-4648835, E-Mail: diabetes.frueherkennung@helmholtz-muenchen.de
von Dr. med. Nadja Becker
Helmholtz Zentrum München
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2015; 8 (1) Seite 8-10
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