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Warum ich aufgrund meines Typ-1-Diabetes (vermutlich) keine Kinder haben möchte!
5 Minuten
Meine Diabetes-Typ-1-Erkrankung habe ich (Stand 2024) mittlerweile schon 19 Jahre. Ich erinnere mich noch an das Leben „davor“, aber präsenter ist mein Leben „damit“ natürlich allemal.
Mittlerweile durfte ich meinen 30. Geburtstag erleben. 30 Jahre ich und meine Existenz auf dieser Erde. Davon die besagten letzten 19 Jahre bereits erkrankt. Für immer, behandelbar, aber zugleich (bisher) unheilbar. Harte, schwere Worte, ich weiß. Und ich habe auch bisher (nebenbei klopfe ich auf Holz ☺), keine Midlife-Crisis, die mich veranlasst, dieses Thema aus dem Titel des Beitrags einmal näher zu erläutern.
Aber es geht mir doch grundsätzlich gut…
Es geht mir gut. Egal ob ich vor wenigen Monaten noch 29 Jahre oder entsprechend jetzt 30 Jahre alt bin. Ich bin froh darum, jedes Jahr erleben zu können und feiere seit Jahren meine Geburtstage mit den Worten „365-mal neue Tage zum Verplempern“. Das ist natürlich mit einer gewissen Ironie daher gesagt und auch entsprechend so zu verstehen. Damit beabsichtige ich aber auch die Kernaussage, das Leben bzw. sein eigenes Leben zu genießen. Es auskosten, mit dem wer man ist und was man hat. Im Rahmen aller Möglichkeiten und sich des eigenen Seins zu erfreuen.
Um aber einmal von diesen ganzen poetischen Floskeln wegzukommen: Selbstverständlich lebe ich mit meinem aktuellen Alter zwischen Freundeskreisen, welche derzeit, man könnte es den „klassischen Weg“ nennen, einschlagen. Dagegen ist ja auch nichts einzuwenden. Jedem den eigenen (Lebens-)Traum. Sei es Haus, Katze, Hof und Hund. Ein Kind, mehrere Kinder oder einen Stall voller Hühner. Solange es diese Menschen entsprechend ihrer Träume und Vorstellungen erfüllt, ist doch alles in Butter.
Die vielen unendlichen Fragen nach möglichen Kindern
Aber da kommen auch, teils ungefragt durch externe Personen, diese Fragen auf. Besonders präsent ab einem Alter, welches mit der drei als Anfangszahl beginnt:
- Was ist eigentlich mit Kindern?
- WANN möchtest du eigentlich mal Kinder haben?
- Möchtest du Kinder?
- Hast du Kinder?
Und ganz ehrlich: Mich stören diese Fragen nicht. Was nicht bedeutet, dass ich es gutheiße, übergriffig oder überhaupt allgemein andere Menschen danach zu fragen, aber mich stört es nicht, gefragt zu werden. Weil ich für mich, seit einigen Jahren eine Antwort auf diese Fragen habe. Diese Antwort lautet: Ich habe keine Kinder und ich denke, ich möchte auch keine Kinder bekommen.
Damit wäre eigentlich alles geklärt. Eigentlich…
Denn ich möchte gerne erläutern, woher meine Antwort kommt. Da ich mir sicher bin, ich bin nicht die einzige Person, welche so denkt. Natürlich kann ich die Weltgeschehnisse beachten und mir denken: YOLO (engl. für „you only live once“; dt. = du lebst nur einmal). Da ist ein Kinderwunsch und diese Erde ist nicht nur eine Katastrophe. Kinder sind Hoffnung, Kinder sind toll – let’s go for it.
Mein Hauptgrund, kein Kind bekommen zu wollen
Oder ich könnte sagen: Ich habe Typ-1-Diabetes, ich komme gut damit zurecht. Selbst wenn mein Kind/ meine Kinder dies bekämen – man kann damit (gut) leben. Und genau DAS, der letzte Punkt, ist mein Knackpunkt und Hauptentscheidungsträger meiner aktuellen Einstellung und Aussage: Ich möchte (vermutlich) keine Kinder bekommen.
Und ich weiß, dass selbst wenn die Welt ein absolutes Paradies wäre, selbst wenn die Menschheit sogar vollends in Wonne aus Friede, Freude & Eierkuchen existieren dürfte und selbst wenn wirklich alles ganz zauberhaft und fantastisch aussehen würde … ich würde bei meiner Ansicht bleiben:
Ich möchte (vermutlich) keine Kinder bekommen.
Aus dem Grund, dass ich meine eigene Erkrankung so furchtbar finde, dass ich nicht verantworten möchte, dass ein anderer Mensch (oder vielleicht auch mehrere, schließlich bin ich Ü30 und wie war das noch gleich mit dem erhöhten Risiko von Mehrlingen? ☺), damit leben müsste.
Denn sind wir ehrlich – wir sind hier. Jeder von uns und zugleich keiner von uns hatte ein aktives Mitspracherecht, ob wir nun entstehen und geboren werden. Oder auch nicht. Diese Entscheidung wurde von anderen Menschen, für uns getroffen. Und natürlich macht es Spaß zu leben und das sogar auch mit einer lebenslangen Erkrankung wie Typ-1-Diabetes. Denn die Forschung und Hilfsmittel ermöglichen uns heutzutage so viel (ich sage nur Glukose-Sensoren…). Nennt mich alt, aber ich bin weiterhin fasziniert, meine Werte von meinem Handy ablesen zu können. Und zugleich auch zu sehen, wie ein Closed-Loop-System funktioniert und eigenständig agiert.
Ja, es gibt all diese Hilfsmittel und Unterstützung für uns Betroffene. Egal ob Typ 1, Typ 2, Typ F usw.
Ab wann ist etwas lebenswert und wer entscheidet dies?
Aber ich empfinde eine Diabeteserkrankung nicht als lebenswert. Und ich könnte es mir nie verzeihen, einen Mensch „mit Absicht“ oder sagen wir mit der Wahrscheinlichkeit und dem Bewusstsein vorab, dass solche Krankheiten genetisch übertragbar sind, zu produzieren. Zu kreieren, zu erschaffen. Und ja, man kann Glück haben, keine Frage.
Jeder Mensch ist ein Wunder und jeder Prozess des Erschaffens – damit meine ich den Teil des Wachstums im Bauch 😉 – ein Risiko für sich. Egal ob Vorerkrankungen bekannt sind oder nicht. Es ist, auf gut Deutsch gesagt, wie Lottospielen. Wir alle hoffen das beste für diesen neuen Mensch und man kann sich zugleich vorbildlich verhalten während einer Schwangerschaft. Und dennoch spielt das „Lotto des Lebens” seine eigenen Spiele.
Und ist mit einer Typ-1-Diabetes-Erkrankung das Leben nun wirklich weniger lebenswert gar schrecklich oder furchtbar belastend? Ja und nein, das kommt natürlich auch stets auf den Mensch an, der schlussendlich damit lebt und leben muss. Denn das ist ein Leben lang, wann auch immer es „ausbricht“.
Mein Leben ist lebenswert, ich liebe es und erfreue mich meiner Existenz. Aber diese Krankheit weitergeben? Wissentlich? Selbst mit der Aussicht und Chance, dass auch alles „gut“ sein kann, sprich ohne Typ-1-Diabetes-Erkrankung? Das bringe ich nichts übers Herz.
Heute nicht, morgen nicht. Vermutlich nie. Wer weiß es schon?
Schlaflose Nächte und diese 24/7 Aufmerksamkeit
Meine Diabeteserkrankung kostet mich zu viele schlaflose Nächte. Zu viel 24/7-Aufmerksamkeit auf mich und aber, z.B. im Straßenverkehr, auch auf andere. Denn ich muss schauen, dass meine BZ-Werte stimmen, um niemanden zu gefährden, eben z.B. beim Autofahren.
Meine Typ-1-Diabetes-Erkrankung kostet mich zu viele Überwindungsmomente. Auch nach 19 Jahren noch, wenn ich mir z.B. Katheter setzen muss. Ich mache es. In sekundenschnelle- Ohne mit der Wimper zu zucken. Aber DAS zu wollen für ein anderes Lebewesen, freiwillig und mit dem Gewissen: ja, das kann so passieren? Nein danke!
19 Jahre sind eine lange Zeit und ich könnte heute noch bei jedem neu diagnostizieren Menschen weinen. Weil es mich so mitnimmt. Das Leben, das diese Person vielleicht schon eine Weile vorher kannte oder auch nicht, gibt es ab Diagnosestellung entsprechend nicht mehr. Ja, ein Leben mit Typ-1-Diabetes ist lebhaft. Aber ein Leben mit Typ-1-Diabetes, wünsche ich niemandem freiwillig. Eine 24-Stunden-Aufmerksamkeits-Krankheit, wie ich sie gerne nenne. Bis an Ende eines Lebens. Für immer. Jeden Tag aufpassen, reagieren, anpassen.
Für manche mag das lächerlich klingen. Es ist ja „nur“ Diabetes. Und wiederum anderen macht dieses Aufpassen auch absolut nicht viel aus. Es läuft gut, ja quasi nebenbei. Closed-Loop-Systeme können einen auch heutzutage schon toll unterstützen. Aber diese Krankheit bleibt. Mal eben eine Woche Urlaub, ohne Diabetes? Gibt’s nicht!
Obwohl die Wahrscheinlichkeit gering ist…
Und wir reden hier mütterlicherseits von Vererbungszahlen unter 10 Prozent Wahrscheinlichkeit für ein neues Leben. Wenn z.B. nur ein Elternteil erkrankt ist und entsprechend Nachwuchs bekommt. Und das Letzte, was ich möchte, ist Angst und Schrecken verbreiten! Denn Kinder sind toll, Kinder können Hoffnung sein und ein Kinderwunsch sollte akzeptiert werden, von wem auch immer. Genauso wie der Wunsch, keine Kinder zu bekommen. Aus Gründen. Aus Überzeugung, aus einer Laune heraus oder aber schon allein deswegen, weil es eine Wahrscheinlichkeit gibt, eine Krankheit zu übertragen.
Und so komme ich immer und immer wieder zum selben Schluss: Ich möchte (vermutlich) kein eigenes/ keine eigenen Kinder bekommen.
Wie seht ihr das? Kommentiert es gerne unter diesem Beitrag, ich freue mich auf Meinungsaustausch!
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 15 Stunden, 24 Minuten
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 1 Tag, 12 Stunden
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 1 Tag, 11 Stunden
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 1 Woche, 4 Tagen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike