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Sie haben rechtliche oder soziale Fragen bezüglich Kindern und Jugendlichen mit Diabetes? Unser Rechts-Experte Oliver Ebert gibt Ihnen in der Rubrik Nachgefragt Antwort.
Peter F.: Unser Sohn Mario (13 Jahre, Typ 1) lebt bei meiner Ex-Frau, wir haben das gemeinsame Sorgerecht. Bislang gab es keine Probleme, aber seit ich mit einer neuen Partnerin zusammenlebe, dreht meine Ex durch: Sie macht mich vor Mario schlecht, er ist auffallend häufig an “meinen” Wochenenden krank, und es gibt oft Streit wegen Nichtigkeiten. Dazu kommt, dass meine Ex-Frau inzwischen Frutarierin ist und sich nur von Obst und Nüssen ernährt – und sie will, dass Mario sich auch so ernährt, wenn er bei mir ist.
Mario leidet sehr unter der Auseinandersetzung und hat extrem schlechte Blutzuckerwerte. Ich habe darüber einmal mit einem befreundeten Diabetologen gesprochen, und er meinte, dass eine Pumpe für Mario sinnvoll sein könnte. Meine Ex-Frau ist strikt gegen eine Pumpe, die Entscheidungen über die Therapie würden mich trotz gemeinsamen Sorgerechts nichts angehen. Seither erhalte ich keinerlei Infos mehr zu seinem Diabetes. Meine Ex-Frau hat auch allen Ärzten verboten, mir Auskunft zu geben. Wenn Mario bei mir ist, schaue ich natürlich den Speicher seines Messgeräts durch, und er hat immer schlechtere Werte. Es muss schleunigst etwas geschehen.
Stimmt es wirklich, dass ich keinerlei Anspruch habe, über den Gesundheitszustand und die Behandlungssituation von Mario informiert zu werden? Und kann ich denn gar nichts machen, wenn doch seine Therapie offensichtlich so danebengeht?
Oliver Ebert: Leider ist die Sachlage nicht ganz einfach, und ich kann daher keine pauschale Antwort geben.
Nach der gesetzlichen Regelung (§ 1686 BGB) kann jeder Elternteil Auskunftvom anderen verlangen, sofern hierfür ein berechtigtes Interesse besteht und dies dem Kindeswohl auch nicht zuwiderlaufen würde. Dieser Auskunftsanspruch besteht unabhängig davon, ob die Eltern miteinander verheiratet sind/waren oder wer das Sorgerecht hat. Auskunft kann man aber nur verlangen, wenn sich die Informationen nicht auf andere Art und Weise selbst beschaffen lassen, beispielsweise, wenn das Kind noch zu klein ist, um entsprechende Fragen zu beantworten.
Im Wege einer solchen Auskunft kann man sich über die allgemeine Entwicklung des Kindes informieren, insbesondere auch über den Gesundheitszustand bzw. etwaige Krankheiten, Aufenthaltswechsel, Besuch von vorschulischen und schulischen Einrichtungen. So muss z. B. darüber informiert werden, welche Medikamente das Kind bekommt und ob bzw. wie lange es diese noch weiter nehmen muss. Ob weitergehende Informationen zu Arzt- und Laboruntersuchungen mitgeteilt werden müssen, hängt dagegen vom Einzelfall ab.
Bei schwerwiegenden Krankheiten oder Unfällen wird man das wohl eher bejahen, zu Routineuntersuchungen dürfte dagegen kein Auskunftsanspruch gegenüber dem anderen Elternteil bestehen. Auch besteht grundsätzlich kein Anspruch auf die Überlassung von medizinischen Unterlagen oder den Nachweis von Arztbesuchen.
Wenn Sie wissen, bei welchem Arzt Mario in Behandlung ist, können Sie sich aber direkt an diesen wenden; er muss Ihnen als Sorgeberechtigtem Auskünfte erteilen. Auch Kitas oder Schulen müssen jedem Elternteil Auskunft über den Entwicklungsstand des Kindes geben.
Davon zu trennen ist die Entscheidung über ärztliche Behandlungen oder Ernährung: Hier sprechen die Gerichte in der Regel dem Elternteil die Entscheidungsbefugnis zu, in dessen Obhut sich das Kind gerade befindet. Grundsätzlich müssen nur solche medizinischen Eingriffe, die weder Routinebehandlungen oder Akutmaßnahmen (z. B. nach Unfall) sind, vorab mit dem anderen sorgeberechtigten Elternteil abgesprochen werden.
Wenn Mario also die meiste Zeit bei seiner Mutter ist, dann wird diese grundsätzlich über seine medizinischen Behandlungen sowie die Therapie bestimmen dürfen. Nur bei grundlegenden Entscheidungen oder wenn erhebliche Schäden drohen bzw. das Kindeswohl gefährdet wird, können Sie hier etwas ändern.
Ob eine Umstellung auf die Pumpe wirklich notwendig ist bzw. eine nachhaltige Verbesserung bringt, wird man pauschal allerdings nicht behaupten können. Versuchen Sie daher gegebenenfalls durch einen Vermittler oder eine gemeinsame Vertrauensperson, Ihre Ex-Frau davon zu überzeugen, warum eine Insulinpumpe für Mario erforderlich ist. Wenn das nichts hilft, obwohl Sie begründete Stellungnahmen von Fachärzten vorlegen können, dann sollten Sie das Jugendamt um Unterstützung bitten.
Bleibt alles erfolglos, muss im Zweifel das Gericht entscheiden.Eine juristische Auseinandersetzung sollte allerdings nur der letzte Ausweg sein; dies birgt immer auch die Gefahr, dass sich die Fronten noch mehr verhärten.
Wenn Ihre Ex-Frau eine rein frutarische Ernährung auch für Mario für richtig hält, dann können Sie dagegen wohl leider ebenfalls nicht viel unternehmen, wenigstens solange nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit Gesundheitsbeeinträchtigungen drohen. Umgekehrt: Wenn und solange Mario sich bei Ihnen aufhält, können auch Sie mit ihm zu einem Diabetologen gehen und dort über Therapieoptionen sprechen. Zumindest juristisch könnte Ihre Ex-Frau auch nicht viel dagegen ausrichten, wenn Mario bei Ihnen ganz andere Lebensmittel bekommt als zu Hause. Auch Fastfood oder Süßigkeiten sind erlaubt, sofern das Kindeswohl nicht nachhaltig gefährdet ist.
von RA Oliver Ebert| REK Rechtsanwälte Stuttgart/Balingen
E-Mail: Sekretariat@rek.de
, Internet: www.diabetes-und-recht.de
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2015; 8 (3) Seite 28
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