- Eltern und Kind
Wenn die Einschulung anders läuft als erwartet
5 Minuten
Ein Schulkind werden – das ist ein großer Schritt. Leider wurde Julius wegen seines Diabetes an einer Schule abgewiesen. Seine Mutter Anne-Marie Bergfeld erzählt, wie es dann weiterging – und warum sie nicht lockerließ, obwohl Julius längst einen Platz an einer anderen Schule bekommen hatte.
Noch heute schnürt es mir die Kehle zu, wenn ich über die Einschulung unseres Sohnes Julius berichte. Zum Glück ist er ein fröhlicher, selbstbewusster Erstklässler geworden, der seinen Diabetes ganz selbstverständlich erfolgreich managt.
Unsere erste Wahl: die Waldorfschule in der Nähe
Wir leben in Freiburg und haben mehrere Grundschulen im Viertel. Als eine besonders am Individuum interessierte, eine mehrheitlich gesunde Ernährung bietende und zugewandte Schulgemeinschaft präsentierte sich die Freie Waldorfschule in unserer Nähe. Ebenfalls in Betracht zogen wir die Regelschule, die einen guten Ruf genießt.
Im Februar 2017 wurden wir zum Aufnahmegespräch in die Waldorfschule eingeladen. Julius wurde, unter anderem vom Schularzt, der ihn als behandelnder Arzt bereits kannte, als schulreif eingestuft. Auch in der Grundschule, in deren Einzugsgebiet wir wohnen, bekamen wir einen Schulplatz zugeteilt.
Nur Gegenwind – und dann kam die Absage
Jetzt wollten wir die potentiellen Klassenlehrer beider Schulen kennenlernen, denn uns war klar, dass diese im Alltag die Schlüsselpersonen zu einem reibungslosen Diabetes-Management sein würden.
In der Waldorfschule war die designierte Erstklasslehrerin schon bekannt. Und zu unserer Freude hatte sie ein zwölfjähriges Kind mit Diabetes in ihrer derzeitigen Klasse
Zum Treffen erschienen auch die Leiterin des Aufnahmegremiums und der Schularzt. Natürlich hatte ich mich mit Info-Material zum Thema „Diabetes im Schulalltag“ ausgestattet und eine Strategie in der Tasche, wie ich sanft ins Thema einführen und nichts Überforderndes ansprechen wollte.
Ich bot auch Unterstützung im Schulalltag an, doch erntete nur Gegenwind. Die Klassen mit 36 Schülern seien bei ihnen zu groß für zusätzliche Aufgaben, Julius sei woanders besser aufgehoben. Aber ich hatte doch eine Zusage erhalten! Ich zog meinen Joker: Julius’ Betreuerin, aus Kindergartentagen bestens eingearbeitet, könnte täglich zur Insulinüberwachung vorbeikommen. Aber – Dritte im Unterricht? Das sei unerwünscht. Als der Schularzt empfahl, ich solle bei meinem Diabetologen nachfragen, wo Kinder wie unseres eingeschult würden, habe ich das Gespräch beendet.
Zwei Tage später erreichte uns eine Aufhebung des zugesagten Schulplatzes. „Zu unserem Bedauern müssen wir auf Grund … der notwendigen gesundheitlichen Betreuung Ihres Sohnes, die wir nicht ausreichend gewährleisten können, unsere Zusage eines Schulplatzes zurücknehmen.“ Ohne jede Rücksicht auf die Tatsache, dass die Anmeldefristen an allen Schulen längst verstrichen waren, hatte man unseren Sohn auf die Straße gesetzt. Wie waren wir froh um unseren Plan B! Aber dazu später mehr, denn wir wollten das nicht hinnehmen.
Verstoß gegen das Gleichstellungsgesetz
Ein befreundeter Jurist schrieb die Schule an. Und besonders die Antidiskriminierungsstelle des Bundes war eine große Hilfe, auch in emotionaler Hinsicht. Sie bescheinigte der Schule, gegen das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) verstoßen zu haben und forderte, die Kündigung des Schulplatzes zurückzunehmen. Zur Lösung der Situation wurde vorgeschlagen, Julius von einem anderen Lehrer unterrichten zu lassen.
Eltern anderer diabetesbetroffener Waldorfschüler baten die Waldorfschule um ein Gespräch. In diesem gab die Schule vor, wegen des rechtlichen Verfahrens nicht über Julius sprechen zu dürfen, bei dem es sich um einen besonderen Fall handle. Sofort kamen Gerüchte auf, unser Sohn habe einen „besonders schweren“ Diabetes, oder er sei zusätzlich anderweitig behindert. Zwischenzeitlich hatte der Südwestrundfunk (SWR) von unserem Fall Wind bekommen und einen Radiobeitrag gesendet.
Warum ist die Schule überfordert?
Schließlich antwortete der Anwalt der Schule, dass man der Waldorfschule keine Diskriminierung vorwerfen könne, da es in der Schülerschaft Kinder mit Diabetes gäbe. Unser Diabetologe der Uniklinik Freiburg bekräftigte daraufhin, dass Julius kerngesund sei, nur eben Insulin brauche und eine ganz normale Schule besuchen könne. Der Schularzt hingegen hielt es auf Nachfrage nicht für nötig, eine Begründung abzugeben, weshalb die Aufnahme eines an Diabetes erkrankten Kindes eine Überforderung für „seine“ Schule darstellen solle.
Nach drei Monaten: Vertreter der Schule entschuldigen sich
Es dauerte drei Monate, bis wir endlich vom Vorstand der Schule zu einem Gespräch gebeten wurden. Mein Mann und ich saßen vor drei fremden Menschen, die uns allerdings wohlwollend und verständnisvoll begegneten. Sie entschuldigten sich für das Versagen der Schule, boten uns wieder einen Schulplatz für Julius an und sagten zu, die entstandenen Gerüchte über Juliusʼ Gesundheitszustand ausmerzen zu wollen.
Die Lehrerin, auf deren Betreiben die Ablehnung unseres Sohnes zurückzuführen war, hat die Schule dann verlassen, weitere Konsequenzen sind uns nicht bekannt. Ich habe später die neu benannte Erstklasslehrerin kennengelernt. Sie war aufgeschlossen und hätte Julius vermutlich gut im Blick gehabt. Wir haben uns aber doch für die Regelschule entschieden. Der Schock saß zu tief, und es bleibt uns ein Rätsel, dass selbst nach der eindeutigen Aufforderung durch eine Bundesbehörde so viele Wochen ins Land gehen mussten, bis jemand mit uns sprechen wollte.
Plan B wurde zu Plan A – und Julius ein glücklicher Erstklässler
Und der Plan B, die Regelschule? Wurde schon zu Beginn des Kampfes zum Plan A. Julius hat von dem Ärger so wenig wie möglich mitbekommen. Ich zeigte ihm fortan „seine“ Schule, wir spielten wochenends dort auf dem Pausenhof und er beneidete mich, als ich ihm erzählte, dass ich schon in den Sommerferien seine neue Klassenlehrerin treffen würde, um mit ihr über den Diabetes zu sprechen. Julius hatte ganz frisch einen zweitägigen Kurs „Fit für die Schule“ für Diabetiker mitgemacht und sah der Einschulung recht gelassen entgegen. Er wünschte sich prompt, mit der Lehrerin in der Pause bolen zu dürfen.
Julius bei den Hausaufgaben.
Als ich Frau Stutz mit dem Wunsch konfrontierte, reagierte sie aufgeschlossen. Sie sollte folglich überwachen, dass er es nicht vergisst und sich nicht vertippt. Blutzuckermessen (er misst blutig) und Bolusabgabe kann Julius komplett selbständig. Für extreme Werte gab ich Frau Stutz eine Tabelle, nach der dann gehandelt werden muss. Bevor die Schule begann, wurden die Klassenlehrerin, welche auch Sport unterrichtet, der Französisch- und Religionslehrer sowie alle Betreuer des Schulhorts von einer Diabetesberaterin der Uniklinik Freiburg geschult.
Hier ist niemand überfordert
Die ersten fünf Schultage wurde Julius noch von seiner Betreuerin begleitet, um den Umgang mit der Pumpe und dem Messen zu etablieren. Das war gut, denn die Schüler waren anfänglich sehr durcheinander, weil alles so aufregend ist. Seither misst Julius vor dem Pausenbrot, zeigt Frau Stutz den Wert und bolt mit dem Bolus-Expert sein Essen (ein Vesper mit 2,0 KE). Es klappt so, wie wir es uns immer gewünscht hatten. Bevor er dann in den Hort geht, misst er nochmals. Bei hohen Werten macht er einen „Korrekturbolus“. Was ein hoher Wert ist, sagt ihm Frau Stutz oder die Leiterin des Horts. Und zum Glück überfordert das hier keinen.
Immer wieder die Frage: „Warum habt ihr das alles gemacht?“
„Warum habt ihr das alles gemacht?“ – Das wurden wir oft gefragt. Es stimmt wohl, dass unser Interesse an einem Schulplatz an der Waldorfschule schon nach dem ersten unangenehmen Gespräch erloschen war. Unser Ziel: dass nachfolgenden Kindern und ihren Eltern eine solche Behandlung erspart bleibt. Wir wünschen allen Schulanfängern einen guten und vor allem fairen Start!
von Anne-Marie Bergfeld
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2018; 10 (3) Seite 20-22
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche, 2 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 1 Tag
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 1 Woche, 4 Tagen
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 5 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 2 Wochen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 1 Woche, 2 Tagen
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig