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6 Wochen Mexiko mit dem Diabetes im Gepäck
5 Minuten
Anfang 2023 machte ein Umbruch zwischen zwei Jobs für mich eine etwas längere Pause zum Reisen möglich. Schon länger wollte ich eine Ausbildung zur Yogalehrerin machen. Nachdem ich einige potenzielle Orte dafür recherchiert hatte, entschied ich mich für Mexiko. Mich fasziniert die diverse Kultur Mexikos, ich esse gerne mexikanisch und zudem konnte ich vor Ort an meinem Spanisch arbeiten. Perfekt!

Ich nehme euch mit in die Planung und auf die Reise, um meine Erlebnisse mit euch zu teilen sowie euch Inspiration dazu zu geben, wie ihr euch auf eine Fernreise mit dem Diabetes im Rucksack vorbereiten könnt.
Nachdem die üblichen Reisevorbereitungen abgeschlossen waren, widmete ich mich der Planung rund um meinen Diabetes. Ich rechnete aus, wie viele Katheter ich auf meiner Reise für die Insulinpumpe benötigte, schätzte meinen Bedarf an Insulin und rechnete den vermutlichen Bedarf an CGM-Sensoren aus.
Planung ist alles – zumindest, was den Diabetesbedarf angeht
Bei der Berechnung ging ich unter pessimistischer Annahme davon aus, wie lange meine CGM-Sensoren und Katheter im Durchschnitt halten würden. Bei beiden waren das max. 4-5 Tage (Ich nutze Katheter, die bis zu 7 Tage bleiben können). Somit plante ich jeweils 10 CGM-Sensoren und 10 Katheter für einen Zeitraum von 6 Wochen ein. Dabei hatte ich aber außerdem einen Notfallplan (sprich Insulinpens mit schnellwirkendem und Basal-Insulin) sowie einzelne alternative CGM-Sensoren und ein Blutzuckermessgerät inkl. Teststreifen für blutige Messungen für ca. 3 Wochen.
Was das an Platz einnahm, könnt ihr auf dem nachfolgenden Bild sehen:

Man könnte meinen, das sei übertrieben, jedoch habe ich in den Wochen und Monaten vorher gelernt, dass leider nichts nerviger ist als unzuverlässige Diabetestechnik. Deshalb rechnete ich mit dem Schlimmsten, um positiv überrascht zu werden. Leider ging dieser Plan nicht auf und ich hatte jede Begründung für Pessimismus: Katheter und CGM zeigten sich eher unzuverlässig. Ich hatte genau jeweils noch einen CGM-Sensor und einen Katheter auf dem Heimweg bei mir. Schweiß, Sonnencreme und Meerwasser waren dann doch eine besondere Herausforderung für den Kleber der Katheter-Kanülen und CGM-Sensoren und viele sind verfrüht ab- bzw. ausgefallen.
Wie soll ich denn dafür einen guten Bolus schätzen?
Einer der Gründe, warum ich Mexiko liebe, ist das Essen. Nicht nur Tacos und Chilaquiles, sondern auch die Verfügbarkeit von frischen Früchten ließen mir jeden Tag aufs Neue das Herz aufgehen. So gab es reife (für uns) exotische Früchte, wohin man sah: Besonders Mango und Papaya gab es an wortwörtlich jeder Straßenecke. Dadurch, dass die Mangos, die ich mir regelmäßig auf der Straße (ja, ich habe es gewagt, Essen auf der Straße zu kaufen, und überlebt :)) kaufte, oder die Papaya, die es in vielen Hostels regelmäßig zum Frühstück gab, viel reifer sind als gewohnt, hatten sie natürlich auch wesentlich mehr Zucker. Lecker, aber etwas schwer für die Schätzung eines Bolus unterwegs.

Besonders Mexiko Stadt hat ein unfassbar tolles Angebot an Bars, Restaurants und natürlich ganz viel Street-Food. Aber auch in den kleineren Städten, in denen ich war, gab es eine super Auswahl an veganem Essen. In Mexiko ist es preislich meist gleich, wenn nicht günstiger, essen zu gehen, anstatt selbst zu kochen. Da ich alleine reiste, war für mich das gemeinsame Essen(gehen) zudem auch eine willkommene Art zu socialisen.

Aber wir kennen das ja alle: Im Restaurant weiß man nie so ganz genau, wann das Essen jetzt kommt. Selbst bei noch so genauem Studieren der Essensinhalte kann es passieren, dass gezuckerte Soßen, unbekannte Kohlenhydrate oder Ähnliches uns den Bolus zerschießen. Außerdem besteht fast jedes mexikanische Gericht aus irgendeiner Form von Mais, kombiniert mit Fett oder Proteinen. Eine spannende Mischung aus Kohlenhydraten und langsameren Bestandteilen also. Irgendwann entwickelte ich aber auch für all diese kleinen Herausforderungen eine gute Schätztechnik sowie Entspannung bezüglich der Schwankungen meiner Zuckerwerte.
Montezumas Rache – hatte ich Glück?
Ein Punkt, der mich nicht aktiv eingeschränkt hat, jedoch immer in meinem Hinterkopf war – vielleicht hast du schon einmal von Montezumas Rache gehört? Nun, die ganze Geschichte wäre hier jetzt zu lang, aber nur so viel: Ich versuchte es zu vermeiden, Montezumas Rachegelüste auf mich zu ziehen. Diese kommen sehr häufig mit Erbrechen, Durchfall und unangenehmen Magen-Darm-Symptomen gemeinsam. Ich traf einige Reisende, die aufgrund des ungewohnten Essens, eines Fehlgriffs beim Street-Food oder der Höhe (Mexiko Stadt liegt auf ca. 2.240 m) von Erfahrungen mit den zuvor genannten Symptomen bis hin zu Krankenhausbesuchen berichteten. In mein Reisetagebuch wollte ich diese Erfahrungen verständlicherweise nicht schreiben – wer möchte das schon freiwillig, besonders mit Typ-1-Diabetes? Zum Glück schien meine Vorsicht genau angemessen, denn ich habe alles probiert, was ich probieren wollte, und kann berichten, Montezuma trotzdem nicht verärgert zu haben.
Schritte über Schritte, dabei ist es doch so warm!
Ich erkunde neue Orte am liebsten zu Fuß. So kann ich mich schneller orientieren, kann mich treiben lassen und komme mit den lokalen Bewohner:innen in Kontakt. In fast allen Städten, die ich besuchte, machte ich direkt am Anfang eine Walking-Tour. Meistens werden diese eh von den Hostels angeboten, sodass man nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein muss. Aber auch ohne spezielle Touren versuchte ich, mich so viel wie möglich zu Fuß zu bewegen.
Natürlich ging das nicht ohne einige Unterzuckerungen. Nicht selten gingen die Touren über Mittag und häufig war es sehr warm. Wenn ich alleine oder in einer kleineren Gruppe unterwegs war, ließ sich das einfacher navigieren, als wenn wir mitten in einer großen Walking-Tour waren. Über den Sport-Modus meiner Pumpe sowie Aktivitäts-KE bekam ich aber alles gut in den Griff. Für den Notfall hatte ich immer ein Trinkpäckchen und natürlich Traubenzucker dabei. Manchmal war die Unterzuckerung natürlich auch ein hervorragender Grund für eine frische Mango und eine kurze Pause.
Und dann leert sich der Rucksack und du weißt… es geht nach Hause!
Und auf einmal ist es dann so weit: Der Diabetesbedarf wird weniger, der Platz im Rucksack wird mehr. Ein sicheres Zeichen dafür, dass sich die Heimreise nähert. Als ich meinen Rückflug antrat, war ich voller glücklicher Erlebnisse und schöner Momente. Ich habe spannende Menschen kennen gelernt, neue Freundschaften geschlossen und eine unfassbar schöne Zeit gehabt. Mexiko liebe ich jetzt noch viel mehr als zuvor.
Sehr lange dachte ich, mit dem Diabetes sei diese Art zu reisen nicht umsetzbar. Das lag hauptsächlich daran, dass mir von Ärzt:innen und der Gesellschaft von klein auf vermittelt wurde, ich sei anders. Mir wurde vermittelt, ich kann nicht alles machen, was ich möchte – dass der Diabetes mich an vielem (Schönen) ja hindere. Nun… zum Glück ist das nicht so! Und dennoch möchte ich Abstand nehmen von Formulierungen wie „Ich habe diese Reise trotz Diabetes gemacht“. Diabetes ist nichts, dem ich trotzen möchte oder was ich bekämpfen muss. Mit Diabetes zu leben, hindert mich nicht daran, das zu machen, was ich möchte.
Lediglich verändert Diabetes zu haben, meine Ausgangslage und verlangt von mir, meine Planung anzupassen. Die Reise ist meine, also gestalte ich sie so, dass sie zu meinen Bedürfnissen (mit Diabetes) passt. Wenn du also vor der Frage stehst, ob du ein Auslandsschuljahr, ein Gap-Year in Australien, ein Auslandssemester oder eine Tour mit dem Rucksack durch die Welt mit Diabetes machen kannst: Ja, das kannst du. Am besten, du fängst heute noch an zu planen! 🙂
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 5 Tagen, 9 Stunden
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 6 Tagen, 7 Stunden
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 6 Tagen, 6 Stunden
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Wochen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 1 Tag
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike