Alte und neue Herausforderung während der Corona-Pandemie

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Alte und neue Herausforderung während der Corona-Pandemie

Für die etwa 4,7 Millionen in Deutschland lebenden Muslime hat am 23. April der religiöse Fastenmonat Ramadan begonnen. Obwohl Menschen mit chronischen Erkrankungen wie einem Diabetes mellitus von der Pflicht zu fasten befreit sind, machen trotzdem viele muslimische Diabetespatientinnen und -patienten von dieser Ausnahme keinen Gebrauch. Doch das tägliche Fasten kann für manche Patienten u.U. erhebliche Gesundheitsrisiken bergen. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) rät Patienten daher, nur unter ärztlicher Begleitung zu fasten – Risikopatienten sollten besser ganz darauf verzichten. Zudem geht während der Corona-Pandemie ein entgleister Diabetesstoffwechsel mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf einher.

Etwa 100.000 Muslime in Deutschland haben einen diagnostizierten Typ-2-Diabetes. Viele von ihnen möchten den Ramadan ebenso begehen wie ihre stoffwechselgesunden Familienmitglieder. „Der Ramadan ist nicht nur ein religiöses Dogma“, erklärt Dr. med. Mahmoud Sultan von der DDG-AG „Diabetes und Migranten“, „der Fastenmonat geht auch mit sozio-kulturellen Aspekten, wie das gemeinsame Fastenbrechen am Abend, einher. Wer daran nicht teilnimmt, kann sich schnell ausgeschlossen fühlen.“

Daher bestehen viele Diabetespatientinnen und -patienten trotz ihrer chronischen Erkrankung auf die Einhaltung der religiösen Pflicht, obwohl beispielsweise Schwangere, Alte und Menschen, die dauerhaft schwere körperliche Arbeit verrichten, befreit wären. Eine Studie ergab, dass fast 80 Prozent aller Muslime mit einem Typ-2-Diabetes für mindestens 15 Tage fasten.

Kulturell sensible Betreuung derzeit besonders wichtig

„Es ist daher besonders wichtig, diese Menschen in ihrer Diabetestherapie kulturell sensibel zu betreuen und ihnen das Fasten zu ermöglichen, soweit es medizinisch möglich ist“, erklärt Diabetes- und Diätassistentin VDD Johanna Karapinar aus Osnabrück. Insbesondere während der jetzigen Corona-Pandemie gebe der Ramadan der Glaubensgemeinschaft noch mehr Zusammenhalt und stärke die durch das „Social Distancing“ geschwächte individuelle Psyche.

„Wir beobachten derzeit in der Praxis, dass das Bedürfnis der Patienten nach Fasten besonders hoch ist – es gibt ihnen eine Aufgabe.“ Zudem könne sich die Fastenzeit positiv auf die körperliche Gesundheit auswirken. „Viele haben in der Zeit der heimischen Isolation auch aus Langeweile gekocht und gegessen. Eine durch das Fasten reduzierte Kalorienaufnahme könne helfen, die Therapieziele bei Diabetes und Übergewicht besser zu verfolgen.

„Dabei empfehlen wir Patienten, beim abendlichen Fastenbrechen darauf zu achten, möglichst wenig Kohlehydrate zu sich zu nehmen.“ Brot, Kartoffeln und Reis sowie süße Baklava oder gesüßte Getränke sollten in geringen Mengen konsumiert werden. So wäre auch eine medikamentöse Anpassung einfacher.

Gut geplante Therapieumstellung während der Corona-Pandemie wichtiger denn je

Der stark veränderte Tag-Nacht-Rhythmus, den die Ramadan-Fastenden durchleben, stellt die Diabetestherapie vor große Herausforderungen: So drohen über den entbehrungsreichen Tag Unterzuckerungen (Hypoglykämien) und beim ausgiebigen abendlichen Mahl Überzuckerungen (Hyperglykämien). Das Risiko für Hypoglykämien ist in dieser Zeit um das Siebenfache und für schwere Unterzuckerungen mit Krankenhausaufenthalt um das Fünffache erhöht.

„Um diese Gefahr therapeutisch abzufedern, müssen die Medikamente angepasst und die Therapieumstellung gut geplant werden“, führt Sultan, niedergelassener Diabetologe aus Berlin, aus. Antidiabetika wie Metformin, DPP-4-Inhibitoren, SGLT-2-Inhibitoren oder GLP-1-Analoga können meist unverändert weiter eingenommen werden. Hier ist nur eine entsprechende Anpassung bei Veränderungen der Kalorienzufuhr beziehungsweise schwerer körperlicher Arbeit zu beachten.

Insbesondere ist die morgendliche Dosierung von Insulin und anderen Medikamenten, die eine gefährliche Unterzuckerung über den Tag auslösen können, stets zu überprüfen. Die beiden Experten raten, das Fasten umgehend zu unterbrechen, sobald der Blutzucker auf Werte unter 70 mg/dl abfällt beziehungsweise auf über 300 mg/dl ansteigt, Symptome der Unterzuckerung, Dehydrierung oder akute Krankheitssymptome (der Über- oder Unterzuckerung) auftreten.

Wann besteht ein sehr hohes/hohes Risiko für Komplikationen durch das Fasten?
  • schwere Hypoglykämien innerhalb der zurückliegenden drei Monate vor dem Ramadan
  • aktuelle Erkrankungen
  • Schwangerschaft
  • Nierenprobleme/Dialyse
  • Typ-1-Diabetes
  • besonders intensive körperliche Arbeit
  • hohes Alter mit schlechtem Gesundheitszustand

Sulfonylharnstoffe hingegen bergen ein erhöhtes Risiko für Hypoglykämien und somit für kardiovaskuläre Komplikationen. Diese sollten während des Ramadans nur vor dem Fastenbrechen genommen werden. Die Insulintherapie können Patienten individuell nach Kalorienaufnahme anpassen.

„Eine genaue Beobachtung des Blutzuckerspiegels ist nun in der aktuellen Corona-Pandemie wichtiger denn je“, betont Sultan. „Im Falle einer Erkrankung mit COVID-19 könnte ein durch Fasten beeinträchtigter Diabetesstoffwechsel mit einem schwereren Infektionsverlauf einhergehen.“

Besonders gefährdete Patientengruppen sollten vom Fasten absehen

Den meisten Patienten gelänge die Umstellung ohne größere Probleme, berichtet Sultan. Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes und Diabetespatienten mit einer Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung oder fehlender Bereitschaft, den Blutzucker regelmäßig zu prüfen, rät er hingegen, mit täglichen Essens- oder Geldspenden andere Gläubige zu unterstützen und so ihre religiösen Pflichten zu erfüllen.

Denn diesen Patienten würden in der Fastenzeit vermehrt gefährliche Unter- oder Überzuckerungen drohen. Auch Menschen mit Vorerkrankungen – beispielsweise an Herz, Kreislauf und Nieren – sollten vom Fasten absehen. Auf der Homepage von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe können sich Betroffene ausführlich zum Fasten mit Diabetes informieren.


Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG)

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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    • darktear antwortete vor 2 Wochen

      Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 5 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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