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Unsere Autorin Dr. Astrid Tombek (Bad Mergentheim) sagt Ihnen alles über die häufigsten Unverträglichkeiten, die mit Lebensmitteln zusammenhängen. Wichtig: Nicht jede Verstimmung nach Genuss eines Lebensmittels bedeutet automatisch, dass es sich um eine Lebensmittel-Unverträglichkeit handelt.
Lebensmittelunverträglichkeiten und Nahrungsmittelallergien sind weit verbreitet: In Deutschland geben etwa 30 Prozent der Bevölkerung an, Beschwerden nach dem Essen von bestimmten Lebensmitteln zu haben. Die Begrifflichkeiten für die Nahrungsunverträglichkeit wie Intoleranz, Allergie oder Malabsorption werden dabei parallel verwendet. Doch sie haben nicht alle die gleiche Bedeutung.
Viele Menschen halten selbstauferlegte Diäten ein oder vermeiden strikt bestimmte Nahrungsmittel, obwohl kein ärztlicher Befund für eine Unverträglichkeit vorliegt. Wie sich das zu einer Essstörung entwickeln kann, lesen Sie im Schwerpunkt-Beitrag „Angst vor ungesunden Lebensmitteln …“.
Die häufigsten Unverträglichkeiten sind neben einer Laktoseintoleranz eine Zöliakie, oftmals auch als Glutenunverträglichkeit bezeichnet, eine Fruktosemalabsorption und eine Histaminunverträglichkeit (siehe Kasten). Allergien bestehen meist gegen Kuhmilch (6 Prozent), Eier (3,6 Prozent), Fisch (2,2 Prozent), Nüsse (1,3 Prozent), Kernobst oder Zitrusfrüchte. Zudem haben manche Menschen Blähungen und Durchfall beispielsweise nach dem Konsum des Süßungsmittels Sorbit.
Pseudointoleranzen:
Autoimmunerkrankung:
Nahrungsmittelallergien gegen:
unklare Unverträglichkeiten:
Eine Unverträglichkeit gegen ein Nahrungsmittel kann als solche definiert werden, wenn gewisse, wiederholbare Beschwerden auf ein bestimmtes Lebensmittel folgen. Als Allergie werden Beschwerden dann definiert, wenn eine immunologische Reaktion erfolgt. Oftmals liegen auch Kreuzallergien vor. So haben viele Menschen, die gegen Pollen allergisch mit Heuschnupfen reagieren, auch eine Nahrungsmittelallergie gegen diese Pflanze.
Bei Zöliakie handelt es sich um eine autoimmunvermittelte Reaktion auf Gluten und zählt somit zu den Autoimmunerkrankungen. Bei Unverträglichkeiten gegen Fruktose (Fruchtzucker) und Laktose (Milchzucker) hingegen bestehen die Probleme aufgrund eines Mangels an Enzymen für die Verdauung oder einem Carrier zur Aufnahme der Nahrung aus dem Darm.
Die Laktoseintoleranz beruht auf einem Mangel am Enzym Laktase im Dünndarm; dadurch wird der Milchzucker nicht aufgespalten und gelangt so in den Dickdarm. Hier spalten Bakterien den Zweifachzucker Laktose auf, was zu Blähungen und Durchfall führt. Dass die Aktivität der Laktase im Laufe des Lebens weniger wird und damit laktosehaltige Milchprodukte schlechter vertragen werden, ist normal.
In Südeuropa können nur ca. 10 bis 30 Prozent der Erwachsenen Laktose verdauen, in Afrika und Asien sind es sogar nur 2 Prozent. Eine Laktoseverträglichkeit ist somit weltweit gesehen eher unphysiologisch. Um eine echte Laktoseintoleranz zu diagnostizieren, bedient man sich eines H2-Atemtests.
Bei der Fruktoseintoleranz muss zwischen einer Fruktosemalabsorption und einer hereditären Fruktoseintoleranz klar unterschieden werden; bei der Letzteren handelt es sich um einen schweren Stoffwechseldefekt, auf den bereits Säuglinge getestet werden. Hierbei kann Fruktose in der Leber nicht verstoffwechselt werden, was zu schweren Schäden führt. Ähnlich schwere Stoffwechselstörungen sind die Phenylketonurie (PKU) und die Galaktosämie.
Die Fruktosemalabsorption hingegen ist eine Störung in der Aufnahme von Fruktose im Darm, wo Fruktose aktiv über Carrier aufgenommen wird. Sind die Carrier reduziert, beispielsweise nach Verzehr großer Mengen fruktosehaltiger Lebensmittel oder aufgrund von anderen Schädigungen der Schleimhaut, kann es zu einer verminderten Aufnahme von Fruktose im Darm kommen. So wird vermehrt Fruchtzucker in den Dickdarm transportiert. Die Darmbakterien produzieren daraus Gase, es kann Durchfall entstehen. Ein Atemtest kann die Störung bestätigen.
Eine Sorbitunverträglichkeit beruht auf dem gleichen Prinzip. Aber auch bei Gesunden ist die Aufnahmemenge begrenzt. Dadurch kann es zu Blähungen und Durchfall kommen, wenn zu viel Obst oder zuckerfreie Bonbons gegessen werden.
Eine gute Nachricht gibt es bei der Fruktosemalabsorption, denn sie kann sich zurückbilden. Durch ein strenges Vermeiden von Fruktose und Haushaltszucker (Saccharose) können sich Transporter regenerieren, so dass zunehmend wieder größere Portionen, beispielsweise von frischem Obst, vertragen werden.
Bei der Histaminunverträglichkeit handelt es sich vermutlich um eine Pseudointoleranz: Histamin ist eine körpereigene Substanz, die als Botenstoff fungiert. Manche Menschen haben eine niedrige Histaminschwelle und können es nur langsamer oder nicht vollständig abbauen. Dadurch entstehen Hautreaktionen und andere Symptome wie hoher Blutdruck, Atemnot, Übelkeit oder Durchfall. Ob ausschließlich histaminreiche Lebensmittel zu den Beschwerden führen, ist unklar, da Histamin auch im Körper durch andere Stoffe freigesetzt werden kann.
Histaminreiche Lebensmittel sind vor allem eiweißreiche, die einem Reifungsprozess ausgesetzt sind: zum Beispiel alter Käse, Salami, Rotwein oder Fischkonserven. Eine weitere Pseudointoleranz ist beispielsweise die Unverträglichkeit von Glutamat.
Anders verhält es sich bei Zöliakie oder auch Glutenunverträglichkeit, denn sie ist eine echte Autoimmunerkrankung. In Deutschland sind ca. 400 000 Menschen davon betroffen. Hier entstehen Entzündungsherde – durch eine immunologische Reaktion an der Dünndarmschleimhaut auf das Weizeneiweiß Gliadin. Verläuft diese Entzündung in weiten Bereichen, kommt es zu Durchfall, Müdigkeit, Mangelerscheinungen und Bauchschmerzen.
Sollte ein Verdacht auf dieses Krankheitsbild bestehen, muss durch eine Blutuntersuchung festgestellt werden, ob Antikörper gegen Gliadin vorliegen. Nur wenn diese nachgewiesen werden, wird zusätzlich eine Gewebeprobe (Biopsie) aus dem Dünndarm genommen.
Eine Zöliakie kann aber auch vorliegen, wenn keine starken Beschwerden vorhanden sind. Bei Risikopatienten, wie Menschen mit Typ-1-Diabetes oder anderen Autoimmunerkrankungen, sind daher regelmäßige Screeningmaßnahmen empfohlen. Eine Zöliakie kann das Risiko für Darm- oder Lymphdrüsenkrebs erhöhen. Manche Menschen beschreiben Beschwerden nach dem Essen von Weizen. Ob es sich hierbei um eine Weizenallergie, Glutensensitivität oder Zöliakie handelt, ist unklar.
Eine Zöliakie sollte medizinisch auf jeden Fall ausgeschlossen werden. Beweise für die anderen Krankheitsbilder gibt es leider heute noch nicht. Hier ist auch Vorsicht geboten. Laut eines deutschen Statistikunternehmens erhöhte sich der Umsatz mit glutenfreier Ware von 2010 bis 2012 um etwa 40 Prozent.
Eine echte Allergie sollte immer beim Allergologen ausgetestet werden. Die Bestimmung vom Immunglobulin E (IgE) ist nur ein grober Hinweis und sollte noch keine Ernährungsumstellung zur Folge haben. Eine allergische Reaktion auf Nahrungsmittel kann sofort einsetzen (Soforttyp) oder Stunden später (Typ-IV-Spätreaktion).
Als Reaktionen können Verstopfung auftreten aber auch Brechdurchfall und kolikartige Bauchschmerzen. Häufig entstehen auch ein Kratzen im Mund, ein Anschwellen der Schleimhäute und Atemnot. Oft bereitet auch ein Reizdarm Beschwerden. Die genauen Ursachen sind Gegenstand vielfältiger Forschung, aber derzeit noch nicht eindeutig bewiesen.
Manche Menschen leiden unter dem Nocebo-Effekt. Ähnlich wie beim Placebo-Effekt zeigen sich positive Symptome bei Einnahme bestimmter Lebensmittel. Gerade unser “Bauchgehirn” reagiert sensibel auf psychische Belastungen und Stress. Durchfall oder Blähungen können als reale Beschwerden auftreten, die mit Essen in Verbindung gebracht werden. Bei Beschwerden sollte immer eine Untersuchung vom Arzt vorgenommen werden, bevor Lebensmittel vermieden werden. Denn es gilt: keine unnötige Einschränkung ohne sichere medizinische Diagnose.
von Dr. Astrid Tombek
Diabetes- und Ernährungsberatung,
Diabetes-Klinik Bad Mergentheim
Theodor-Klotzbücher-Str. 12, 97980 Bad Mergentheim
Tel.: 0 79 31/5 94-1 61, Fax: 0 79 31/5 94-8 91 61
E-Mail: tombek@diabetes-zentrum.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2016; 65 (8) Seite 16-19
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