Experteninterview: Was beim Ramadan zu beachten ist

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Experteninterview: Was beim Ramadan zu beachten ist

Bald beginnt der Ramadan, vom 6.  Juni bis zum 5. Juli verzichten viele gläubige Muslime von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf Essen und Trinken. Im Interview verrät Dr. med. Mahmoud Sultan, ärztlicher Leiter des Diabetes-Zentrums Berlin Kreuzberg, worauf Menschen mit Diabetes und deren Behandler dabei achten müssen.

Was bedeutet der Ramadan für einen gläubigen Muslim und welche Regeln muss er befolgen?
Dr. med. Mahmoud Sultan: Der Ramadan ist einer der fünf Säulen des Islam, an die sich ein gläubiger Muslim halten sollte. Innerhalb dieser 29 oder 30 Tage, dem neunten Monat im Islamischen Mondkalender, nehmen praktizierende Muslime während der Tagesstunden keine feste oder flüssige Nahrung zu sich. Erst nach Sonnenuntergang dürfen sie essen. Und zwar bis zum nächsten Sonnenaufgang. Der Sinn des Fastens ist es, dass der Körper dem Geist unterworfen wird und der Fastende sich einer Art Selbsterziehung unterwirft. Während des Ramadans fühlt er mit jenen Menschen, die nichts zum Essen haben, hungern und dursten.

Gilt das auch für Menschen, die auf Medikamente angewiesen sind?
Dr. Sultan: Während des Fastens ist alles untersagt: Essen, Trinken, Rauchen, Geschlechtsverkehr, Medikamenteneinnahme. Allerdings: Ein schwer kranker Mensch, der auf eine erheblich hohe oder intensive Medikamenteneinnahme angewiesen ist, braucht nicht zu fasten. Er hat während des Ramadans immer die Möglichkeit zu sagen: „Okay, ich faste nicht, aber dafür gebe ich täglich eine Spende an die Armen.“
Aber einen „gesunden Diabetiker“, der zum Beispiel morgens und abends seine Blutdrucktablette und Antidiabetika einnimmt, kann man so umstellen, dass es nicht zu Gesundheitsgefährdungen kommt. Er kann seine Medikamente dann vor beziehungsweise nach Sonnenuntergang nehmen.

Worauf müssen Menschen mit Diabetes während des Ramadans besonders achten?
Dr. Sultan: Ganz wichtig ist die Diabetes-Einstellung. Patienten sollten ihren Blutzucker – je nach Therapie natürlich – intensiver kontrollieren, denn die Gefahr der Unterzuckerung oder auch der Überzuckerung ist gegeben. In diesem Jahr beginnt der Ramadan am 6. Juni. In dieser Zeit kann es schon recht heiß werden, die Tage sind sehr lang und es kann durch das Nicht-Trinken zu Kreislaufproblemen kommen. Wenn Symptome wie Schwindel, Unruhe, Zittern, Kreislaufprobleme, Übelkeit oder Durchfall auftreten, sollte das Fasten gebrochen werden. Sie sind gesundheitsgefährdend und Patienten sollten darauf achten. Dies ist einem Moslem auch erlaubt – er kann den Fastentag später nachholen.

Was sollte bei der Ernährung und beim Sport berücksichtigt werden?
Dr. Sultan: Ich rate meinen Patienten immer, sich vor allem gesund zu ernähren, wenn sie fasten. Das heißt, sie sollten auf jeden Fall eine Mischkost zu sich nehmen. Nach dem Sonnenuntergang ist es wichtig, dass sie eine vernünftige Mahlzeit verzehren, aber auch nicht zu viel essen – was ja auch nicht der Sinn des Fastens ist. Leichte Sportarten kann man durchaus machen, allerdings besser in den Morgenstunden, wenn man bereits etwas zu sich genommen hat. Zu intensive Sportarten sollten Menschen mit Diabetes vermeiden. Sie bedürfen einerseits einer vermehrten Flüssigkeitszufuhr. Andererseits führen sie zu einem erhöhten Zuckerverbrauch, was wiederum zu Unterzuckerung führen könnte.

Beachten Ihrer Erfahrung nach die Patienten die Regeln?
Dr. Sultan: Das ist unterschiedlich. Es gibt motivierte Menschen, die die Zeit des Fastens auch nutzen, um zum Beispiel Gewicht abzunehmen, sich gesund zu ernähren, sich zu disziplinieren. Diese Menschen profitieren hundertprozentig vom Ramadan. Es gibt aber auch Menschen, die tagsüber schlafen und die Nacht durchessen. Diese Patienten nehmen dann während der Fastenzeit sogar zu.

Welche medikamentösen antidiabetischen Therapien müssen während des Ramadans angepasst werden?
Dr. Sultan: Antidiabetika, die ähnlich wie Insuline wirken, zum Beispiel Sulfonylharnstoffe, müssen umgestellt werden. Das gilt auch für alle Insuline. Dagegen müssen beispielsweise Metformin und DPP-4-Hemmer nicht angepasst werden – sie können sich durch die blutzuckerabhängige Wirkung günstig beim Fastenbrechen auswirken, auch in Hinblick auf umfangreichere Mahlzeiten.

Haben Sie einen Rat für Ihre Kollegen in der Praxis?
Dr. Sultan: Es macht Sinn, seinen Patienten aktiv auf einen möglichen Fastenwunsch anzusprechen. Patienten, die fasten wollen, tun dies auf jeden Fall – egal ob ihr Arzt dies befürwortet oder nicht. Es gibt aber Patienten, die aus Sorge, dass ihr Arzt negativ auf den Fastenwunsch reagieren könnte, ihre Therapie selbstständig umstellen. Und das kann natürlich zu gefährlichen Komplikationen führen. Wenn der Arzt aber gemeinsam mit dem Patienten die Therapie umstellt, kann dies für den Patienten sehr vorteilhaft sein und er fühlt sich ernstgenommen.

Worauf sollte man nach dem Ramadan achten?
Dr. Sultan: Nach dem Ramadan wird die Therapie wieder so umgestellt, wie sie vor dem Fastenmonat war. In der Regel ist das kein Problem. Beachtet werden muss dabei eventuell eine mögliche Gewichtsveränderung des Patienten, sodass die Medikamentendosis dementsprechend erhöht oder reduziert wird.

Dr. Sultan, vielen Dank für das Gespräch!


Interview: Marcus Sefrin
Chefredakteur DiabetesNews
Verlag Kirchheim & Co GmbH, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz
Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0, Fax: (0 61 31) 9 60 70 90

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  • hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

  • Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

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