- Ernährung
Fehlt was? Ernährungsministerium!
4 Minuten
Epidemie stoppen: Nur ein präventives Ernährungsministerium kann die Diabetes-Explosion stoppen, glaubt Kolumnist Hans Lauber.
Trefflicher lässt sich das Dilemma der Diabetes-Prävention nicht auf den Punkt bringen: „Wir leben in einer diabetogenen Welt“, sagt der Lübecker Diabetologe Prof. Morten Schütt. Mit diesem klugen Kunstwort beschreibt der renommierte Arzt und Wissenschaftler unser Leben:
Eine Umwelt, wo ständig süße und fette Versuchungen lauern; wo permanent und überall gegessen wird, wo aufdringlich für Essen geworben wird; wo Konsumenten nicht wirklich wissen, was ihre Nahrung enthält; wo Experten sich öffentlich widersprechen, wenn es um Empfehlungen für Ernährung geht; wo die so notwendige Bewegung im Alltag gar nicht mehr vorgesehen ist.
„Der Einzelne hat in dieser Umgebung keine wirkliche Chance, ein präventives Leben zu führen“, so Prof. Schütt. Die Fakten decken diesen Befund: Auch im vergangenen Jahr gab es wieder über 300 000 neue Fälle von Lifestyle-Diabetes, wie ich den Typ-2-Diabetes nenne. Schon bald werden allein in Deutschland rund zehn Millionen Menschen „Zucker“ haben.
Diabetes: „Die perfekte Krankheit“
Was tun? Gutgemeinte Appelle, gutgemeinte Aktionen bewirken in der Breite nichts, wie die vergangenen Jahre gezeigt haben. Es wären drei große Akteure, die wirklich etwas bewegen könnten. An erster Stelle natürlich die Krankenkassen. Leider spielt dort Prävention aber immer noch eine untergeordnete Rolle.
Dann natürlich die Ernährungsindustrie. Aber die verdient sehr gut am „süßen Fett“ – und hat es gerade mit einem Milliardenaufwand geschafft, die auch von renommierten Wissenschaftlern wie Prof. Rüdiger Landgraf geforderte Lebensmittelampel zu verhindern.
Und da wäre natürlich noch die Pharmaindustrie, die auch gerne über Vorsorge spricht. Aber das sind natürlich fromme Wünsche. Wie die Wirklichkeit aussieht, beschrieb am 20.12.2013 illusionslos die FAZ: „Gäbe es die Zuckerkrankheit nicht, ein geschäftstüchtiger Pharmamanager würde sie gewiss bald erfinden.
Denn Diabetes ist nicht heilbar, aber sehr gut behandelbar. Das ist in Kombination die ideale Voraussetzung für den Verkauf von Arzneimitteln“. FAZ-Fazit: „Die perfekte Krankheit“.
Kein Präventionskonzept erkennbar
Bleibt der Staat, wieder einmal. Aber wie derzeit die Ministerien aufgestellt sind, bieten sie kaum ein präventives Potential. So dominieren im Gesundheitsministerium die Interessen der Kassen und Pharmafirmen. Für eine ganzheitliche und umfassende Diabetes-Prävention fehlen Wissen und Initiative.
Auch haben alternative Diabetes-Konzepte praktisch keine Chance; etwa die Naturmedizin auf pflanzlicher Basis; oder die Homöopathie, aber auch die orthomolekulare Medizin mit ihren unverzichtbaren Mineralien und Vitaminen. Im Wirtschaftsministerium dominiert die marktliberale Denke – und da ist Prävention schlicht nicht profitabel genug.
Im Agrarressort dominieren wiederum die Interessen der industriellen Landwirtschaft, die gerade auch für Diabetiker segensreiche ökologische Wirtschaftsweise hat da keine wirkliche Lobby. Bleibt das Familienministerium, wo die Sportförderung angesiedelt ist. Aber auch hier fehlt der durchschlagende Wille, etwa den täglichen Schulsport durchzusetzen.
Fördern und Forschen: Aufgaben des Ernährungsministeriums
Kein wirklicher Präventionswille also, nirgends. Deshalb plädiere ich für ein neues Ministerium, ein Präventionsministerium, das ich aber aus Gründen der Akzeptanz Ernährungsministerium nennen würde. Das wären wichtige Aufgaben:
- Erstellung eines nationalen Präventionsplans für die ernährungs- und bewegungsbedingten Krankheiten, wie etwa Diabetes – einschließlich der Pläne zur Umsetzung. Wobei im wesentlichen nur Rahmenbedingungen zu setzen sind – die Umsetzung aber individuell geschieht, um keine Bürokratiemonster zu züchten.
- Auf UNABHÄNGIGEN Studien basierende Ernährungsempfehlungen. Wie wichtig „unabhängig“ ist, zeigt eine aktuelle Untersuchung des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung, die zu dem Ergebnis kommt, dass von der Industrie finanzierte Studien etwa zu dem Ergebnis kommen, dass es keinen Zusammenhang zwischen Süßgetränken und Gewichtszunahme gibt.
- Vorbereitung gesetzlicher Maßnahmen, etwa Steuern auf Süßprodukte, um die wichtigsten Dickmacher zurückzudrängen.
- Aufbau eines großflächigen Netzes an Radwegen, gerade auch in den großen Städten, bis hin zum Bau reiner Fahrradstraßen, wie es sie heute schon in Kopenhagen gibt.
- Aufbau einer Struktur für den Breitensport, einschließlich dem Bau von entsprechenden Sportstätten.
- Förderung der Ernährungskunde vom Kindergarten an, einschließlich dem Bau von Schulgärten und Schulküchen – und dem Fach „Kochen“, benotet für Jungen wie für Mädchen.
- Breite Förderung von Projekten wie „Urban Farming“, wo die Bürger selbst Gemüse und Kräuter anbauen, wie ich es hier für die Stadt Andernach beschrieben habe.
- Umfassende Projekte der Naturmedizin fördern, etwa die immer noch weitgehend ungenutzten Potentiale der Klostermedizin endlich fruchtbar zu machen.
- Entwicklung von Prämiensystemen zusammen mit den Krankenkassen, welche präventives Verhalten nachhaltig belohnen.
Das sind natürlich nur einige wenige Punkte. Das Ganze ist ja auch ein erster Vorschlag. Wobei mir prinzipiell ein „schlankes“ Ministerium vorschwebt, mit relativ wenigen Mitarbeitern, die aber ein Durchgriffsrecht auf die anderen Ministerien und deren Lobbyisten haben müssen.
Wichtig wäre auch, dass unabhängige Fachleute, etwa Präventionsexperten wie Prof. Morten Schütt aus Lübeck, aber auch Prof. Peter Schwarz aus Dresden, in dem Ministerium einen gestaltenden Einfluss bekommen.
Noch Wunschdenken: Ernährungsminister Gerd Billen
Wer könnte so etwas inhaltlich umsetzen? Da gibt es mit Gerd Billen, dem langjährigen Vorsitzenden des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, einen ausgezeichneten Fachmann. In der neuen Regierung ist er beamteter Staatssekretär im Justizministerium, zuständig auch für den Verbraucherschutz.
Hier könnte er sich die Meriten erwerben, um langfristig das neu zu schaffende Ministerium zu leiten. Natürlich, und das weiß ich auch, sind das alles ferne Wunschgedanken, frühestens in vier Jahren realisierbar – wenn dann wahrscheinlich die explodierenden Diabetiker-Zahlen das Gesundheitssystem fundamental bedrohen und Prävention plötzlich zu der Dominante der Gesellschaftspolitik wird.
Rettet uns McDonald´s?
Alles düster bis dahin, also? „Wo die Gefahr ist, wächst das Rettende auch“, tröstet der Dichter Friedrich Hölderlin. Und siehe, das Rettende kommt aus einer völlig unvermuteten Ecke: So berichtete am 28. 12. 2013 die FAZ über eine spektakuläre firmeninterne Website von McDonald´s, auf der typische Junk-Produkte wie Fritten, Cola und Cheeseburger abgebildet waren – und das Unternehmen warnte seine Mitarbeiter, dies sei eine „ungesunde Wahl“ und könne zu Übergewicht führen.
Sicher, die Site ist längst wieder entfernt. Aber sie zeigt, es findet ein erstes zartes Umdenken statt. Auch Coca Cola, das mit seinen Süßbrühen ein mächtiges Dickmachprodukt vertreibt, sucht neue Erlösquellen – und so gehört eine der besten Alpenquellen, das Schweizer Walser-Wasser, längst zum Konzern. Und das finanzstarke Unternehmen sucht weitere „Wasserperlen“.
Das ist doch eine faszinierende Vision: Ausgerechnet Cola und McDonald´s propagieren Prävention. Würde die Vision Wirklichkeit, bräuchten wir auch kein Ernährungsministerium. Als Prof. Schütt diese Aussichten hört, meinte er lachend: „Da könnte ich mir sogar vorstellen, für die mal Werbung zu machen“.
von Hans Lauber
Kontakt:
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de
, Internet: www.lauber-methode.de
Diabetes-Anker-Newsletter
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Ähnliche Beiträge
- Leben mit Diabetes
Veranstaltungen der Diabetes-Selbsthilfe zum Weltdiabetestag: Aktiv vom Nordseestrand zum Alpenrand
3 Minuten
- Aktuelles
DDG fordert verbindliche Maßnahmen zur Prävention von Typ-2-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen
2 Minuten
Diabetes-Anker-Newsletter
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Über uns
Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.
Community-Frage
Mit wem redest du
über deinen Diabetes?
Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.
Werde Teil unserer Community
Community-Feed
-
insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 4 Tagen, 21 Stunden
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 1 Woche, 6 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 1 Woche, 3 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
-
moira antwortete vor 6 Tagen, 15 Stunden
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
-
-
hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 1 Tag
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
-
lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 3 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
-
connyhumboldt antwortete vor 4 Tagen, 15 Stunden
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
-

