Fett und Eiweiß berechnen – aber wie?

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Fett und Eiweiß berechnen – aber wie?

Auch Eiweiß und Fett wirken auf den Blutzucker. Wann und wie müssen sie berechnet werden? Das weiß Dr. Bernhard Lipp-mann-Grob, Diabetologe am Diabetes Zentrum Mergentheim.

DJ: Herr Dr. Lippmann-Grob, was versteht man unter einer FPE?

Dr. Lippmann-Grob: Neben Kohlenhydraten können auch Fett und Eiweiß den Blutzucker erhöhen. Zur Berechnung der erforderlichen Insulindosis dient die Fett-Protein-Einheit, kurz FPE. Sie entspricht 100 Kilokalorien aus Fett und Eiweiß. Berechnet wird sie entweder aus dem Kaloriengehalt von Fett (mit 9 Kilokalorien pro Gramm) und Eiweiß (mit 4 Kilokalorien pro Gramm) oder aus dem Gesamtenergiegehalt abzüglich des Kaloriengehalts der Kohlenhydrate mit 4 Kilokalorien je Gramm. Die Insulindosis für eine FPE orientiert sich am entsprechenden KE- oder BE-Faktor.

DJ: Wie sinnvoll ist es, die FPE bei der Kalkulation der Insulinmenge zu verwenden?

Dr. Lippmann-Grob: Dazu muss zunächst der genaue Berechnungsweg für einen BE- oder KE-Tagesplan betrachtet werden. Dafür geht man davon aus, dass zu den jeweils 10 bis 12 Gramm Kohlenhydraten, die im Schnitt zwischen 40 bis 48 Kilokalorien enthalten, noch die Energiegehalte aus Fett und Eiweiß gehören. Eine gesonderte Berechnung eines Fett-Eiweiß-Gemisches ist nur sinnvoll, wenn die ursprünglich der Berechnung zugrunde liegende Relation von Kohlenhydraten auf der einen und Fett und Eiweiß auf der anderen Seite deutlich zugunsten von Fett und Eiweiß verschoben ist.

So viel erst mal zu den theoretischen Grundlagen. Praktischer Hintergrund: Betroffene stellen selbst fest, dass ein kohlenhydratfreies Abendessen, beispielsweise Salat mit Steak oder Putenbrust, Tomate-Mozzarella ohne Brot oder Rührei mit Schinken, einen Blutzuckeranstieg verursacht. Der Grund: Fette verursachen eine gewisse Insulinresistenz. Ferner wird ein Teil der Aminosäuren (Eiweißbausteine) aus dem Fleisch oder Ei in der Leber in die Zuckerneubildung, die Glukoneogenese, eingeschleust.

Diese verstärkte Zuckerneubildung in der Leber kann nur durch zusätzliches Insulin unterdrückt werden. Deshalb wird auch für eine kohlenhydratfreie Mahlzeit eine bestimmte Insulinmenge benötigt. Diese richtet sich nach dem Energiegehalt der gegessenen Eiweiß- und Fettmenge, die sich als FPE erfassen lässt.

DJ: Was ist dabei zu beachten?

Dr. Lippmann-Grob: Die FPE sollte nur verwendet werden, wenn die normalerweise mit BE oder KE bereits erfasste zusätzliche Kalorienmenge deutlich überschritten wird. Zu einer BE oder KE gehören knapp 50 Kilokalorien Fett-Eiweiß-Gemisch. In der FPE werden allerdings 100 Kilokalorien Fett-Eiweiß-Gemisch erfasst. Die Insulinmenge für eine FPE sollte verzögert, etwa nach ein bis vier Stunden, abgegeben werden, denn Fett verzögert die Magenentleerung. Andererseits gibt es die Zuckerneubildung aus Eiweiß mittels Umweg über die Leber. Die erforderliche Insulinmenge für eine FPE ist umstritten. Sie reicht von älteren Angaben wie 0,5 Einheiten pro FPE nach Howorka aus dem Jahre 1987 bis hin zu Mengen wie für eine BE oder KE nach Kordonouri von 2010.

Praktisches Beispiel zur Berechnung der Fett-Protein-Einheit
Lasagne
  • 427 kcal (1787 kJ)
  • 35 g Kohlenhydrate
  • 23 g Fett
  • 20 g Eiweiß

1. Möglichkeit: Fett-Kalorien: 23 g x 9 kcal = 207 kcal+ Protein-Kalorien: 20 g x 4 kcal = 80 kcal, Kalorien aus Fett und Protein zusammen: 287 kcal, FPE: 287 : 100 = 2,8

2. Möglichkeit: Kohlenhydrat-Kalorien: 35 g x 4 kcal = 140 kcal, 427 kcal (Gesamtkalorien) – Kohlenhydrat-Kalorien =Fett-Protein-Kalorien: 287 kcal, FPE: 287 : 100 = 2,8

DJ: Welche Praxistipps haben Sie für Diabetes-Journal-Leser?

Dr. Lippmann-Grob: Nach unserer Erfahrung im Diabetes Zentrum Mergentheim ist für Erwachsene ein FPE-Faktor in der Größenordnung wie ein BE- oder KE-Faktor zu groß. Ich empfehle, vom älteren FPE-Faktor (0,5 Einheiten Insulin) auszugehen und ihn entsprechend den Verläufen anzupassen. Grundvoraussetzung für eine gute Erarbeitung ist die möglichst genaue Schätzung des Energiegehalts. Ferner ist eine gute Dokumentation der Einflussfaktoren wie Größe des Fleischstücks, Verzögerungsdauer, Begleitumstände wichtig. Dazu, insbesondere zu Beginn, auch der Verzicht auf begleitenden Alkoholgenuss.

So lassen sich in der Zusammenschau mehrerer Versuche individuelle, tageszeitabhängige FPE möglichst sauber herausarbeiten. Das Ausmaß des Blutzuckeranstiegs unterliegt jedoch individuellen Schwankungen und sollte durch Blutzuckermessungen überprüft werden. Die verzögerte Insulinabgabe ist nur mit einer Insulinpumpe über einen verzögerten, sprich verlängerten oder dualen Bolus, durchführbar. Bei der intensivierten Insulintherapie muss der Blutzuckeranstieg später korrigiert werden.

DJ: Herr Dr. Lippmann-Grob, wir danken Ihnen für diese Tipps.


Das Interview führte Dr. Astrid Tombek.

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2014; 63 (12) Seite 30-31

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  • bloodychaos postete ein Update vor 1 Tag, 23 Stunden

    Hey, brauche Eure Hilfe. Habe den G7 genutzt. Als der über mehrere Monate (Frühjahr/Sommer 2025) massive Probleme (teils Abweichungen von 150 mg/dL, Messfaden schaute oben heraus) machte bin ich zum G6 zurückgegangen. Dessen Produktion wird nun eingestellt. Ich habe solche Panik, wieder den G7 zu nutzen. Habe absolut kein Vertrauen mehr in diesen Sensor. Aber mit meiner TSlim ist nur Dexcom kompatibel. Ich weiß nicht was ich machen soll, ich habe solche Angst.

    • Mit “meinem” Omnipod 5 wird der Dexcom G7 Ende 2026 voraussichtlich der einzige verfügbare Sensor sein.

      So richtig begeistert über die Einstellung des G6 bin ich auch nicht, auch wenn es absehbar war.
      Ich habe einfach die Hoffnung, dass die Qualitätsprobleme beim G7 bis dahin ausgestanden sind.

      Ich warte das Thema noch einige Monate ab.
      Wenn ich Ende 2026 feststelle, dass die Kombination aus meiner Pumpe und dem CGM für mich nicht funktioniert, bin mir sicher, dass meine Diabetes-Ärztin und ich eine gute Lösung für mich finden.

      Hier habe ich aufgeschnappt, dass für die t:slim wohl eine Anbindung des Libre 3 in der Mache ist:
      https://insulinclub.de/index.php?thread/36852-t-slim-mit-libre-3-wann/
      Leider steht keine überprüfbare Quelle dabei. 🤷‍♂️

      Ein weiterer mir wichtiger Gedanke:
      Angst und Panik sind in diesem Zusammenhang vermutlich keine hilfreichen Ratgeber. Hoffentlich schaffst Du es, dem Thema etwas gelassener zu begegnen.
      (Das sagt der Richtige: Ich habe in meinem letzten DiaDoc-Termin auch die Hausaufgabe bekommen, mal zu schauen, was mir gut tut.)

    • @ole-t1: Hey Ole, ganz lieben Dank für Deine Nachricht. Die Produktion des G6 endet laut einem Artikel auf dieser Seite ja zum 1. Juli 2026. Wann der Libre3 mit der TSlim kompatibel sein wird weiß man ja noch nicht. An sich gefällt mir Dexcom auch besser als Libre und die erste Zeit lief der G7 ja auch super bei mir. Ich kann mir schwer vorstellen, dass der G7 von heute auf Morgen nicht mehr bei mir funktioniert? Es gab ja auch das Gerücht das Dexcom eine zeitlang Produktionsprobleme hatte, dass wäre ja eine Erklärung, aber da geht Dexcom natürlich auch nicht mit hausieren.

  • loredana postete ein Update vor 3 Tagen, 19 Stunden

    Die Registrierung mit dem Geburtsjahr war echt sportlich. Wollte es schon fast wieder abbrechen.

  • ambrosia postete ein Update vor 4 Tagen, 17 Stunden

    Ich wünsche allen einen schönen Mittwoch.

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