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Bettina Meiselbach, die ihr als Autorin der Blood-Sugar-Lounge kennt, ist noch viel bekannter durch ihren Blog „Happy Carb“ und ihre Bücher (gerade neu erschienen: „Ratzfatz Low Carb gekocht – 55 Low-Carb-Rezepte, einfach und schnell für jeden Tag“).
Bettina hat seit 2013 Typ-2-Diabetes – aber sie wollte sich nicht damit abfinden, auf zuckersenkende Medikamente angewiesen zu sein. Sie stellte ihre Ernährung um und wurde vom Kohlenhydrat-Junkie zur überzeugten „Low Carberin“. Dafür hat sie ihren eigenen Low-Carb-Stil entwickelt: Happy Carb.
Diese Umstellung und der Start ihres Blogs waren aber erst der Anfang: Inzwischen ist sie Autorin mehrerer Bücher (mehr über ihr erstes Buch „Happy Carb: Diabetes Typ 2 – nicht mit mir!“ und ihr neuestes Werk „Ratzfatz Low Carb gekocht“ lest ihr im ersten Teil des #BSLounge-Interviews).
In ihrem Buch gibt Bettina Meiselbach viel von sich preis. Trotzdem ist es interessant, noch einmal genauer nachzufragen. Ihre Antworten sind etwas länger ausgefallen – deshalb lest ihr hier schon den dritten Teil des Interviews mit ihr. Darin geht es um die Alltagstauglichkeit einer Low-Carb-Ernährung und darum, wie es gelingt, den Schalter umzulegen und seinen Lebensstil zu ändern. (#Teil 1 über Bettinas Blog, ihr Buch, den Diabetes, #Teil 2 über die Umstellung auf Low Carb/Happy Carb)
Eine Frage, die im Buch nicht ausführlich beantwortet wird, ist: „Und was soll die Familie essen?“ Hast Du darauf eine Antwort? Denn bestimmt gibt es viele Leser, die nicht nur für sich selbst “Happy Carb” kochen …
Glücklicherweise ist eine kohlenhydratreduzierte Ernährung keine Krankenkost, sondern eine gesunde und moderne Aufteilung der Makronährstoffe für alle Menschen. Von daher eignen sich meine Rezepte für die ganze Familie. Ich bekomme sogar ausgesprochen viele Nachrichten, dass meine Leckereien besonders männertauglich sind und die Kinder nach der Cheeseburgersuppe und Co am liebsten den Teller auslecken würden.
Männern und Kindern schadet Gemüse überhaupt nicht!
Männern und Kindern schadet Gemüse überhaupt nicht! Ich halte nicht viel von doppeltem Kochaufwand und empfehle, das auch einfach zu halten. Man merkt ganz deutlich, dass ich einen hohen Anteil an Damen als Leserinnen habe, die mir das entsprechende Feedback geben.
Und was machen Low Carber unterwegs/im Restaurant? Gibt es dafür alltagstaugliche Tipps? Oder plädierst Du dafür, dann auch mal eine Ausnahme zu machen?
Wenn ich unterwegs bin, dann mache ich es immer so, dass ich bei meinem ausgewählten Gericht die Sättigungsbeilage gegen mehr Gemüse oder Salat tausche. Das ist in der Regel unproblematisch.
Ansonsten macht immer auch die Dosis das Gift. Ich versuche also, unterwegs immer dahingehend zu schauen, dass ich das so gut wie möglich mache. Bei bis zu 100 Gramm Kohlenhydraten am Tag ist auch etwas Spielraum da. Und selbst wenn man mal leicht über dem Soll liegt, tut sich nicht gleich die Hölle auf, sondern am nächsten Tag geht es wieder normal kohlenhydratreduziert weiter.
Ist es klug, sich für besondere Zeiten/Gelegenheiten wie die Weihnachtszeit, Geburtstagsfeiern etc. eine besondere Taktik zurechtzulegen?
Es gibt eigentlich nichts, wofür es nicht auch eine kohlenhydratarme Alternative gäbe, ob Brot, Kuchen, Plätzchen, Nudeln. Solange man daheim isst, ist das alles einfach zu machen. Schwieriger wird es , wenn zum Beispiel ein Kaffeekränzchen mit Kuchen ansteht. Da mache ich es immer so, dass ich einen leckeren Kuchen oder Muffins mitbringe und das vorhandene Angebot damit ergänze.
Solange man daheim isst, ist das alles einfach zu machen. Schwieriger wird es , wenn zum Beispiel ein Kaffeekränzchen mit Kuchen ansteht.
Es merkt hinterher niemand, wenn ich nur von meinem Kuchen esse. Das hänge ich auch nicht an die große Glocke. Ich finde ein essbares Mitbringsel immer nett und eher unhöflich, nichts zu essen oder rumzumäkeln, weil die Dinge nicht dem entsprechen, was ich mag. Häufig bietet der etwas andere Kuchen spannenden Gesprächsstoff, und am Ende ist der Kuchen leer und die Gäste sind überrascht, was alles ohne Zucker und Getreidemehle geht. Auch auf Grillpartys ist mein Curry-Kohlrabi-Salat inzwischen heiß begehrt und sticht jeden Kartoffelsalat aus.
Es gibt ja auch mal Phasen, in denen man nicht so konsequent ist. Wie gelingt es, danach wieder in den „Happy Carb“-Modus zurückzukehren?
Ich kenne auch Phasen, wo die Lust auf Schokolade übermächtig ist und ich es auch mal länger schleifen lasse, als gut ist. Gerade vor Weihnachten, wenn Nugat und Marzipan heftig winken, esse ich gerne davon und leider auch mal zu viel. Schokolade ist mein großes Laster, und rund um Weihnachten schlage ich da auch mal über die Stränge.
Dabei will ich sagen, dass ich ja im Rahmen meines Happy-Carb-Prinzips auch zwei Goodies pro Woche habe, und die nutze ich fast immer für etwas Schokolade. Tot bin ich ja noch lange genug. Aber um Weihnachten herum sprenge ich meine eigenen Regeln und muss mich im neuen Jahr immer erst wieder einfangen. Ich entwöhne mich spätestens im Februar mit einer sehr streng kohlenhydratreduzierten Phase (Keto) und lande daraufhin wieder ganz entspannt und happy im Happy-Carb-Modus.
„Ich konnte intellektuell durchaus erfassen, dass ich da gerade so richtig Bockmist baute, konnte aber trotzdem nichts daran ändern.“ – Das ist ein Zitat aus Deinem Buch. Was ist Deine Einschätzung: Warum weiß man oft genug, dass es falsch ist, was man tut – und ist trotzdem unfähig, etwas zu ändern
Gerade beim Essen haben wir es auch häufig mit Essstörungen zu tun. Bei mir ist das auf jeden Fall so. Wenn Essen funktionalisiert wird oder Suchtcharakter bekommt, dann schaltet das Gehirn gerne auf stumm. Zumindest bei mir war das so, und das Thema ist auch eine Herausforderung, die mich bis heute begleitet.
Gibt es Tipps von Dir, wie der Schalter umgelegt werden und eine Veränderung gelingen kann?
Für mich war es schon der Schlag mit der Keule Diabetes, der mich wachgerüttelt und auf die Spur gebracht hat. Am Anfang ist es, denke ich, immer nicht einfach.
Früher undenkbar, sind diese gesunden Dinge heute ein normaler Bestandteil meines Lebens geworden, um die ich nicht mehr ringen muss.
Aber ich wundere mich heute, an was ich mich doch alles gewöhnen konnte und das heute sogar gut finde. Vom Wassertrinken über die Bewegung oder den Abschied von Pasta. Früher undenkbar, sind diese gesunden Dinge heute ein normaler Bestandteil meines Lebens geworden, um die ich nicht mehr ringen muss.
Wie gelingt es am besten, Gewohnheiten zu etablieren?
Mein Lieblingstipp für die Bewegung ist, sich entweder mit anderen Menschen zu verabreden und zu laufen oder sich mit sich selbst zu verabreden, wenn man wie ich gerne alleine sportelt. Ich überlege mir schon am Tag zuvor, wann ich den Termin für die Bewegung machen will, und plane den Zeitpunkt wie eine richtige Verabredung in meine Tagesplanung ein. Mir hilft diese Technik ungemein.
„Den Schalter umlegen“ mal weiter gedacht: Denkst Du, dass die kohlenhydratreduzierte Ernährung inzwischen auch in Diabetesschulungen angekommen ist? In Deiner Reha wurde ja nach dem Prinzip „viele Kohlenhydrate, dafür Fett sparen“ geschult …
Wie schon gesagt: Da kommt gerade etwas in Bewegung. Nur bis die neueren Erkenntnisse überall ankommen, kann es noch lange dauern. Ich bin ja kein Verfechter, dass jeder Diabetiker in Schulungen Low Carb aufgezwungen bekommen soll.
Die kohlenhydratreduzierte Ernährung für Diabetiker muss flächendeckend als eine gute Ernährungsweise vorgestellt werden.
Aber die kohlenhydratreduzierte Ernährung für Diabetiker muss flächendeckend als eine gute Ernährungsweise vorgestellt werden. Nur dann können die Diabetiker entscheiden, ob das vielleicht etwas für sie ist. Ohne entsprechende Information geht eine Chance für eine gesundheitliche Verbesserung an den Menschen vorbei.
Viele Kohlenhydrate für Menschen mit Diabetes – im Buch wird diese Methode als wenig intelligent dargestellt. Warum wird sie Deiner Meinung nach trotzdem propagiert?
Menschen mit einer Kohlenhydratverwertungsschwäche Kohlenhydrate zu empfehlen, ist in meinen Augen unlogisch und unsinnig. Was mir viele meiner Leser/innen von den Schulungen berichten, ist häufig gruselig und hängt modernen Ernährungserkenntnissen jahrelang hinterher.
Über viele Jahre waren die Vorgaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sehr kohlenhydratfreundlich und Fett wurde verteufelt, obwohl die Studien – siehe Ancel Keys (mehr dazu z. B. hier (Anm. d. Red.)) – dazu höchst fragwürdig waren. Einen kompletten Umkehrschwung darf man da nicht erwarten, denn es braucht wahrscheinlich viele Tippelschritte, um die Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren.
Letzte Frage: Auf Deiner Seite stellst Du auch Partner-Shops vor. Welche sind das und warum hast Du sie ausgewählt?
Ich arbeite mit nu3, Amazon und neu auch dem LCW-Shop zusammen. Ganz praktisch habe ich die Shops gewählt, bei denen ich selbst kaufe. So können meine Leser die gleichen Zutaten verwenden wie ich, was bei den doch manchmal tricky Low-Carb-Zutaten durchaus relevant ist für den Erfolg am Ende.
Mehr über und von Bettina lesen? Dann schaut doch mal in den ersten Teil des #BSL-Interviews mit ihr. Wie hat die Umstellung auf Low Carb funktioniert? Und was versteht Bettina unter Happy Carb? Das lest ihr im zweiten Teil des Interviews.
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