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Vegetarier, Pescetarier, Veganer, Frutarier oder vielleicht doch lieber Flexitarier? Mittlerweile gibt es für so ziemlich jede/n Suchende/n ein passendes Wort, um den individuellen Ernährungsstil und somit auch sich selbst zu labeln.
Während ich in den Monaten nach meiner Diagnose 2014 aufmerksam darauf achtete, den Anweisungen meiner Diabetesberaterin zu folgen und meine 400 Gramm Fleisch pro Woche nicht zu überschreiten, kam mit der Normalität des Lebens mit Typ-1-Diabetes auch wieder eine gewisse „Ernährungsnormalität“ zustande. Soll heißen, ich fiel wieder in mein altbekanntes Ernährungsmuster zurück, sprich: alles, worauf ich Lust hatte!
Mein HbA1c schien jedenfalls keine Probleme damit zu haben und lag immer zwischen 6 und 6,7%. Ist doch super! Wieso also die Ernährung umstellen?
Mit der Frage der Ernährung und wie meine eigene denn idealerweise aussehen sollte, befasse ich mich seit zirka 2013. Zu diesem Zeitpunkt studierte ich gerade Sport und war noch ein Jahr von meiner Diabetesdiagnose entfernt. Schon damals fiel es mir sehr schwer, meinen Fleischkonsum, der eigentlich sieben Tage die Woche stattfand, zu reduzieren. Und abgesehen von den ersten Monaten nach meiner Diagnose tat ich mich sehr schwer damit, irgendetwas an meiner Ernährung umzustellen. Insbesondere auf meinen Reisen durch die Welt wollte ich mich auch auf keinen Fall limitieren lassen, die kulinarischen Spezialitäten anderer Länder, die meiner Erfahrung nach meist Fisch oder Fleisch enthielten, zu verpassen.
Und plötzlich vor zwei Monaten hatte ich mal wieder eines dieser Gespräche mit zwei Kollegen und „Klick“ war der Schalter umgelegt. O.K., komplett fleischlos war ich zwar nicht in dieser Zeit, denn von undurchdachten radikalen Ernährungsumstellungen halte ich wiederum auch nichts, aber mein Konsum hat sich drastisch reduziert. Doch etwas anderes ist angestiegen…
Dass eine weitestgehend fleischlose Ernährung die Insulinmenge positiv beeinflusst, war jetzt keine große Überraschung. Nicht umsonst schwören einige Leute in der Community auf diesen Ernährungsstil. Und trotzdem: Ich war doch schwer beeindruckt davon, wie deutlich die von meinem Körper benötigte Menge an Insulin in den folgenden Wochen sank. Nicht das erste Mal, dass sich etwas an meinem Insulinbedarf ändert, aber das erste Mal, dass es tendenziell weniger wird, und das führte anfangs zu einiger Verwirrung.
Und damit meine ich insbesondere: „Hypos“! Hätte ich nicht ausreichend schnelle BEs in den letzten zwei Monaten mit mir geführt, wären noch mehr unangenehme Unterzuckerungen vorprogrammiert gewesen. Glücklicherweise befinden wir uns in der kalten Jahreszeit und meine Winterjacke beherbergt überdurchschnittlich viel Traubenzucker, weshalb ich gut gewappnet war. Ich konnte es anfangs kaum glauben, wie wenig Insulin ich plötzlich benötigte, weshalb ich gut zwei bis drei Wochen damit beschäftigt war, die korrekte Insulinmenge für meinen neuen Ernährungsstil zu finden.
Während auf der einen Seite Hypoglykämien häufiger auftraten, hatte ich andererseits deutlich geringere Anstiege nach dem Essen. Was für ein Genuss! Normalerweise bin ich nämlich Stammgast auf der Blutzucker-Achterbahn mit ihren Berg- und Talfahrten. Zugegebenermaßen ein Faktor, den ich durch eine Optimierung meines Spritz-Ess-Abstandes bestimmt noch aktiver beeinflussen kann. Ich arbeite daran!
Egal ob vietnamesisches Banh Mi in Berlin oder selbstgemachte Nudeln mit Pesto in der Toskana: Natürlich geht Kulinarik auch vegetarisch. / Quelle: Michi Krauser
Mehr Ballaststoffe in meinen Mahlzeiten helfen jedenfalls auch dabei, meine Blutzuckerachterbahnfahrten angenehm zu entschleunigen, und bringen dafür an anderen Stellen mehr Schwung in meinen Alltag. Eine unglaubliche Bereicherung für meine tägliche Physis und gleichzeitig eine wertvolle Entlastung für meine Psyche. Denn trotz sechs Jahren Leben mit Typ-1-Diabetes und der damit einhergehenden Widerstandsfähigkeit gegenüber schlechten Werten kann so mancher Blutzuckerverlauf an schlechten Tagen immer noch richtig belastend sein. Deshalb gilt für mich ab sofort mehr denn je: mehr Ballaststoffe im Essen für weniger psychischen Ballast im Alltag mit „Typ 1“ 😉
Damit bin ich auch schon am Ende meines kleinen Erfahrungsberichts der letzten zwei Monate und ich hoffe, mir ist es gelungen, niemandem das Gefühl zu vermitteln, dass er sich auf Teufel komm raus fleischarmer ernähren muss. Schließlich verzichte ich, wie erwähnt, auch nicht komplett. Ich finde es einfach nur superspannend, solche Prozesse zu beobachten und zu spüren. Deshalb kann ich es euch nach meinen eigenen Erfahrungen nur wärmstens ans Herz legen. Probiert es doch mal aus, wenn ihr genauso neugierig seid. 😊
Ich dachte anfangs immer, dass mir etwas fehlen würde ohne Fleischkonsum, aber tatsächlich fühle ich mich ein wenig fitter als normalerweise und habe das Gefühl, über den Tag nicht so schnell müde zu werden, wodurch ich ihn mit mehr Leben und Energie füllen kann.
Mich würde mal interessieren: Welche Erfahrungen habt ihr denn so gemacht? Habt ihr schon mal versucht, eure Ernährung umzustellen, oder ist das für euch gar keine Option? Wenn ja, hattet ihr auch öfters Unterzuckerungen in der Anfangszeit? Durch welche Phasen und Prozesse seid ihr so gegangen? Schreibt’s mir bitte in die Kommentare, ich bin sehr gespannt!
Ganz liebe Grüße gehen an euch alle raus!
Michi
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