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Low Carb – ist das nicht die Atkins-Diät? Oder war es das Paleo-Prinzip oder doch eher die ketogene Diät? Solche und ähnliche Ernährungsformen liegen aktuell hoch im Kurs, und bei allen genannten gilt es stets, die in Verruf geratenen Kohlenhydrate vom Speiseplan soweit wie möglich zu streichen. Doch was genau versteht man unter dem Begriff Low Carb? Corinna Lorenz klärt auf.
Kann man sich als Diabetiker auf Dauer gesund Low Carb ernähren oder ist diese Art der Ernährung nur als kurzfristige Maßnahme zur Gewichtsreduktion gedacht? Wie verträgt sich diese Ernährungsweise mit dem Diabetes? Und ist sie wirklich so sinnvoll für alle, die abnehmen möchten?
Mit der englischen Bezeichnung Low Carb, was soviel bedeutet wie low carbohydrates, also kohlenhydratarm, ist eine Ernährungsform gemeint, bei der zwar nicht ganz auf Kohlenhydrate verzichtet wird, der Kohlenhydratanteil wird aber bewusst reduziert – zugunsten von Eiweiß und Fett. Oftmals wird dieses Ernährungsprinzip auch mit Kostformen wie Atkins-Diät, Paleo-Ernährung, Zone-Diät und mit Zucker-Challenges in Verbindung gebracht, aber auch in Kombination mit Diätformen wie Schlank im Schlaf, der LOGI-Methode oder der Glyx-Diät empfohlen.
Kurzum könnte man Low Carb als Überbegriff für sämtliche dieser Diäten und Ernährungsformen definieren. Lange war Low Carb nicht genauer definiert, sodass für jede dieser Ernährungsformen eigene Empfehlungen und Grenzwerte galten.
Genauer definiert wurde das Low-Carb-Prinzip erstmals 2018 auf dem Diabetes-Kongress in Berlin von Professor Anette Buyken von der Universität Paderborn: „Low Carb beinhaltet weniger als 26 Prozent Kohlenhydrate pro Tag, also maximal 130 Gramm. Zum Vergleich: Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt über 50 Prozent Kohlenhydrate in der Kost. Eine moderate Low-Carb-Ernährungsweise fängt bei 45 Prozent Kohlenhydraten an, während eine Very-Low-Carb-Ernährung unter 10 Prozent und damit maximal 50 Gramm Kohlenhydrate am Tag vorsieht.“
Das Prinzip dieser Ernährung basiert darauf, Kohlenhydrate (KH) zu essen, die einen niedrigen glykämischen Index (GI) aufweisen. Diese Kohlenhydrate lassen den Blutzucker im Regelfall gemäßigter ansteigen, da sie langsamer verdaut werden und somit in mehreren kleinen Portionen ins Blut übergehen. Bei Diabetikern mit noch eigener Insulinproduktion fällt die Insulinausschüttung der Bauchspeicheldrüse daher bei diesen Kohlenhydratarten weniger hoch und stark aus.
Des Weiteren machen solche Kohlenhydrate länger satt. Das kann positive Effekte auf Körpergewicht und Blutzuckerspiegel haben. Beispiele hierfür sind Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, Nüsse, Ballaststoffe aus Gemüse sowie bestimmte Obstsorten (wie Himbeeren, Erdbeeren, Heidelbeeren, Aprikosen, Äpfel, Birnen).
Normal Carb versus Low Carb (Beispiel) | ||
Dinkelvollkornbrot | Eiweißbrot | |
Nährwerte für 100 g/ca. 2 Scheiben | ||
Brennwert | 256 kcal | 280 kcal |
Protein | 8 g | 26,8 g |
Kohlenhydrate | 36,5 g (davon Zucker: 4,4 g) | 7,2 g (davon Zucker: 3,9 g) |
Fett | 8,7 g | 16 g |
Ballaststoffe | 6,5 g | 10,4 g |
Sollte ein Diabetiker also einfach alle schnell verwertbaren Kohlenhydrate z. B. aus Zucker, Weißmehl und stark verarbeiteten Lebensmitteln weglassen? Und dafür nur noch Vollkornprodukte essen, also Lebensmittel mit niedrigem glykämischen Index? So einfach ist es leider nicht, denn auch die Menge an langsam verwertbaren Kohlenhydraten ist bei Low-Carb-Kostformen begrenzt. Um dennoch satt zu werden und den Energiebedarf des Körpers zu decken, werden die fehlenden Kohlenhydrate durch deutlich mehr Eiweiß und Fett in der Lebensmittelauswahl ausgeglichen.
Zwar ist der Effekt auf Gewicht, Blutdruck, Blutzuckerspitzen, Nüchternblutzucker sowie HbA1c-Wert bei einer kurzzeitigen Low-Carb-Diät etwas günstiger im Vergleich zur Low-Fat-Diät, also einer fettarmen Ernährung. Jedoch gleichen sich die Erfolge nach einem Jahr einander an.
Konkret bedeutet das, dass es eine Typsache ist, ob Low Carb oder Low Fat günstiger ist. Auf das Jahr gesehen sind die Erfolge in puncto Gewichtsverlust vergleichbar. Wenn Low Carb nicht nur zur kurzzeitigen, schnellen Gewichtsreduktion, sondern als Dauerernährungsform eingesetzt werden soll, kann das bei falscher Umsetzung sogar gefährlich werden, wie die Ergebnisse diverser Studien und Beobachtungen zeigen.
Die meisten Menschen lassen sich nicht ausreichend beraten, worauf es ankommt und was bei Diabetes wichtig ist. Der häufigste Fehler ist, zu viele tierische Fette und Eiweiße aufzunehmen. Und: Nicht immer werden – wie empfohlen – ausreichend komplexe Kohlenhydrate gegessen und stattdessen viel rotes Fleisch, Wurst, Käse und fetthaltige Milchprodukte verzehrt.
Auch die vielen Low-Carb-Produkte, die im Supermarkt gerade mehr und mehr angeboten werden, strotzen oft vor Energie aus tierischen Fett- und Eiweißquellen. Wer zu viel davon isst, kann Mangelerscheinungen bekommen, weil es an diversen Vitaminen, Mineralstoffen und Ballaststoffen fehlt. Zudem können durch große Mengen an Fleisch, Fisch, Geflügel und Wurst erhöhte Blutfettwerte und erhöhte Harnsäurespiegel auftreten.
Diese Faktoren begünstigen eine um 32 Prozent höhere Gesamtsterblichkeit – laut einer US-amerikanischen Studie von Professor Maciej Banach mit fast 25 000 Teilnehmern zwischen 1999 und 2010. Weitere große Studien aus den USA bestätigen diesen Zusammenhang. Eine Low-Carb-Ernährung mit weniger als 30 Prozent Energie aus Kohlenhydraten kann eine höhere Gesamtsterblichkeit (20 Prozent) aufweisen.
Allerdings zeigten diese Studien auch, dass eine zu hohe Kohlenhydrataufnahme das Sterblichkeitsrisiko ebenfalls deutlich ansteigen lässt und es bei kohlenhydratarmer Ernährung auf die richtige Auswahl der Lebensmittel ankommt: Menschen, die sich sehr kohlenhydrathaltig ernährten, also mehr als 70 Prozent der Gesamtenergie aus Kohlenhydraten bezogen, hatten ebenfalls eine erhöhte Sterblichkeit von rund 23 Prozent.
Bei Menschen, die sich vegetarisch und Low Carb ernährten, war das Sterblichkeitsrisiko im Vergleich zur fleischhaltigen Low-Carb-Variante jedoch um 18 Prozent geringer.
Die Ergebnisse zahlreicher Studien, Beobachtungen und Umfragen, die seit den Fünfzigerjahren zu Low Carb zusammengetragen wurden, sind dennoch nicht ganz eindeutig. Die Risikofaktoren zur Sterblichkeit wie Alter, Geschlecht, Bildung, Taillenumfang, Rauchen, körperliche Aktivität, Diabetes und der Wohnort von Probanden waren sehr unterschiedlich innerhalb der untersuchten Gruppen.
Auch die Durchführung mancher Studien ist fragwürdig, sodass als Konsens dieser Ergebnisse keine eindeutige Empfehlung für oder gegen eine langfristige kohlenhydratreduzierte oder kohlenhydratarme Kostform gegeben werden kann.
In einem aber sind sich die Wissenschaftler einig: Eine hohe Aufnahme von Zucker und stark verarbeiteten Lebensmitteln sowie ein hoher Konsum tierischer Fette und Eiweiße kann sich langfristig gesundheitsschädlich auswirken. Daher ist eine maßvolle Reduktion der leicht verwertbaren Kohlenhydrate sinnvoll. Bei der extremen Low-Carb-Variante sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass die Fette und Eiweiße bevorzugt aus pflanzlichen Quellen stammen.
Ein guter Weg bei Diabetes wäre es, Abschied zu nehmen von einer kohlenhydratreichen Kost mit einem hohen Anteil an Weißmehlprodukten und Zucker sowie stark verarbeiteten Lebensmitteln. Stattdessen sollten Menschen mit Diabetes sich ausgewogen und mediterran ernähren, mit einem gemäßigten Anteil an Kohlenhydraten. Konkret heißt das: eine mäßige Aufnahme von komplexen Kohlenhydraten, dazu reichlich Gemüse, kleine Fleischportionen sowie vorwiegend ungesättigte Fette aus pflanzlichen Quellen und Fisch.
Diese Art von Ernährung bietet viel Abwechslung und beinhaltet sämtliche Nährstoffe, die der Körper regelmäßig braucht. Vor allem bei Menschen mit Typ-2-Diabetes kann sich diese Ernährungsform vorteilhaft auf die Insulinresistenz und deren Auslöser auswirken.
Wer sich dennoch kohlenhydratreduziert oder gar kohlenhydratarm ernähren möchte, sollte sich umfassend bei einem qualifizierten Ernährungsberater oder einer Diabetesberaterin informieren und sich außerdem detailliert mit der Zusammensetzung der angebotenen Lebensmittel auseinandersetzen. Regelmäßige Untersuchungen beim Arzt (Blutbild, Blutfettwerte und andere Kontrollparameter) sollten eingeplant und wahrgenommen werden. Auch muss bei dieser Ernährungsform meist die Insulintherapie entsprechend angepasst werden.
von Corinna Lorenz
Diplom-Ingenieurin Ernährung und Versorgungsmanagement,
Diabetesberaterin DDG,
Diabetes Zentrum Mergentheim,
Tel.: 0 79 31/5 94-1 66
E-Mail: lorenz@diabetes-zentrum.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2019; 68 (6) Seite 26-28
5 Minuten
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