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Das Echt essen-Gasthaus im Juni, Teil zwei: In Traumlage am Bodensee serviert Markus Gruler eine außergewöhnliche Fischküche. Doch der Genuss ist bedroht.
Das Paradies auf Erden lockt unterhalb der Basilika Birnau bei Überlingen und hört auf den Namen „Seehalde“. Von allen Zimmern schweift der Blick über den hoteleigenen Strand mit dem kleinen Hafen auf die gegenüberliegende Blumeninsel Mainau – und in der Ferne grüßt der mächtige Säntis. Hier kocht Markus Gruler eine von den Essenstestern hochgelobte (nur der Guide Michelin könnte noch eine Schippe drauflegen), sehr bezahlbare Fischküche und sein Bruder wacht über eine klug aufgebaute Weinkarte. An lauschigen Sommertagen stehen die Tische auf der einmaligen, direkt über dem See liegenden Terrasse, die längst kein Geheimtipp mehr ist.
Markus Gruler fischt selbst, kennt alle ihn beliefernden Fischer persönlich. So kommt er an die höchst begehrten, inzwischen leider sehr raren Fische aus dem Bodensee – und bereitet sie natürlich zu, was die Vitalität dieses großartigen Lebensmittels auf das Beste zur Geltung bringt. Wer wie ich einige Tage hier gegessen hat, weiß wie eine kulinarisch hochstehende Gesundküche schmeckt. Lassen Sie sich von den nachfolgenden Gerichten begeistern!
Ein Vorgericht mit der Kraft einer Hauptspeise: Der geräucherte Aal schwimmt in einem ungeheuer intensiven Kartoffelschaum, der mit Gemüsebrühe hergestellt wird. Zum Niederknien! Der aromatische Fisch punktet mit fitten Fetten und Blutdruck balancierendem Kalium.
Ein von Anglern geschätzter Fisch ist die Rotfeder. Weil der Fisch grätenreich ist, wird er aber selten in der Gastronomie serviert. Markus Gruler hat den aus der Karpfenfamilie stammenden Fisch in einer milden! gewürzten Lake eingelegt, sodass er höchst schmackhaft ist – und mit Radieschen, Gurke, Apfel und eigenem Hechtkaviar eine veritable Delikatesse ergibt.
Äußerst begehrt ist der lachsartige Felchen, der in Bayern Renke und in Norddeutschland Maräne heißt. Allerdings gehen die Bestände sehr stark zurück, was auch am umstrittenen Gewässermanagement liegt, siehe Schluss dieser Geschichte. Leicht angebraten mit Salbei knusprigem Speck wie Saltimbocca serviert, liegt der Fisch auf Ochsenherzen und schwimmt in einer intensiven Essenz dieser Tomate. Mit Melonenkugeln und frischem Estragon zaubert Markus Gruler einen wunderbaren Sommerklassiker.
Selbst gefangen hat Markus Gruler den Hecht, der früher als „Grätenmonster“ gefürchtet war – aber inzwischen bereiten ihn gute Köche grätenfrei zu. Wohl schmeckend ist das Fleisch dieses Raubfisches, der mit basischem Magnesium punktet. Schonend konfiert und mit brauner Butter aromatisiert, wie bei diesem Rezept, mundet mir der Fisch am Besten. Eine Delikatesse die Variation vom Blumenkohl, etwa mit Essig mariniert quasi roh, die Röschen gebraten, dazu eine intensive Blumenkohlpaste – plus Verdauung fördernde Kapern.
Was alles eine Wurst werden kann: Etwa mit Piment, Majoran und Koriandergrün gewürzt, eine herrlich aromatische aus Karpfen. Thronend auf einem schmackigem Kartoffelsalat. Immer wieder bewundere ich den Einfallsreichtum dieses Kochs, der auch im größten Kochstress noch die Zeit für außergewöhnliche Ideen findet!
Für mich ein Grund an den See zu fahren: Eine topfrische, Niedertemperatur gegarte, sehr seltene Seeforelle. Das ist ein Gedicht, sogar die Haut schmeckt prächtig. Begleitet von einer Maiscreme, einem Hauch Speck etwas selbst gesammelter Vogelmiere zeigt dieses Gericht, wie Genuss und Gesundheit eine kulinarische Symbiose bilden können. Diätköche der Welt fahrt in die „Seehalde“ – und eure Kunden werden endlich die Diäten lieben!
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Der Flußbarsch, der am deutschen Ufer Kretzer, am schweizerischen Egli heißt, ist ein äußerst beliebter Fisch. Obwohl ich kein großer Freund gebratener Fische bin, schmeckt mir die hier auf den Punkt zubereitete Version, begleitet von Artischocken und dem nussigen resorptionsverzögernden, also schlank machenden Topinambur.
Ebenfalls eine Karpfenart wie der Felchen ist die grätenarme und schmackhafte Schleie. Originell dieses Rezept, wo der mit grünem Tee und Buchenmehl geräucherte Fisch leicht gezupft und mit Rührei serviert wird – gekrönt vom selbst gewonnenen Hechtkaviar. Es ist halt schon ein Segen, wenn eine Küche auf so eine Bandbreite an Fischen zugreifen kann.
Klingt alles großartig – und doch ist der Fischgenuss langfristig bedroht. Denn die Fischer fangen immer weniger und immer kleinere Fische. Über die Gründe wird heftig gestritten am See. Die Fischer sagen, dass es im wesentlichen daran liegt, dass der See inzwischen zu sauber ist, wodurch vor allem das für das Wachstum wichtige Phosphat fehlt. Aber der Wunsch nach etwas mehr Nährstoffeintrag wird von der Politik vehement abgelehnt – was wohl damit zusammenhängt, dass der Bodensee vor allem als gewaltiger Trinkwasserspeicher gesehen wird, dessen Wasser für Stuttgart lebenswichtig ist, das aber auch bis kurz vor Frankfurt gepumpt wird. Inzwischen ist der Voralpensee sogar als Mineralwasser sauberer „Alpensee“ eingestuft, obwohl die Alpen in weiter Entfernung liegen.
Manche denken nun über Aquakulturen nach, weil sich die Fische damit auch endlich wirksam vor den gefräßigen Kormoranen schützen ließen. Ein absurder Gedanke. Mein Vorschlag: Wieder die natürliche Balance herstellen, sowohl für die Wassergüte wie den Kormoranbestand.
Aber die „Seehalde“ kann natürlich nicht nur Fisch. Hier gibt es einen legendären Zwiebelrostbraten, Lamm aus der Umgebung und großartige Kutteln. Ich war begeistert von einer butterzarten, teegeräucherten Lammzunge, begleitet von einem im Vakuum gegarten, mit Cognac gewürzten Karottentatar und aromatisiert mit eingelegten Bärlauchknospen.
Immer besser gefällt mir die Weinkarte. Thomas Gruler, der jede freie Minute nutzt, um Winzer zu besuchen, Weinmagazine zu studieren, hat inzwischen ein enormes önologisches Wissen. Ein besonderes Faible hegt er für deutsche und elsässische Rieslinge, sehr gerne auch ökologisch produziert. Wer Glück hat, kann sogar ganz besondere Schätze genießen, die nicht auf der Karte stehen. Aber auch die heimischen Gewächse kommen nicht zu kurz – und so konnte ich einen leichten, aber dennoch kräftigen 2015er Müller-Thurgau genießen, der von Birnauer Reben stammt, also direkt vom Hang oberhalb der „Seehalde“. Auch dieser Wein vom Markgraf von Baden wird inzwischen wie erfreulicherweise immer mehr Tropfen, ökologisch hergestellt. Es gibt also auch gute Nachrichten!
Fazit: Die „Seehalde“ ist mit der traumhaften Lage, der guten Küche, der großartigen Weinkarte – und nicht zu vergessen dem gastfreundlichen Service ein kleines Gesamtkunstwerk. Allerdings: Im Sommer sind die Zimmer praktisch alle ausgebucht und auch im Restaurant gibt es vor allem am Wochenende kaum Plätze. Dennoch: Einfach anrufen, irgendetwas geht meistens.
„Seehalde“, Familie Gruler, Birnau Maurach 1, 88 690 Uhldingen, 075 56/92 21 0. Dienstag und Mittwochmittag ist das Restaurant geschlossen.
www.seehalde.de
von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de
, Internet: www.lauber-methode.de
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