Softdrink-Sondersteuer: Bevormundung? Nein, Schutz!

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Softdrink-Sondersteuer: Bevormundung? Nein, Schutz!

Dass die Industrie sich gegen eine Sonderbesteuerung von extrem zuckerhaltigen Getränken ausspricht, ist wenig verwunderlich. Aber wieso stemmt sich der zuständige Bundesminister ebenfalls so vehement dagegen? Das fragt sich Gregor Hess in der Blickwinkel-Kolumne.

Fühlen Sie sich durch die Anschnallpflicht in Pkws gegängelt? Wird Ihnen Lebensfreude vergällt durch Warnhinweise und bald folgende Ekel-Abbildungen auf Zigarettenschachteln? Ärgern Sie sich über die Bevormundung, weil die verführerisch süßen, aber hochprozentigen Alkopops mit einer hohen Extra-Steuer belegt wurden, um sie für junge Menschen weniger attraktiv zu machen? Denn schließlich griffen in diesen Beispielen Behörden ein, um den Konsum oder das Alltagsverhalten der Bürger gezielt zu beeinflussen.

Einigen Politikern zufolge – allen voran Bundesernährungsminister Christian Schmidt (CSU) – sei es prinzipiell kein guter Weg, die Verbraucher mit “Strafabgaben oder gesetzlichen Verboten zu einem anderen Verhalten zu zwingen”. Dies sei auch mit einem zu hohen Verwaltungs- und Kontrollaufwand verbunden, heißt es aus dem Ministerium.

Schmidt lehnt die seit Jahren geforderte Sondersteuer ab

Es ist nicht davon auszugehen, dass besagte Politiker im Namen des Liberalismus und der Selbstbestimmung die Eingangsbeispiele ebenfalls in Frage stellen. Aber sie sperren sich mit eben dieser Argumentation vehement gegen eine Zusatzbesteuerung von Produkten mit viel zu hohem Zuckeranteil; obgleich die Besteuerung seit Jahren als ein möglicher Ansatz gefordert wird – von Fachverbänden, Verbraucherschutz- und Patientenorganisationen, Krankenkassen sowie vielen anderen Politikern.

Denn es gilt, den drohenden Adipositas- und Diabetes-Epidemien entgegenzutreten. Außer Frage steht, dass heutzutage gerade über verarbeitete Lebensmittel viel zu viel Zucker konsumiert wird – mit allen dadurch entstehenden negativen individuellen und gesellschaftlichen Folgen.

Selbstverpflichtung der Industrie und Aufklärung sollen’s richten

Welche Lösungsansätze bietet Schmidt? Er setzt auf Aufklärung und Informationsangebote, um die Menschen von einem gesunden Lebensstil zu überzeugen; garniert mit einer Prise freiwilliger Selbstverpflichtung der Industrie. Also noch mehr Bilder von Dutzenden Zuckerwürfeln drapiert neben einer Softdrinkflasche? Noch mehr Kampagnen von dem Politiker, den Der Spiegel im vergangenen Herbst als “Ankündigungsminister” bezeichnete (da gemessen an seiner bisherigen ministerialen Bilanz seine Stärken mehr in der Theorie als in der Praxis lägen)?

Und noch mehr Lippenbekenntnisse seitens der Industrie, wie jüngst von der Verbraucherschutzorganisation foodwatch aufgedeckt? Eine Analyse zeigte, dass Hersteller weiterhin fast ausschließlich Produkte gezielt an Kinder bewerben, die nach WHO-Maßstäben für diese ungesund sind – freiwillige Selbstverpflichtung? Ein Sprecher der Getränkeindustrie bezeichnete in dieser Debatte eine mögliche Extra-Steuer auf Softdrinks übrigens als “Symbolpolitik”.

Handeln statt Symbolpolitik: Die Briten zeigen, wie’s geht

Aus meinem Blickwinkel ist aber das genaue Gegenteil der Fall: Symbolpolitik betreiben das Ernährungsministerium und die Hersteller mit ihrer Weiter-so-Mentalität und einer Attitüde, als sei ein extrem hoher Zuckeranteil in vielen Produkten (auch in solchen, in denen man es nicht erwartet) etwas Gottgegebenes, das man eben so hinnehmen müsse.

Was zeigt der Blick über den Tellerrand? Die Briten stehen nicht wirklich in Verdacht, besonders obrigkeitshörig und regulierungsvernarrt zu sein. Dort herrschen eher ein ausgeprägter Individualismus und Liberalismus mit großer Skepsis gegenüber zu viel Bürokratie. Und doch gibt es auf der Insel aus Verbraucherschutzgründen längst eine Ampelkennzeichnung für Lebensmittel (die Schmidt und Industrie ebenfalls unisono ablehnen) – und bald eine Steuer auf stark zuckerhaltige Getränke.

Da bleibt mir nur zu sagen: Well done, Great Britain!


von Gregor Hess
Redaktion Diabetes-Journal
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz,
Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0, Fax: (0 61 31) 9 60 70 90,
E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2016; 64 (5) Seite 45

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  • Hey, brauche Eure Hilfe. Habe den G7 genutzt. Als der über mehrere Monate (Frühjahr/Sommer 2025) massive Probleme (teils Abweichungen von 150 mg/dL, Messfaden schaute oben heraus) machte bin ich zum G6 zurückgegangen. Dessen Produktion wird nun eingestellt. Ich habe solche Panik, wieder den G7 zu nutzen. Habe absolut kein Vertrauen mehr in diesen Sensor. Aber mit meiner TSlim ist nur Dexcom kompatibel. Ich weiß nicht was ich machen soll, ich habe solche Angst.

    • Mit “meinem” Omnipod 5 wird der Dexcom G7 Ende 2026 voraussichtlich der einzige verfügbare Sensor sein.

      So richtig begeistert über die Einstellung des G6 bin ich auch nicht, auch wenn es absehbar war.
      Ich habe einfach die Hoffnung, dass die Qualitätsprobleme beim G7 bis dahin ausgestanden sind.

      Ich warte das Thema noch einige Monate ab.
      Wenn ich Ende 2026 feststelle, dass die Kombination aus meiner Pumpe und dem CGM für mich nicht funktioniert, bin mir sicher, dass meine Diabetes-Ärztin und ich eine gute Lösung für mich finden.

      Hier habe ich aufgeschnappt, dass für die t:slim wohl eine Anbindung des Libre 3 in der Mache ist:
      https://insulinclub.de/index.php?thread/36852-t-slim-mit-libre-3-wann/
      Leider steht keine überprüfbare Quelle dabei. 🤷‍♂️

      Ein weiterer mir wichtiger Gedanke:
      Angst und Panik sind in diesem Zusammenhang vermutlich keine hilfreichen Ratgeber. Hoffentlich schaffst Du es, dem Thema etwas gelassener zu begegnen.
      (Das sagt der Richtige: Ich habe in meinem letzten DiaDoc-Termin auch die Hausaufgabe bekommen, mal zu schauen, was mir gut tut.)

    • @ole-t1: Hey Ole, ganz lieben Dank für Deine Nachricht. Die Produktion des G6 endet laut einem Artikel auf dieser Seite ja zum 1. Juli 2026. Wann der Libre3 mit der TSlim kompatibel sein wird weiß man ja noch nicht. An sich gefällt mir Dexcom auch besser als Libre und die erste Zeit lief der G7 ja auch super bei mir. Ich kann mir schwer vorstellen, dass der G7 von heute auf Morgen nicht mehr bei mir funktioniert? Es gab ja auch das Gerücht das Dexcom eine zeitlang Produktionsprobleme hatte, dass wäre ja eine Erklärung, aber da geht Dexcom natürlich auch nicht mit hausieren.

    • @bloodychaos: Moin, ich benutze den G 7 seit Dezember 2022 (vorher G 6). Seit Dezember 2024 in Kombination mit der t:slim X 2 Ja, es hat immer mal wieder einen Sensor gegeben, der nicht richtig funktioniert hat . Dann wurde ein neuer gesetzt, der Vorfall an Dexcom gemeldet und es gab dann wenige Tage später einen neuen Sensor.
      Wie ole-t1 schon geschrieben hat, erst einmal die Ruhe bewahren und nicht in Panik verfallen. Alle auf dem Markt erhältlichen Sensoren haben Schwankungen in der Genauigkeit ihrer Angaben. Wichtig ist daher zu beurteilen, ob das, was der Sensor anzeigt, überhaupt sein kann.
      Zum Beispiel durch blutiges Nachmessen (dabei bitte dran denken, dass der Gewebezucker, den die Sensoren messen, rd. 20-30 Minuten hinter dem Blutzucker hinterher hinkt).

  • loredana postete ein Update vor 6 Tagen, 20 Stunden

    Die Registrierung mit dem Geburtsjahr war echt sportlich. Wollte es schon fast wieder abbrechen.

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