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Kaum eine Zeit hat etwas so Magisches und Märchenhaftes an sich wie die Adventszeit. In der Dämmerung bei Lichterglanz, weihnachtlichen Klängen und Düften von Bratwurst, Punsch und Waffeln über den Weihnachtsmarkt zu schlendern, lässt Kinderaugen strahlen. Was beim Schlemmen der Leckereien zu beachten ist, erklärt Diabetes-Beraterin Juliana Ehrmann.
Vor Ostern wird gefastet und vor Weihnachten geschlemmt. Das ist für viele Brauch. Deshalb sind einige Menschen in diesen Zeiten besonders streng oder eben äußerst locker und großzügig mit sich selbst und auch mit ihren Kindern.
Ein Besuch auf dem Weihnachtsmarkt ist für Kinder etwas Besonderes, sodass an diesem Tag andere Prioritäten gesetzt werden sollten. Es braucht bei den Glukosewerten keine Zeit im Zielbereich (Time in Range) über 70 Prozent. An diesem Tag zählt das pure Vergnügen und der Diabetes steht nicht im Vordergrund. Damit das gelingen kann, ist es trotzdem wichtig, extrem niedrige oder langanhaltende hohe Werte zu verhindern.
Vermutlich wird das Einschätzen der Kohlenhydrate unbekannter und vielleicht schwer kalkulierbarer Lebensmittel die größten Fragen aufwerfen. Hinzu kommen die unterschiedlichen Effekte auf den Glukoseverlauf. Auch Kälte und Bewegung können die Glukosewerte beeinflussen. Die dicke Winterjacke, der Zwiebel-Look und die Handschuhe machen die Selbstkontrolle und die Insulininjektion schwieriger. Was ein Glück, dass Glukosesensoren und Insulinpumpen dies inzwischen deutlich vereinfachen.
Typische Leckereien auf dem Weihnachtsmarkt sind eine Mischung aus schnellen und langsamen Kohlenhydraten. Zu den schnellen Kohlenhydraten zählen zum Beispiel Kinderpunsch, Magenbrot, kandierte Äpfel oder Crêpes mit Puderzucker. Einige Leckereien enthalten viel Zucker, aber gleichzeitig viel Fett, was sich im Glukoseverlauf Stunden später zeigen kann. Klassiker sind gebrannte Mandeln, Schmalzgebäck, Pommes, die große Feuerwurst oder auch der Langosch.
Wie viele Gramm Kohlenhydrate exakt enthalten sind, lässt sich nur schwer ermitteln und variiert je nach Weihnachtsmarkt und Rezept. Die Tabelle rechts soll helfen, einen Richtwert zu erhalten und ist daher mit einem „Von-bis-Bereich“ oder mit Circa-Angaben versehen. Bei sehr schwer einschätzbaren Leckereien hat sich bewährt, diese vorsichtiger einzuschätzen und ggf. erhöhte Werte im Nachgang zu korrigieren.
Weihnachtsleckereien (Auswahl) | Kohlenhydrateinheiten (1 KE = 10 g Kohlenhydrate) |
---|---|
kandierter Apfel | 4,5 – 5,5 KE |
Nürnberger Lebkuchen (mittelgroß, 70 g) | 3,5 – 4 KE |
Belgische Waffel (klein, ca. 60 g/groß, ca. 120 g) | ca. 3/ca. 6 KE |
gebrannte Mandeln (100 g) | 5,5 – 6 KE |
Crêpe mit Nutella | 2,5 – 3,5 KE |
Langosch (250 g) | 6 – 8 KE |
Kinderpunsch (200 ml) | 2 – 2,5 KE |
Bratapfel mit Marzipan | 3,5 – 4 KE |
Bratwurst im Brötchen | 3,5 – 4 KE |
Portion Pommes (mittelfgroße Portion) | 3 – 3,5 KE |
Feuerwurst mit Brötchen | 3,5 – 4 KE |
Currywurst mit Pommes | 5 – 6 KE |
1 Zuckerstange (28 g) | 2,5 – 3 KE |
Baumstriezel (165 g) | ca. 6,5 KE |
geröstete Maronen (100 g) | ca. 4 KE |
Marzipankartoffeln (100 g) | 3,5 – 4,5 KE |
Magenbrot (100 g) | 6 – 7 KE |
Churros mit Zimt und Zucker (100 g) | ca. 4 KE |
Dampfnudel (120 g), mit Vanillesoße (150 ml) | ca. 5,5 KE plus 2 KE |
Kaiserschmarren (200 g) | 5 – 6,5 KE |
Kakao (200 ml) | ca. 2,5 KE |
Bei den schnellen Kohlenhydraten wird eine direkte Insulingabe zu den Mahlzeiten geraten. Der empfohlene Spritz-Ess-Abstand bei AID-Systemen lässt sich auf dem Weihnachtsmarkt kaum einhalten. Wichtig wäre dennoch die Insulingabe zum Essen und nicht danach, da es sonst zu Unterzuckerungen nach dem Essen kommen könnte. Unter intensivierter Insulintherapie (ICT) und Insulinpumpen-Therapie ohne AID ist auch die Insulingabe nach der Mahlzeit eine Option, was bei fettigen Mahlzeiten sogar zu glatteren Verläufen führen kann.
Je nach persönlichen Erfahrungen können auch das Aufteilen des Bolus bei ICT und die Bolusvarianten (dualer Bolus, verzögerter/verlängerter Bolus) bei den Insulinpumpen ohne AID eine Option sein. Die verschiedenen AID-Systeme bieten hier unterschiedliche Möglichkeiten. Es gilt: Je fettiger das Essen ist, desto weniger Insulin wird direkt benötigt und desto länger können sich die Glukose-Effekte zeigen.
Bei den vielen Köstlichkeiten ist es kaum möglich, sich für nur einen Leckerbissen zu entscheiden. Innerhalb kurzer Zeit finden mehrere Mahlzeiten hintereinander statt – ähnlich einem Brunch, nur ohne Büfett. Unabhängig von der Therapie können und sollen solche kurz aufeinanderfolgenden Mahlzeiten mit Insulin ausgeglichen werden. Wichtig dabei ist, erhöhte Glukosewerte vorerst nicht zu korrigieren und ausschließlich die Insulinmenge für die Kohlenhydrate zu kalkulieren. Bei Insulinpumpen berücksichtigt der Boluskalkulator in der Regel das aktive Insulin, sodass es nicht zu einer zu frühen Korrektur kommt.
Aufpassen sollte man jedoch, dass es nicht zu allzu großen Überlappungen der Insulindosen kommt, da sonst das Risiko für Unterzuckerungen steigt – vor allem, wenn eine Kombination aus langsam und schnell aufnehmbaren Kohlenhydraten hintereinander gegessen wird und beide Mahlzeiten direkt mit Insulin abgedeckt werden.
Je nachdem, wie viele Schmankerl verputzt werden, kann das bei der Insulintherapie mit dem Pen ziemlich viele Insulininjektionen bedeuten, was äußerst unpraktisch sein kann. Da viele Leckerbissen mit ordentlich Fett versehen sind und den Glukosewert erst später ansteigen lassen, können die Kohlenhydrate auch „gesammelt“ und das Insulin mit einem Zeitversatz von etwa einer bis eineinhalb Stunden gegeben werden. Das wird höchstwahrscheinlich nicht zu Traumwerten führen, aber vielleicht zu einem Nachmittag, an dem die Kinder vom Christkind und dem Weihnachtsmann träumen können.
All diese genannten Optionen sollen Möglichkeiten darstellen, um extreme Werte zu verhindern oder für mögliche schlechte Erfahrungen oder Misserfolge bessere Lösungen zu finden. Es gibt beim Diabetes kein Patentrezept und trotz gut geschätzter Kohlenhydratmengen können diese von Kind zu Kind zu unterschiedlichen Verläufen führen. Kein Tag ist wie der andere und ein Besuch auf dem Weihnachtsmarkt ist absolut nicht alltäglich, sodass erhöhte Werte vom Weihnachtsmarkt so gut wie keinen Einfluss auf die generelle Glukoseeinstellung und die Time in Rage haben. Mit einer Prise Gelassenheit steht dem Genuss mit allen Sinnen nichts im Weg.
von Juliane Ehrmann
Erschienen in: Diabetes-Anker, 2024; 72 (11) Seite 42-43
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