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Gesüßt wird vor allem mit Zucker aus der Zuckerrübe? Das ist längst nicht mehr so. Gute Alternativen sind Stevia, Erythritol und Tagatose. Wie diese neuen Süßmacher richtig eingesetzt werden, erklärt Corinna Lorenz.
Kennen Sie folgende Situation? Sie kaufen ein Stück Kuchen und freuen sich schon darauf, es zu genießen. Prompt folgt das schlechte Gewissen. Gedanken rund um Kalorien, Kohlenhydrate beziehungsweise BE oder KE und deren Berechnung schwirren durch ihren Kopf. Verpackung mit Informationen? Fehlanzeige, denn das Stück ist ja vom Bäcker aus der Theke. Jetzt hilft eine Kohlenhydrat-Austauschtabelle. Die gängigsten Kuchen sind hier mit ihrem Kohlenhydrat- und Kaloriengehalt gelistet.
Da gab es doch aber noch neue Stoffe, mit denen sich kalorienfreundlich backen lässt … irgendetwas mit Stevia, Erythritol und Tagatose. Nur, was ist dabei wichtig?
Stevia ist eigentlich nicht der Name des Süßstoffs, mit dem seit offizieller Zulassung im Dezember 2011 viele Lebensmittel gesüßt werden; es ist der Pflanzenname. Stevia wird schon seit Jahren von vielen südamerikanischen Völkern als Zuckerersatz verwendet.
Aus den Blättern der Steviapflanze (botanische Bezeichnung: Stevia rebaudiana) werden durch einen aufwendigen Prozess Steviolglykoside gewonnen. Diese gibt es heute als Flüssig-, Granulat- oder Tablettensüßstoff im Supermarkt. Am häufigsten werden von den insgesamt acht bekannten Steviolglykosiden Steviosid und Rebaudiosid A verwendet.
Beim Backen ist zunächst die Konzentration des Steviaproduktes wichtig. Es gibt Stevia als Granulat, als Pulver, flüssig, in Tablettenform (ähnlich wie klassische Süßstofftabletten) und sogar in Würfelzuckerform, ferner als Gemisch mit dem Zuckeralkohol Erythritol oder handelsüblichem Haushaltszucker. Diese Produkte können sich in der Süßkonzentration stark unterscheiden. Zum Backen mit Stevia wird in vielen Steviarezepten Granulat empfohlen. Jedoch gib es auch hier unterschiedliche Konzentrationen (s. Tab. 1).
Auf vielen Stevia-Verpackungen finden Sie eine dem Produkt angepasste Dosisanleitung. Der richtige Austausch von Zucker gegen Steviolglykoside ist entscheidend für einen angenehmen Geschmack. Eine Überdosierung von Stevia führt häufig zu einem bitteren, metallischen, lakritzartigen Geschmack.
Ein Austausch der gesamten Zuckermenge gegen reine Steviolglykoside ist bei Tortenfüllungen, Saucen, Cremes oder für Getränke wie Tee und Kaffee oft unproblematisch. Aber es kann sein, dass durch einen vollständigen Austausch bei Kuchen- oder Keksteigen zu wenig Volumen entsteht. Deshalb ist es kaum möglich, Biskuit- und Rührteige, bei denen ja Eier mit Zucker schaumig gerührt werden, komplett mit Stevia herzustellen. Praktisch sind für diese Teige beispielsweise Steviosidgemische mit Zucker; durch diese Mischungen lässt sich fehlendes Volumen ausgleichen.
Auch das Geschmacksprofil der Steviosidgemische ist angenehm – der typische Stevia-Nachgeschmack ist verschwunden. Teige, die mit Stevia-Zucker (also einer Mischung aus Stevia und Zucker) gesüßt sind, bräunen etwas stärker, deshalb nach der Hälfte der Backzeit Alufolie oder Backpapier auf den Kuchen legen und weiterbacken. Der Zuckeranteil ist in Stevia-Zucker um die Hälfte reduziert, das ist natürlich auch bei der Kohlenhydratberechnung wichtig.
Erythritol ist ein Zuckeralkohol und gehört zur Gruppe der Zuckeraustauschstoffe. 2006 bekam er seine EU-weite Zulassung. Seitdem wird Erythritol z. B. unter Handelsnamen wie Sukrin, Nevella oder Wiezucker als natürliche Zuckeralternative beworben und vermarktet. Erythritol kommt in natürlicher Form in Obst vor (z. B. in Birnen, Melonen und Trauben).
Zur kommerziellen Herstellung bedient sich die Industrie natürlicher Glukose. Diese wird mit Hilfe von Bakterien fermentiert; dabei wandeln die Bakterien Glukose in Erythritol um. Anschließend wird die Lösung gefiltert und getrocknet. Zurück bleibt ein weißes, kristallines Pulver, das handelsüblichem Haushaltszucker stark ähnelt.
Das Endprodukt Erythritol bietet eine gute Alternative, wenn beispielsweise eine Unverträglichkeit gegen Fruchtzucker (Fruktoseintoleranz), Milchzucker (Laktoseintoleranz) oder Gluten (Zöliakie) besteht.
Weiterer Vorteil für Diabetiker und alle, die auf ihre Linie achten möchten: Es wird im Körper völlig insulinunabhängig aufgenommen, und das bedeutet: Der Blutzucker steigt durch die Aufnahme von Erythritol nicht an. Darüber hinaus enthält es fast keine Kalorien (nur 0,2 kcal pro Gramm).
Da es sich bei Erythritol um ein kristallines Pulver handelt, lässt es sich wie Haushaltszucker verwenden. In vielen Rezepten wird empfohlen, 100 Gramm Zucker gegen 120 bis 140 Gramm Erythritol auszutauschen. Generell kann es überall dort eingesetzt werden, wo sonst Zucker zum Einsatz kommt – also zum Süßen des Morgenkaffees, von Desserts oder zum Backen. Der Vorteil gegenüber Stevia: Es hat keinen starken Nachgeschmack.
Insbesondere beim Backen hat der alkoholfreie Zuckeralkohol positive Eigenschaften: Zucker im Rezept lässt sich problemlos tauschen. Da Erythritol wie Zucker dem Teig Volumen gibt, bleiben Struktur und Geschmack erhalten. Nur bräunt der Teig beim Backen nicht so stark: Aufgrund seiner chemischen Struktur karamellisiert Erythritol nicht, eine intensive Bräunung bleibt aus.
Dies muss jedoch nicht unbedingt als negative Eigenschaft gesehen werden – gerade bei hellem Gebäck oder auch Kuchen kann dies durchaus von Nutzen sein. Falls jedoch eine Bräunung wie beim Backen mit Zucker gewünscht ist, kann auch nur ein Teil des Zuckers durch Erythritol ersetzt werden.
Wenn Zucker komplett durch Erythritol ersetzt wird, wird bei Hefegebäcken der Teig nicht so stark aufgehen wie gewohnt. Einige Hersteller von Erythritol-Produkten geben an, dass der Teig beim Backprozess später aufgeht; das Endergebnis ist jedoch vergleichbar mit Hefegebäck, das mit herkömmlichem Zucker gebacken wurde.
Auch Konfitüre und Marmelade können mit dem Zuckeraustauschstoff Erythritol gekocht werden. Wichtig dabei: Erythritol hat eine andere Wasserlöslichkeit als Saccharose (Haushaltszucker). Während Saccharose sich bis zu einem Verhältnis von zwei Kilo auf einen Liter ohne Kristallisation löst, hat Erythritol nur eine Löslichkeit von 250 Gramm auf einen Liter Wasser.
Deshalb darf man bei der Marmeladenherstellung für ein Kilo Früchte maximal 250 Gramm Erythritol kalkulieren (Verhältnis 4 : 1). Wird mehr Erythritol verwendet, kristallisiert Konfitüre nach dem Erkalten aus. Das ist gesundheitlich unbedenklich; Optik und Konsistenz werden jedoch durch die Kristallisation beeinträchtigt. Auch die Haltbarkeit ist kürzer, weil Zucker fehlt. Deshalb sollte man angebrochene Gläser stets im Kühlschrank aufbewahren und nur mit sauberem Besteck etwas entnehmen.
Tagatose gehört weder zu den Süßstoffen noch zu den Zuckeraustauschstoffen; es ist vielmehr ein Zuckerersatz auf natürlicher Basis. Seit Dezember 2005 ist Tagatose offiziell in der EU als Novel Food (neuartiges Lebensmittel) zugelassen. Bei der Herstellung von Tagatose wird Laktose mit Hilfe von Enzymen gespalten, anschließend verändert und schließlich zu kristallinem Pulver getrocknet.
Tagatose wird im Körper nur zu etwa 20 Prozent im Dünndarm aufgenommen und liefert dem Körper 1,5 kcal pro Gramm. Zum Vergleich: Saccharose liefert dem Körper 4,1 kcal je Gramm. Neben seinem geringen Kaloriengehalt liegt der glykämische Index bei äußerst niedrigen 7,5 (Referenzwert ist Glukose mit einem glykämischen Index von 100). Demnach ist der Blutzuckeranstieg kaum messbar. Tagatose und auch Erythritol verursachen keine Karies und haben (in üblichen Verzehrsmengen) keine abführende oder blähende Wirkung. Nur Säuglinge und Kinder unter drei Jahren sollten keine Tagatose zu sich nehmen: Ihre Darmflora ist noch nicht vollständig angelegt, es kann zu Durchfällen und Übelkeit kommen.
Reine Tagatose ist laktose- und glutenfrei. Für Menschen, die an einer Fruktosemalabsorption (erworbene Unverträglichkeit) leiden, kann Tagatose – je nach individueller Empfindlichkeit – eine Option sein. Bei der eher seltenen Form der hereditären Fruktoseintoleranz (angeborene Unverträglichkeit) empfiehlt es sich, auf Tagatose-Gemische zu verzichten.
Die Süßkraft von Tagatose liegt, gemessen an der von Zucker (Saccharose), bei 92 Prozent. Somit kann Haushaltszucker im Alltag durch die gleiche Menge Tagatose ersetzt werden. Selbst wenn größere Mengen verwendet werden, entsteht kein unangenehmer Beigeschmack.
Dennoch: Im Handel gibt es wenige Hersteller, die reine Tagatose anbieten, denn es bräunt beim Backen stark. Deshalb wurden für den häuslichen Einsatz Tagatose-Gemische entwickelt. Diese Gemische haben die doppelte Süßkraft von Saccharose, deshalb muss die Zuckermenge aus einem herkömmlichen Rezept halbiert werden. Falls der Kuchen vor Ende der Backzeit zu stark bräunt, kann man ihn mit Backpapier oder Alufolie abdecken. Tagatose bietet sich auch zum Süßen von Desserts, Süß- und Mehlspeisen und sogar Getränken an.
von Corinna Lorenz
Dipl.-Ing. Ernährung und Versorgungsmanagement (FH), AK Diabetes VDOE, Diabetes Zentrum Mergentheim, Theodor-Klotzbücher-Straße 12, 97980 Bad Mergentheim
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2014; 63 (12) Seite 26-29
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