Wissen über Diabetes, Ernährung und Gesundheit – anno 1954

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Wissen über Diabetes, Ernährung und Gesundheit – anno 1954

Vor einer Weile hat mir ein Freund ein Buch vermacht, das ihm bei der Entrümpelung der elterlichen Wohnung in die Hände gefallen war. Der Titel: „Nutze die Heilkraft unserer Nahrung“ von Dr. Ernst Schneider, veröffentlicht im Jahre 1954. Ich war neugierig auf diesen alten Schinken, zumal er auch ein eigenes Kapitel über „die Zuckerkrankheit“ enthält. Was wurde Menschen seinerzeit empfohlen? Womit wurden diese Empfehlungen begründet?

1_Kinder und Mutter

1954 gab es nur 250.000 bis 300.000 Typ-2-Diabetiker in Deutschland

Heute ist das Buch allenfalls antiquarisch zu erwerben, doch bei Amazon oder Ebay sowie verschiedenen Online-Bücherhökern finden sich immer noch Exemplare davon. Es ist kein Wunder, dass das Werk längst nicht mehr aufgelegt wird, denn in Teilen ist es einfach hoffnungslos veraltet. So wird überhaupt nicht zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes unterschieden – in heutiger Zeit schlicht unvorstellbar. Aus den Schilderungen lässt sich aber rasch schließen, dass sich die Ernährungs- und Therapieempfehlungen an Menschen mit Typ-2-Diabetes richten, von denen es laut Dr. Schneider zwischen 250.000 und 300.000 in Deutschland gab, als das Buch geschrieben wurde. Nur zum Vergleich: Heute geht man von 6 bis 8 Millionen Typ-2-Diabetikern in Deutschland aus!

2_Kapitel Zuckerkrankheit

Damals waren Sulfonylharnstoffe noch der letzte Schrei

Für Menschen, die in Sachen Diabetestherapie halbwegs Bescheid wissen, klingt die folgende Passage aus dem Kapitel „Die Zuckerkrankheit und ihre Heilkost“ einfach nur putzig:

Seit kurzer Zeit gibt es mehrere chemische Mittel, die von einem Teil der Zuckerkranken oft besser vertragen werden. Sie wirken besser als das Insulin und brauchen nicht gespritzt zu werden. Chemisch bezeichnet man diese in Tablettenform zu verabreichenden Stoffe als Sulfonylharnstoffe.

Sulfonylharnstoffe werden zwar auch heute noch vielerorts verordnet, doch die Fachgesellschaften wenden sich in ihren Leitlinien immer mehr von diesem „Klassiker“ ab, weil er die Insulinproduktion der Bauchspeicheldrüse anregt und so auch noch das letzte bisschen an Funktion aus ihr herauspresst, anstatt am eigentlichen Übel anzusetzen, der Insulinresistenz. Doch 1954 waren Sulfonylharnstoffe halt noch der letzte Schrei…

Es gibt auch heute noch viele Menschen, die auf Hafertage schwören

Andere Passagen wiederum könnte man, abgesehen von der Bebilderung und der manchmal etwas altmodischen Sprache, durchaus auch in modernen Ernährungsratgebern wiederfinden: Da ist von individueller Diät die Rede, die der Diabetiker mithilfe seines Arztes entwickeln sollte. Und auch wenn ich persönlich am Nutzen von Hafertagen zweifele, gibt es auch heute noch viele Diabetiker und Ernährungsberaterinnen, die auf Diäten nach dem Wechselprinzip zwischen kohlenhydratarmen Tagen mit Gemüse und Eiern und kohlenhydratreichen Tagen mit Hafer, Obst und Reis schwören, weil sich damit die Insulinempfindlichkeit verbessern lasse.

3_Widmung

An den „Zivilisationsschäden“ von einst hat sich nichts geändert

Brandaktuell finde ich das Kapitel, in dem es um das Erkennen von Zivilisationsschäden geht. „Wir finden, dass die Änderung der Lebens-, Arbeits- und Wohnweise zu einer mangelhaften Anpassungsfähigkeit des Körpers an die Umgebung, an unsere Außenwelt, geführt hat“, heißt es darin.

Insbesondere Stadtbewohner litten unter ungenügender Sonnenbestrahlung, unzureichender Frischluftzufuhr, Bewegungsmangel oder einseitiger Bewegung, ungenügender Entspannung, Fortpflanzungsstörungen, übermäßiger Zufuhr von Genuss- und Rauschmitteln und – allen voran – der Veränderung der Ernährungsweise. Beispielhaft nennt der Autor hier (unter anderem) die „Verdrängung der Getreidebreikost durch Brot und Kartoffeln, die Verdrängung der Rohkost durch die Kochkost, die Verdrängung der natürlichen Lebensmittel durch künstliche Nahrungsmittel, die Verdrängung der Hartkost durch die Weichkost, die Armut an Vitaminen und pflanzlichen Hormonen, die Armut an Darmwandreizstoffen (Zellulose)“.

Sind das nicht dieselben Themen, die auch heute Ärzte, Ernährungsmediziner und Gesundheitswissenschaftler auf den Plan rufen? Und warum ist es uns als Gesellschaft eigentlich in über 60 Jahren nicht gelungen, unser Umfeld so zu verändern, dass man darin gesund leben kann und eine größere Chance hat, von Zivilisationskrankheiten, wie sie der Typ-2-Diabetes nun einmal ist, verschont zu bleiben?

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 1 Tag

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • moira antwortete vor 1 Woche

      Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 2 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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