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Für die einen ist Zucker ein elemenaterer Bestandteil unserer Ernährung, andere sehen ihn als gesundheitsschädlich an. In den Interviews mit Susanne Langguth, Direktorin der Südzucker AG Mannheim, und mit Diabetes- Journal-Chefredakteur Prof. Thomas Haak beleuchten wir jeweils die Pro- und Kontra-Seite.
Langguth: Nein. Diese Hypothese hat sich nicht bestätigt. Spätestens mit dem EU-Projekt NeuroFAST steht fest, dass einzelne Lebensmittel oder einzelne Nahrungbestandteile nicht süchtig machen. Es gibt hingegen ein psychisch gesteuertes, suchtartiges Essverhalten.
Langguth: Zucker ist ein heimisches, traditionelles Produkt aus der Natur, dem Verbraucher seit Generationen vertrauen. Er ist einfach im Gebrauch und gut verträglich. Das gilt längst nicht für alle Lebensmittel. Der gute, neutrale süße Geschmack von Zucker, verbunden mit seinen vielen zur Qualität von Produkten beitragenden technologischen Eigenschaften, erlaubt eine unkomplizierte Anwendung in vielen Lebensmitteln, auch im Haushalt.
Langguth: Der Mensch kann auf viele Lebensmittel verzichten, auch auf Zucker. Die Frage ist vielmehr, warum jemand auf etwas verzichten will und ob der Verzicht ihn diesem Ziel näherbringt. Wer Zucker durch andere süßende oder volumengebende Lebensmittel ersetzt, wird in der Regel weder weniger Kalorien zu sich nehmen noch seine Ernährungsqualität verbessern. Verzicht ist der eine, individuell genussorientiert und bewusst zu essen der sehr viel anspruchsvollere Teil der Medaille.
Langguth: Negativschlagzeilen müssen nicht nur die Zuckerwirtschaft besorgt machen. Auf dem Rücken der Verbraucher profilieren sich unterschiedliche gesellschaftliche Kräfte, gegen den Zucker. Beim Kampf gegen Übergewicht, als Risikofaktor für nichtübertragbare Krankheiten, verstellt der Fokus auf einzelne Nahrungskomponenten, hier also Zucker, den Blick auf nachhaltige Lösungsansätze. Wer dauerhaft mehr Kalorien zu sich nimmt, als er verbraucht, nimmt zu. So einfach ist die Rechnung. Deswegen sollte auch der Fokus auf die Kalorienbilanz gelegt werden. Nicht nur Kohlenhydrate sind kalorienhaltig, Fette und Alkohol liefern besonders viel Energie.
Langguth: Die WHO ist meines Erachtens keine wissenschaftliche Einrichtung, sondern macht Politik. Und zwar, wie dies bei internationalen Organisationen häufig der Fall ist, von den Mitgliedstaaten weitgehend unkontrolliert. Die Kritik, die auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung sowie das Max Rubner-Institut an der mangelnden Wissenschaftlichkeit der Empfehlungen zu Zucker geübt haben, hat deshalb auch keine Resonanz gefunden. Die WHO kommt im Zusammenhang mit Übergewicht selbst zum Ergebnis, dass ein Austausch von Zucker durch andere Kohlenhydrate keinerlei Änderung des Körpergewichts zur Folge hat. Deswegen begründet die WHO ihre Empfehlung auch allein mit Karies- und nicht mit Übergewichtsprävention.
Langguth: Im Gegensatz zur Verkehrsampel, die letztlich nur Rot und Grün kennt, sind farbliche Nährwertangaben, Ampel-Kennzeichnung genannt, eben verwirrend. Besonders, weil ein Lebensmittel dann für verschiedene Nährstoffe auch verschiedenfarbige Punkte bekommt. Hinzu kommt, dass die Qualität der Ernährung nicht durch ein einzelnes Lebensmittel bestimmt wird. Ob der Gehalt an einem Nährstoff in diesem Lebensmittel für den jeweiligen Verbraucher zu hoch ist – wer will das ernsthaft bewerten? Außerdem fehlt die wesentliche Kenngröße, nämlich die Kalorienangabe, bei der Ampel-Kennzeichnung. Letztlich ist die Nährwertampel für bewusste, rationale Kauf- und Verzehrentscheidungen als Instrument für eine ausgewogene Ernährung ungeeignet. Das aber kann die Nährwerttabelle mit ihren rein sachlichen Informationen – auch über den Gehalt an Zucker – leisten.
Langguth: Ausgewogen genießen, besonders auf flüssige Kalorien achten, süße und herzhafte Snacks nicht ständig oder als Mahlzeit vor der eigentlichen Hauptmahlzeit essen. Kleinere Portionen wählen und auf die innere Stimme hören, wann es genug ist. Das sind einige Regeln, die dazu beitragen können, gesund und trotzdem lecker zu essen. Die Kalorienbilanz im Gleichgewicht zu halten und sich im Alltag regelmäßig zu bewegen, sind die zentralen Botschaften.
Wir danken Frau Langguth für das Gespräch.
Haak: Zucker hat in der Tat ein Suchtpotenzial. Der süße Geschmack wird Kindern quasi in die Wiege gelegt, denn auch die Muttermilch schmeckt süß. Eine regelmäßige Verwendung hoher Zuckermengen in der Nahrung führt zur Insulinfreisetzung. Insulin wiederum steigert das Hungergefühl. Dies hat jeder sicherlich schon einmal erlebt: wenn er große Mengen an Kohlenhydraten gegessen hat wie Nudeln oder Brot. Obwohl man dann eigentlich satt ist, hat man noch Lust auf etwas Süßes. Oder auch nach einem leckeren Kuchen besteht die Lust auf ein weiteres Stück. Allerdings kann man das Heißhungergefühl nach Süßem durch konsequentes Weglassen von Süßigkeiten auch abtrainieren. Wer einmal eine Woche keine Süßigkeiten gegessen hat, wird nicht mehr den Heißhunger darauf verspüren.
Haak: Zucker ist als Nahrungsmittel ungeeignet, denn Zucker enthält billige, dafür aber leere Kalorien. Leere Kalorien sind energiehaltige Nahrungsmittel ohne Vitalstoffe. Durch das Übermaß an Zucker kommt es unweigerlich zur Gewichtszunahme. Zwar löst Zucker per se keinen Diabetes aus, aber das Übergewicht ist für viele Erkrankungen verantwortlich. Nicht nur für Diabetes, sondern auch für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die immer noch die häufigste Todesursache in Deutschland darstellen.
Haak: Um einen Diabetes zu bekommen und damit im wahrsten Sinne des Wortes zuckerkrank zu werden, benötigt man Erbanlagen. Zucker allein kann keinen Diabetes auslösen. Allerdings sind die Erbanlagen für einen Typ-2-Diabetes weit verbreitet – und das Übergewicht eben auch. Deswegen haben wir pro Tag zwischen 800 und 1 000 Neuerkrankungen an Typ-2-Diabetes mellitus in Deutschland. Der viel seltenere Typ-1-Diabetes hat nichts mit übermäßigem Zuckerkonsum oder Übergewicht zu tun.
Haak: Zucker macht, wie eben schon gesagt, süchtig. Der süße Geschmack wird als angenehm empfunden und löst eine innere Zufriedenheit aus – wie bei einem gestillten Baby. Diesem schönen Gefühl zu widerstehen, wenn man es jahrelang genossen hat, fällt nun mal sehr schwer.
Aus meiner Sicht lohnt sich der Versuch, Zucker zunächst probeweise konsequent wegzulassen. Die meisten werden feststellen, dass der Heißhunger darauf nach ein paar Tagen weniger wird.
Haak: Ich finde es großartig, dass zum Beispiel die Firma Lidl begonnen hat, den Zuckeranteil, aber auch den Salzanteil in ihren Eigenmarken deutlich zu reduzieren. Bei dem großen Filialnetz von Lidl wird dies in der Summe eine Reduktion der Zuckeraufnahme von mehreren Lkw-Ladungen nach sich ziehen.
Hier wird aktiv gesundheitspolitische Verantwortung gegenüber Kunden gezeigt:Denn die meisten Kunden informieren sich über die Produkte an der Stelle, an der sie auch einkaufen.
Noch besser finde ich, dass hier weitere große Lebensmittelketten nachziehen wie Rewe. Die tun dies zwar mit viel mehr Getöse und einer groß angelegten Werbekampagne, aber für die Sache und die Volksgesundheit ist das gut.
Haak: Ich finde die Empfehlung der WHO, den Zucker in der täglichen Nahrung zu reduzieren, sehr gut. Allerdings sind solche Ernährungsempfehlungen für den einzelnen Verbraucher schwer umzusetzen. Denn wer schreibt sich schon auf, wie viele Gramm Zucker er tatsächlich am gesamten Tag gegessen hat? Es ist daher wichtig, dass die Lebensmittelindustrie insgesamt dem Umstand Rechnung trägt und den Zuckeranteil in den Produkten reduziert.
Haak: Kein Mensch braucht Zucker. In den Nahrungsmitteln sind ausreichend Kohlenhydrate vorhanden, um den Tagesbedarf zu decken. Zucker sollte deswegen, wenn überhaupt, als ein sehr sparsam einzusetzendes Genussmittel betrachtet werden.
Wir danken Herrn Professor Haak für das Gespräch.
Die Interviews führte Kirsten Metternich von Wolff
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz,
Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0, Fax: (0 61 31) 9 60 70 90,
E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 67 (6) Seite 26-29
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