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Kuchen, Eis, Joghurts, heiße und kalte Getränke – ohne Süßstoff oder andere Zucker-Alternativen würden sie fad schmecken. Bekannt ist, dass Zucker als alleiniges Süßungsmittel bei Diabetes wenig sinnvoll ist. Doch wie sieht es bei besagten Alternativen aus? Wir klären auf und geben Ihnen praktische Tipps für Ihren süßen Alltag.
Dieser Beitrag ist Teil des Titelthemas der Zeitschrift Diabetes-Journal, Ausgabe 9/2024. Folgende Beiträge sind ebenfalls in der Reihe zum Thema „So halten Essen und Trinken fit“ erschienen:
Zucker, Honig oder andere Zucker sind für Menschen mit Diabetes heute nicht mehr komplett verboten. Verbieten lässt sich beim Essen und Trinken ohnehin nichts. Praktisch ist es aber so, dass Zuckermengen so gering wie möglich gehalten werden sollten. Deshalb haben sich seit Jahrzehnten Süßstoffe und auch Zucker-Austauschstoffe bewährt.
Kirsten Metternich von Wolff hat eine ernährungsmedizinische Ausbildung mit Zusatzqualifikation bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Seit mehr als 20 Jahren arbeitet sie als freie Journalistin, Buchautorin und Referentin. Gesunde Ernährung bei Diabetes ist einer ihrer thematischen Schwerpunkte, darüber informiert sie auch regelmäßig im Magazin des Diabetes-Ankers. Darüber hinaus schreibt sie über gesundes Backen, Frauengesundheit und Beauty-Themen auf ihrem Blog unter www.herzwiese24.de.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt eine tägliche Menge von maximal 25 Gramm Zucker. Das ist ganz schön sportlich, denn in drei von vier Fertiglebensmitteln ist Zucker enthalten. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) sowie die amerikanischen und kanadischen Diabetes-Gesellschaften empfehlen Menschen mit Diabetes eine tägliche Zuckermenge von maximal zehn Prozent der täglichen Energiemenge. Dabei sollte die Energiemenge bei Normalgewicht Grundlage der Berechnung sein.
Es geht aber nicht nur darum, einem Soll möglichst zu entsprechen. Vielmehr ist es sinnvoll, durch einen bewusst moderaten Konsum von Zucker den individuellen Geschmackssinn zu schärfen. Denn dieser lässt sich trainieren, sodass das Empfinden für süß stärker sensibilisiert wird. Wer eine sehr niedrige Süß-Schwelle hat, empfindet zudem sämtliche süßen Produkte als sehr süß und geschmacklich nicht besonders attraktiv.
Denken Sie bei Zucker und seinen Verwandten auch an die rasche Wirkung auf Ihre Blutzuckerwerte und ans Gewicht. Denn Zucker liefert leere Kalorien, also ohne nennenswerte Vitalstoffe. Gleiches gilt für Honig, Kokosblütenzucker oder andere Zucker. Wovon Fachleute abraten, ist der Genuss gezuckerter Getränke wie Cola, Limonade, Eistee, Saftgetränke und süße Brausen. Einzig bei einer Unterzuckerung (Hypoglykämie) bieten sie eine sofortige Hilfe.
Seit Oktober 2010, also nunmehr 14 Jahren, gibt es keine speziellen Lebensmittel mehr für Menschen mit Diabetes. Solche Schokoladen, Kekse, Kuchen oder Eissorten wurden früher gern mit Fruchtzucker (Fruktose) gesüßt. Heute ist bekannt, dass mehr als 60 Gramm Fruktose täglich die Triglyzerid- bzw. Neutralfett-Werte bei Menschen mit Diabetes erhöhen können. Zudem fördert Fruchtzucker Übergewicht und lässt die Harnsäure-Werte steigen. Besonders schädlich ist Fruchtzucker im Hinblick auf die Bildung einer nicht alkoholischen Fettleber, verbunden mit einer Insulinresistenz, also einer schlechteren Wirksamkeit des Insulins.
Grünes Licht gibt die DDG aber für Lebensmittel, die von Natur aus Fruchtzucker enthalten. Dazu gehören frische Früchte sowie Tiefkühlobst und Konservenfrüchte, denen kein Zucker zugesetzt ist. Auch Saft zur Herstellung einer Saftschorle wäre möglich. Absolut unbrauchbar sind dagegen sämtliche Produkte mit Maissirup, der besonders reich an Fruchtzucker ist.
In den letzten Jahren sind Zucker-Austauschstoffe, bekannt auch als Zucker-Alkohole (jedoch völlig alkoholfrei) im Trend. Sie können – insbesondere beim Kochen und Backen – eine gute Alternative zu Zucker sein. Xylit (Pentanpentol oder E967) kommt natürlicherweise in Obst und Gemüse vor. Seine Süßkraft ist identisch wie die von Haushaltszucker. So kann es eins zu eins gegen Zucker ausgetauscht werden. Der Insulinbedarf zur Verstoffwechselung ist geringer als bei Zucker, aber es kann nach dem Genuss auch zu Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel kommen.
Xylit hat rund die Hälfte an Kalorien im Vergleich zu Zucker. Mittlerweile wird Xylit in zahlreichen Fertigprodukten als Süßungsmittel verwendet. Der Genuss kann zu Blähungen und Durchfall führen. Experten empfehlen deshalb, die Menge auf 50 bis 70 Gramm täglich zu begrenzen.
Ebenfalls zur Gruppe der Zucker-Austauschstoffe bzw. Zucker-Alkohole gehört Erythrit (E968), bekannt auch als Erythritol. Im Vergleich zu Fruchtzucker und Xylit ist es nahezu kalorienfrei. Dementsprechend hat Erythrit auch keine Auswirkung auf den Blutzuckerspiegel. Erythrit kommt natürlicherweise in Früchten wie Wassermelonen, Birnen, Weintrauben, Pilzen und fermentierten Lebensmitteln vor.
Zucker-Austauschstoffe verursachen häufig als Nebenwirkung Blähungen und/oder Durchfall. Bei Erythrit ist dies bei moderatem Verzehr nicht der Fall. Moderat wäre zum Beispiel die Menge von einem oder zwei Stück Kuchen, eines damit gesüßten Desserts oder ein paar Keksen. Dank seiner Konsistenz lässt sich damit sehr gut backen. Jedoch liegt die Süßkraft bei etwa 75 Prozent gegenüber Haushaltszucker. Praktisch ersetzen 125 Gramm Erythrit im Rezept 100 Gramm Zucker. Besonders gut schmeckt Erythrit als Süße in Kuchen und Gebäck, das mit Milchprodukten und/oder Früchten gebacken wird.
Kontrovers diskutiert sind die Süßstoff-Alternativen im Hinblick auf Veränderungen des Darm-Mikrobioms oder ihrer Appetit anregenden Wirkung. Laut Praxisempfehlung der DDG zur Ernährung bei Typ-2-Diabetes sind Süßstoffe in moderaten Mengen nach wie vor möglich. Dazu heißt es in der entsprechenden Praxisempfehlung der Deutschen Diabetes Gesellschaft: „Der Verzehr von Süßstoffen ist bei T2Dm mellitus bei Einhaltung der jeweiligen Höchstmengen gesundheitlich unbedenklich und kann bei einem gelegentlichen Einsatz im Rahmen einer Diabetestherapie sinnvoll sein.
Bei an Typ-2-Diabetes-Erkrankten im Kindes- und Jugendalter ist die niedrigere tolerierbare Tagesdosis (acceptable daily intake; ADI-Wert) aufgrund des geringeren Körpergewichts zu beachten.“ Der ADI-Wert definiert die täglich essbare Höchstmenge für jeden einzelnen Süßstoff, bezogen auf das individuelle Körpergewicht. Dieser Wert wird dann als lebenslang gesundheitlich unbedenklich angesehen. Festgelegt sind diese Werte durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority, EFSA). Nach der Zulassung werden Süßstoffe bei Bedarf nochmals geprüft und in regelmäßigen Abständen neu bewertet. Dies war zum Beispiel kürzlich bei Aspartam der Fall.
Alle in Europa zugelassenen Süßstoffe, wie Saccharin, Cyclamat, Steviolglykoside, Sucralose oder Aspartam besitzen eine sehr hohe Süßkraft, die 30- bis 20 000-fach höher liegt im Vergleich zu Zucker. Dementsprechend liegen die Mengen zum Süßen im Milligramm-Bereich. Deshalb spielen sie im Hinblick auf Kalorien und eine mögliche Auswirkung auf den Blutzuckerspiegel keine Rolle.
Trotzdem sind sie kein Freifahrtschein getreu dem Motto: „Was mit Süßstoff gesüßt ist, ist automaisch kalorienfrei.“ Denn viele Lebensmittel, wie Gebäck, Süßigkeiten oder Milchprodukte sowie Eis und Desserts, welche mit Süßstoff gesüßt sind, liefern durch weitere Zutaten Kalorien aus Eiweiß, Fett und Kohlenhydraten. Bei Lebensmitteln mit Süßstoffen lohnt sich deshalb immer der Blick auf die Zutatenliste und Nährwert-Analyse. So empfehlen die Expertinnen und Experten der DDG, den Konsum gering zu halten, zum Beispiel bei Getränken als Zusatz zum Hauptflüssigkeitslieferanten Wasser und/oder ungesüßtem Tee.
In Bezug auf mögliche gesundheitsgefährdende Wirkungen von Süßstoffen heißt es in der DDG-Praxisempfehlung, dass der moderate Verzehr von Süßstoffen keine negativen Auswirkungen auf die Glukose- und Insulinregulierung für Menschen mit Typ-2-Diabetes zu haben scheint. Außerdem schädigen sie die Zähne im Vergleich zu Zucker geringer. Mehr noch: Saccharin, Sucralose, Aspartam sowie Stevia haben zusätzlich einen wachstumshindernden Effekt auf Bakterien im Mundraum.
Ob und wie weit Süßstoffe Einfluss auf das Darm-Mikrobiom nehmen, ist derzeit noch nicht vollständig geklärt. Die Aussagen zu möglichen krebsfördernden Wirkungen durch Süßstoffkonsum sind durch zahlreiche Studien entkräftet, vorausgesetzt, die ADI-Werte werden eingehalten. Auch Appetit steigernde Wirkungen von beispielswese mit Süßstoff gesüßten Getränken im Vergleich zu Wasser wurden weder bei gesunden noch bei übergewichtigen Menschen festgestellt.
Bei der Frage, wie in der Praxis mit Zucker, Erythrit, Fruchtzucker, Xylit und künstlichen Süßstoffen umgegangen werden soll, ergibt sich: Die Dosis macht bekanntlich das Gift. Kleine Mengen an Zucker wären möglich, lassen sich jedoch einfach und leicht durch kalorienfreie Alternativen wie Erythrit und Süßstoffe ersetzen. Für alle gilt: je weniger, umso besser. Denn insgesamt ist es sinnvoll, die individuelle Süß-Schwelle so niedrig wie möglich zu halten. Denn wer wenig süßt, gewöhnt sich den süßen Geschmack leichter ab. Auch das Verlangen nach immer mehr süßen Dingen lässt sich dadurch leichter erreichen.
Bei Xylit und Zucker muss die Wirkung auf den Blutzucker, nebst ihrer Kalorienmenge, berücksichtigt werden. Fruchtzucker sollte nur über Lebensmittel wie frische oder tiefgekühlte beziehungsweise Konserven-Früchte ohne Zusätze gegessen werden. Wer dazu insgesamt abwechslungsreich, mit täglich frischem Gemüse und Salat, Früchten statt Süßigkeiten, Hülsenfrüchten, Getreide, Nüssen und Milchprodukten oder zuckerfreien veganen Alternativen isst, betreibt aktive Gesundheitspflege von innen.
Dieser Beitrag ist Teil des Titelthemas der Zeitschrift Diabetes-Journal, Ausgabe 9/2024. Folgende Beiträge sind ebenfalls in der Reihe zum Thema „So halten Essen und Trinken fit“ erschienen:
von Kirsten Metternich von Wolff
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2024; 72 (9) Seite 24-26
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