- Leben mit Diabetes
Als vor 47 Jahren alles begann
3 Minuten
Sehr viel hat sich in den letzten Jahrzehnten bei der Diabetestherapie getan. Typ-1-Diabetikerin Dr. Michaela Hoffmann bekam vor 47 Jahren die Diagnose. Heute ist sie Diabetologin, Endokrinologin und Mutter von zwei erwachsenen Töchtern – und blickt zurück auf die Eckpunkte ihres Lebens mit Diabetes.
Vor 47 Jahren bekam ich als 10-jähriges Mädchen Typ-1-Diabetes. Wie viele auch heute noch hatte ich vor der Diagnose einen längeren Leidensweg hinter mir. Ich litt über Wochen unter vermehrtem Durst, starkem Harndrang und einer bleiernen Müdigkeit. Erst als ich kaum mehr laufen konnte, machte der Hausarzt eine Urinuntersuchung, und die Diagnose Typ-1-Diabetes stand fest.
Die Therapie sah damals ganz anders aus als heute. Ich bekam Insulin Rapitard, ein Mischinsulin aus den Insulinen von Schwein und Rind. Es wurde nur zweimal am Tag gespritzt, in meinem Fall morgens und nachmittags, aus Furcht vor nächtlichen Unterzuckerungen (Hypoglykämien). Dies hatte aber zur Folge, dass am nächsten Morgen die Blutzuckerwerte sehr hoch waren, da die Wirkdauer des Insulins nicht so lang war.
Das Insulin wurde zur damaligen Zeit mit Glasspritzen und Kanülen injiziert, die mehrere Zentimeter lang waren und in einem Gefäß zur Desinfektion “ausgekocht” wurden.
Als Untergewichtige auf Fett achten?
Bezüglich der Ernährung musste ich strenge Regeln einhalten. Die Zahl der Broteinheiten (BE) pro Tag war festgelegt und auf 6 Mahlzeiten am Tag verteilt. Ich musste sie zu bestimmten Zeiten essen. Letzteres fiel mir am schwersten. Auch waren Süßigkeiten mit Zucker zur damaligen Zeit verboten. Den Geschmack vieler Süßigkeiten lernte ich daher erst Jahre später kennen. Es wurde sogar auf den Fettgehalt der Nahrungsmittel geachtet, was selbst mir als Kind merkwürdig vorkam, da ich noch untergewichtig war.
Eine Diabetikerschulung gab es, als ich im Krankenhaus war, nicht. Aber es gab eine Diätberatung, die von einer Diätassistentin übernommen wurde. Diese verfasste einen Diätplan und erklärte ihn mir genau. Das meiste Wissen bekam ich jedoch aus dem Diabetes-Journal, das es 1970 bereits gab.
Als ich nach 8 Wochen aus der Kinderklinik entlassen wurde, hatte mir leider keiner gesagt, dass ich auch nach dem Aufenthalt Insulin spritzen müsste. Umso überraschter war ich, als meine Mutter am Nachmittag des Entlassungstags die Insulinspritze hervorholte. Es konnten damals nur Urinzucker-Selbstkontrollen durchgeführt werden, Blutzucker-Teststreifen gab es erst einige Jahre später.
Alle 4 Wochen ein Tagesprofil
Hypoglykämien waren, wie auch heute noch, sehr gefürchtet, da anfangs eben keine Blutzucker-Selbstkontrollen möglich waren. Aus diesem Grund wurde mein Blutzucker höher “eingestellt”, und zwar um 200 mg/dl (11,1 mmol/l). Die Einstellung ambulant erfolgte anhand eines Tagesprofils, das aus 3 Blutzuckerwerten bestand und alle 4 Wochen beim Arzt angefertigt wurde.
Closed-Loop-System – wie ein Schrank
Eine deutlich verbesserte Diabetestherapie gab es für mich ab 1976. Ich kam in die Endokrinologie der Uni-Klinik Mainz. Hier wurde ich an das “künstliche Pankreas”, auch “Beta-Zelle” genannt, angeschlossen. Dies war nur unter stationären Bedingungen möglich, und man war an das Bett gebunden. Das Gerät diente dazu, den Blutzucker zu normalisieren und die Insulindosis zu bestimmen. Es handelte sich um ein Closed-Loop-System. Dabei wurde kontinuierlich Blut aus der Vene entnommen und dieses über einen Schlauch an die “Beta-Zelle” weitergeleitet.
Dort wurde der Blutzucker fortlaufend durch einen Glukosesensor gemessen. Bei erhöhten Werten wurde die Insulindosis nach einem bestimmten Algorithmus berechnet, und das Insulin wurde über einen Schlauch in die Vene abgegeben. Lagen die Blutzuckerwerte in einem zu niedrigen Bereich, gab das Gerät Glukose in die Vene ab. Dies war ein deutlicher Vorteil gegenüber den tragbaren Insulinpumpen, die den Diabetikern heute zur Verfügung stehen.
Es gab allerdings zwei entscheidende Nachteile: Das Gerät musste von mehreren Fachkräften rund um die Uhr betreut werden und war so groß wie ein Schrank.
Mit Messgeräten die Dosis anpassen
Ich wurde damals auf eine intensivierte Insulintherapie eingestellt. Diese ist aber nicht vergleichbar mit der heutigen intensivierten Therapie. Ich musste mich weiterhin an einen Diätplan halten. Allerdings konnte man die Insulindosis mit Hilfe der Blutzucker-Selbstkontrollen anpassen. Es gab jetzt nämlich Blutzuckermessgeräte für Diabetiker. Mein erstes Gerät war noch recht groß mit einer Länge von 16 cm, einer Breite von 10 cm und einer Tiefe von 4 cm. Aber es war purer Luxus zur damaligen Zeit.
Beruflich in die Diabetologie gegangen
Ich studierte ab 1979 Medizin und erhielt daher sehr früh, nämlich im Jahr 1982, eine tragbare Insulinpumpe zur subkutanen Insulinzufuhr. Diese Pumpe war aber auch noch recht groß. Zumindest behinderte sie mich aber nicht bei meiner Lieblingssportart, dem Reiten. Die Blutzuckereinstellung wurde unter variabler Basalrate der Insulinpumpe besser – und auch der Langzeitwert. Letzteren konnte man ab Ende der 1970er Jahre bestimmen.
Die nächsten Jahre sind schnell erzählt. Ich schrieb meine Doktorarbeit über den Einsatz implantierter Insulinpumpen. Beruflich wurde ich Endokrinologin und Diabetologin. Zwischenzeitlich bin ich Mutter von zwei erwachsenen Töchtern … dies war vor 47 Jahren undenkbar. Dies ist meine Geschichte, die ich so oder so ähnlich mit vielen Kindern mit Typ-1-Diabetes zur damaligen Zeit teile.
von Dr. Michaela Hoffmann
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz,
Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0, Fax: (0 61 31) 9 60 70 90,
E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2017; 66 (12) Seite 38-40
Diabetes-Anker-Newsletter
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Ähnliche Beiträge
- Behandlung
Hinter die Dinge schauen: Kinder-Diabetologin und Coach Dr. Katja Schaaf im Interview
13 Minuten
- Leben mit Diabetes
Insulencerin Nina Joachim: Offen sein und Mut machen
11 Minuten
Diabetes-Anker-Newsletter
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Über uns
Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.
Community-Frage
Mit wem redest du
über deinen Diabetes?
Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.
Werde Teil unserer Community
Community-Feed
-
insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 1 Woche, 6 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
-
moira antwortete vor 1 Woche, 2 Tagen
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
-
-
hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
-
lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 6 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
-
connyhumboldt antwortete vor 1 Woche
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
-


Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig