Conny über ihr Leben mit Diabetes: „Ich habe mich selbst noch mal ganz anders kennengelernt“

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Conny über ihr Leben mit Diabetes: „Ich habe mich selbst noch mal ganz anders kennengelernt“ | Foto: Ramona Stanek/MedTriX
Foto: Ramona Stanek/MedTriX
Conny über ihr Leben mit Diabetes: „Ich habe mich selbst noch mal ganz anders kennengelernt“

Auch wenn die Diagnose des Typ-1-Diabetes für Cornelia Doll ein Schock war, geht die heutige Münchnerin inzwischen sehr offen mit der Krankheit um. Sie hilft anderen über ihren Instagram-Kanal und im Ehrenamt. Was Conny darüber hinaus über ihr Leben mit Diabetes berichtet, erfahrt Ihr in diesem Interview.

Im Interview: Cornelia Doll
Foto: R. Stanek

Offen mit ihrem Typ-1-Diabetes umzugehen, das war gar nicht das Ding von Cornelia Doll. In einer Reha vor wenigen Jahren merkte sie, wie gut der Austausch mit anderen Menschen, die auch mit Diabetes leben, tut. Das war für sie der Startschuss, sich zu öffnen – und auch mal den Sensor zum kontinuierlichen Glukose-Messen (CGM) oder die Insulinpumpe zu zeigen.

Mit „Zuckerschock“ auf Instagram aktiv

Für Conny war die Diagnose im Jahr 2004, als sie zehn Jahre alt war, ein Schock – auch wenn der Typ-1-Diabetes ihrer Mutter und der Typ-2-Diabetes ihrer Großmutter sie bereits durch ihre Kindheit begleitet hatten. „Mir wurde gesagt ‚Du bist zuckerkrank‘“, erinnert sie sich an den Moment in der Klinik, als die Ärzte ihr die Diagnose mitteilten. So startete sie ihren Instagram-Kanal unter dem Namen „Zuckerschock“. „Ich fand das ein schönes Wortspiel, weil der Diabetes für mich so ein Zuckerschock war.“

Über den Tellerrand schauend und im Ehrenamt aktiv

Die 30-Jährige hat ihren Weg gemacht, hat sich freigeschwommen. Beruflich hat sie sich stetig weitergebildet und ist inzwischen im Rathaus in München tätig. Sie liebt das Reisen. „Ich war schon immer gerne unterwegs in der Welt – und da auch ein Dank an meine Mama, weil meiner Mama immer wichtig war, uns die Welt zu zeigen und zu zeigen, was es noch alles gibt, dass man über den Tellerrand schaut.“ Ehrenamtlich engagiert sich Cornelia Doll im Diabetes-Bereich: als Diabetes-Patin bei den Diabetes-Kids und bei der Social-Media-Kampagne #SagEsLaut #SagEsSolidarisch.

Diabetes-Anker (DA): Conny, deine Website und deine Social-Media-Accounts laufen unter dem Namen Zuckerschock. Warum Zuckerschock?

Cornelia Doll: Sehr gute Frage. Für mich war die Diagnose damals irgendwie ein Schock, wie es wahrscheinlich für alle Menschen mit Diabetes ist. Mir wurde gesagt „Du bist zuckerkrank“, nicht „Du hast Diabetes“. Ich fand das ein schönes Wortspiel, weil der Diabetes für mich ein Zuckerschock war.

DA: Also ist es nicht bezogen auf Unterzuckerung, sondern wirklich auf den Schock der Diagnose?

Cornelia Doll: Genau, darauf ist es bezogen und das möchte ich auch gerne mit meinem Account etwas aufarbeiten – für mich selbst, aber auch Leute, die neu diagnostiziert sind und die Diagnose Diabetes hoffentlich nicht mehr als „zuckerkrank“ erhalten. Ich möchte sie begleiten, weil ich weiß, wie schockierend der Zeitpunkt der Diagnose ist.

DA: Du warst zehn Jahre alt, als der Typ 1 Diabetes im Juli 2004 auftrat. Wie kam es zur Diagnose?

Cornelia Doll: Ich habe schon mehr Diabetikerinnen bei mir in der Familie. Meine Oma ist mit Typ 2 vertreten und meine Mama mit Typ 1. Meiner Mama sind damals im Sommer die typischen Anzeichen aufgefallen: sehr viel Durst, immer auf die Toilette müssen, Gewichtsabnahme, Abgeschlagenheit. Ich habe damals Fußball gespielt, sehr aktiv, und ich wollte dann nicht mehr ins Training, war oft müde, brauchte viel Schlaf. Ich habe mich gerne von süßen Sachen ernährt, aber immer weiter abgenommen. Und das hat meine Mama dann Gott sei Dank relativ früh erkannt.

DA: Deine Mutter hatte auch seit Kindheit Typ-1-Diabetes?

Cornelia Doll: Seitdem sie 16 war, hat sie Diabetes, also seit dem Jugendalter.


Gerade als zehnjähriges Mädel, auch in der Pubertät, war es schwierig für mich, anzukommen oder zu verstehen, was jetzt passiert, weil die Werte natürlich extrem schwankend waren und ich immer wieder neue Insuline ausprobieren musste.

DA: Das heißt, du warst gar nicht großartig entgleist dadurch zum Zeitpunkt der Diagnose?

Cornelia Doll: Ich kann mich nicht mehr an den Wert erinnern. Ich konnte aber noch alleine ins Krankenhaus gehen… Meiner Mama war es eigentlich schon klar. Sie hat mich zu Hause im Garten getestet, damals noch mit Fingerpieks und Blut. Ich kannte die Krankheit auch einfach schon durch sie und meine Oma.

DA: Mit zehn Jahren warst du vermutlich gerade im Wechsel von der Grundschule zur weiterführenden Schule, oder? Was bedeutete der Diabetes in diesem Moment für dich?

Cornelia Doll: Ich ging immer gerne in die Schule, nicht, um zu lernen, sondern weil ich mich absolut gern austausche und mit Leuten quatsche. Für mich war deshalb eigentlich das Schlimmste: „Oh Mann, ich bin nicht in der Schule. Und ich komme dann wieder und alle wollen wissen, was ich habe. Dann muss ich das erklären – und ich weiß ja eigentlich gar nicht, wie ich das erklären soll.“

Das waren so die Gedanken. Das hat sich aber sehr schnell zerschlagen, weil mein Papa Uli damals ins Krankenhaus kam, zu mir und meiner Mama, mit meinen Freundinnen und dann durfte ich vorführen, wie man sich spritzt. Das war damals sehr, sehr cool. Und ich habe diese Angst abgebaut, dass ich das Leuten erzählen muss. Und ich habe gemerkt: Oh, ich weiß ja schon was und ich kann was zeigen und ich bin auch in einer gewissen Weise einzigartig, weil das damals niemand in meinem Alter hatte.

DA: Gab es noch andere Gründe, warum du diese Unsicherheit hattest?

Cornelia Doll: Fragen wie zum Beispiel „Darf ich nicht mehr Fußball spielen?“ oder „Wie ändert sich mein Leben jetzt?“ oder „Muss ich mich einschränken, darf ich nichts Süßes mehr essen?“ haben mich damals beschäftigt.

DA: Hattest du zusammen mit deiner Mutter oder deinen Eltern auch eine Schulung direkt zu Beginn des Diabetes? Denn da hättest du ja diese Fragen auch schon mal klären können oder stellen können zumindest.

Cornelia Doll: Ich war im Krankenhaus München-Schwabing damals und ich hatte direkt nach der Diagnose zwei Wochen Aufenthalt in der Klinik, stationär, und habe da direkt auch Schulungen bekommen, und meine Insulin-Therapie begann. Mir wurde eine Therapieform vorgeschlagen, ich habe die angenommen und ja, ich konnte da meine Fragen stellen. Aber was ich auch dazu sagen muss: Diese Fragen „Wie ändert sich mein Leben?“, „Wie gehe ich damit um?“, das gab es damals nicht. Das Thema Mental Health, auch in Bezug auf Diabetes, das war damals kein Thema. „Du hast jetzt Diabetes, du musst das jetzt machen.“

Und dann hinterfragst du es nach einer Zeit auch nicht mehr. Natürlich konnte ich die Fragen stellen und ich wurde auch gut begleitet. Aber die Angst genommen oder dass mir richtig zugehört wurde, würde ich jetzt nicht behaupten. Und gerade als zehnjähriges Mädel, auch in der Pubertät, war es schwierig für mich, anzukommen oder zu verstehen, was jetzt passiert, weil die Werte natürlich extrem schwankend waren und ich immer wieder neue Insuline ausprobieren musste – ja, das war schwierig zu dem Zeitpunkt für mich.

DA: Wie war denn deine Diabetes-Therapie zu Beginn?

Cornelia Doll: Ich habe 18 Jahre lang eine intensivierte Insulintherapie durchgeführt, mit Insulinpen, und ich muss sagen, ich mag die Form auch immer noch sehr gerne. Obwohl ich seit drei Jahren Pumpenträgerin bin, bin ich absoluter Fan von den Pens. Ich habe aber zu Beginn meines Diabetes noch Spritzen benutzt und aus der Ampulle aufgezogen. Ich habe mich noch sehr lange Zeit auch am Finger blutig gemessen.


„Ich bin jetzt sehr glücklich mit meiner jetzigen [Diabetologin] und merke auch, was eine gute Diabetologin oder ein guter Diabetologe für einen Unterschied macht.“

DA: Du hast gesagt, das hast du 18 Jahre lang gemacht, heute benutzt du eine Insulinpumpe. Warum hast du dann den Schritt zur Insulinpumpe gemacht?

Cornelia Doll: Ich wollte immer, bis vor drei Jahren, dass man mir meinen Diabetes nicht ansieht. Ich hatte auch nie das Bedürfnis, den nach außen zu bringen. Wenn mich jemand gefragt hat, habe ich erklärt und beantwortet, total gerne sogar. Vor drei Jahren war ich dann auf Reha in Passau, weil meine Diabetologin meinte, ich könnte mal eine Reha machen, das stünde mir zu.

Und dann habe ich gesagt: „Oh ja, ich war schon lange auf keiner Schulung mehr, das würde ich mitnehmen.“ Und dort habe ich eine Frau getroffen, die auch aus München kommt, und die hatte damals eine Insulinpumpe, eine schlauchlose, und die hat mich inspiriert. Ich habe dann gesagt: „Okay, zeig mir: Wie machst du das? Wie läuft das?“

Ich habe sie dann beobachtet. Ihre Insulinpumpe war mir zu groß und ich habe dann geschaut, was es noch so auf dem Markt gibt. Und dann habe ich meine Diabetologin gewechselt und dann kam die Insulinpumpe zur Sprache und sie sagte zu mir: „Wie, Sie haben noch gar keine Insulinpumpe?“ Spritzen sie noch mit Pen?“ Sie war auch ein bisschen schockiert, glaube ich, dass ich so lange mit Pen gespritzt habe als junge Frau. Aber durch die Inspiration einer anderen Frau kam der Wechsel.

DA: Verstehe. Warum hast du in diesem Zusammenhang auch die Diabetologin gewechselt?

Cornelia Doll: Ich war schon länger unzufrieden mit meiner Diabetologin. Ich war bisher immer nur bei Frauen, ich fühle mich bei Frauen einfach wohler, fühle mich besser aufgehoben und verstanden. Nur bei der hat es einfach nicht funktioniert. Bei diesen Fragen, die einem doch öfter gestellt werden, „Was war vor zwei Monaten an diesem Tag? Warum sind Sie da so hoch ins Bett gegangen?“, da stumpfe ich inzwischen sehr ab.

Ich habe nicht wirklich Tipps erhalten, sondern eher wieder Rückfragen zu meinen Fragen. Und deswegen habe ich gewechselt und bin aber jetzt sehr glücklich mit meiner jetzigen und merke auch, was eine gute Diabetologin oder ein guter Diabetologe für einen Unterschied macht.

DA: Verstehe. Und die Insulinpumpe hast du aber wahrscheinlich auch im Rahmen eines AID-Systems?

Cornelia Doll: Richtig, genau. Ich habe den Closed Loop mit dem FreeStyle Libre 3 und der YpsoPump und dem CamAPS FX.

DA: Wann hast du mit kontinuierlichem Messen angefangen? Das war ja wahrscheinlich aber dann früher, oder?

Cornelia Doll: Das war bald, nachdem der FreeStyle Libre auf den Markt kam, 2016 oder so.

DA: Lass uns noch mal kurz in die Kindheit und Jugend zurückspringen. Du hast eben schon gesagt, du hast mit zehn Jahren begeistert Fußball gespielt. Hattest du noch andere Hobbys?

Cornelia Doll: Ja, ich bin gerne im Winter in den Bergen zum Skifahren und einfach draußen. Wir hatten schon immer Hunde zu Hause und ich bin leidenschaftliche Spaziergängerin und mit Tieren ist es einfach immer schön.


„Ich nehme meinen Diabetes mit, sag ich immer. Er ist ständig an meiner Seite, mein bester Freund oder beste Freundin, aber er entscheidet nicht über mein Leben.“

DA: Hast du auch ein Tier?

Cornelia Doll: Meine Mama hat einen Hund und den darf ich mir ab und zu ausleihen (lacht).

DA: Das heißt, du bist dann die Leihmama?

Cornelia Doll: Genau, so kann man es sagen.

DA: Was machst du heute beruflich?

Cornelia Doll: Ich bin Tarifangestellte bei der Landeshauptstadt München und arbeite im Rathaus.

DA: Was hast du für eine Ausbildung dafür gemacht?

Cornelia Doll: Mein Werdegang ist etwas crazy. Ich habe angefangen als Bankkauffrau, habe eine Ausbildung gemacht bei der IHK, bei der örtlichen Raiffeisenbank und habe dann noch zwei Jahre im Baufinanzierungs- und Firmenkundenbereich gearbeitet. Mit 24 oder 25 habe ich beschlossen, ich will noch weiter hinaus – ich hänge fest, ich brauche was Neues.

Dann habe ich ein duales Studium bei der Landeshauptstadt München begonnen, das nennt sich Public Management mit Schwerpunkt BWL. Dadurch war ich bei der Stadt angekommen und nach drei Jahren Studium wurde ich fest übernommen. Jetzt sind es fast sieben Jahre bei der Stadt.

DA: Du sagtest eben, dein Berufsweg war ein bisschen crazy. Der Diabetes spielte da aber wahrscheinlich nicht mit rein, oder?

Cornelia Doll: In meine Entscheidung, zu wechseln? Nein, tatsächlich nie. Ich nehme meinen Diabetes mit, sag ich immer. Er ist ständig an meiner Seite, mein bester Freund oder beste Freundin, aber er entscheidet nicht über mein Leben. Kleine Entscheidungen wie „Kann ich jetzt Sport machen?“ natürlich schon, da richte ich mich auch ein bisschen nach ihm oder wir stimmen uns ab.

Aber große Entscheidungen, auch bei Urlauben, die treffe ich und ich nehme ihn einfach mit und das hat bisher immer gut funktioniert. Natürlich mit Schwankungen, gerade bei Jobwechseln oder auch ein duales Studium ist extrem anstrengend und hat mich auch gefordert, aber es hat geklappt und ich kann es nur jedem und jeder empfehlen.

DA: Du hast eben schon erwähnt, dass du eben gern unterwegs bist. Du reist sehr gern und viel. Wo warst du überall schon?

Cornelia Doll: Ich war schon gut unterwegs in der Welt – und da auch ein Dank an meine Mama, weil meiner Mama immer wichtig war, uns die Welt zu zeigen und zu zeigen, was es noch alles gibt, dass man über den Tellerrand schaut. Ich war letztes Jahr in Bali, ich war mal in der Karibik, in Amerika, in Asien, das ist ein absoluter Traum für mich, wunderschön. Ja, Italien, europäische Städte abgeklappert…


„Reisen mit Diabetes ist nochmal eine andere Herausforderung.“

DA: Du hast eben gesagt, Asien, schöner Kontinent. Warst du über den gesamten Kontinent unterwegs oder in einem der Länder?

Cornelia Doll: Nein, wir haben diverse Stopps gemacht: Thailand, also Bangkok, Singapur, Ko Samui, diese kleinen Inseln. Wir haben da schon ein paar Inseln abgeklappert und viele wunderschöne Städte.

DA: Du hast eben gesagt, deine Mutter wollte UNS viel zeigen. Hast du Geschwister?

Cornelia Doll: Ja, ich habe eine kleine Schwester. Klein ist sie jetzt auch nicht mehr, aber Caro ist meine kleine Schwester und wir sind zwei Jahre auseinander.

DA: Gab es auf deinen Reisen irgendwelche lustigen Situationen wegen deines Diabetes und vielleicht auch unangenehme oder sogar schreckliche?

Cornelia Doll: Lustige gab es mehrere. Ich hatte ganz am Anfang, als der Sensor frisch auf dem Markt war, diesen natürlich auch am Arm. Ich wurde dann oft angesprochen, teils deutsch, teils englisch, was ich denn da habe. Die lustigsten Anekdoten waren, ob ich Raucherin bin und das mein Entwöhnungs-Sensor ist, ob meine Mama mich trackt, wo ich bin, oder als Verhütungsmittel wurde der tatsächlich auch schon deklariert. Das waren gute Ideen (lacht). Schreckliche Momente hatte ich keine.

Reisen mit Diabetes ist nochmal eine andere Herausforderung. Im letzten Jahr war ich für einen Monat in Bali. Die Mengen an Insulin, an Sensoren, an Kathetern, an was auch immer man alles braucht dabeizuhaben, zu überblicken, ist ein wahnsinniger Aufwand, benötigt viel Organisation. Und das fordert mich schon sehr. Aber ich habe für mich ein gutes System: Ich habe immer eine Liste, ich schreibe alles noch per Hand. Und wenn ich im Ausland bin, schaue ich immer, dass ich einen Kühlschrank finde, wo ich mein Insulin reinlegen kann.

Auch in Bali habe ich immer wieder gecheckt, wie kalt der Kühlschrank ist. Einmal hat jemand gedacht, er erlaubt sich einen Scherz und macht den Kühlschrank ganz kalt, damit die Getränke ganz kalt sind. Ich habe es Gott sei Dank relativ schnell bemerkt, habe ihn hochgeschraubt – also wärmer gestellt – und dann auch einen Zettel hingeklebt: „Achtung, Insulin, Medikamente im Kühlschrank – bitte nicht auf Gefriertemperatur stellen!“ Dadurch konnte ich Schlimmeres verhindern.

DA: Das ist ein guter Hinweis!

Cornelia Doll: Es war eine Gemeinschaftsunterkunft. Es waren da ungefähr 30 Leute, es gab zwei Kühlschränke und jeder konnte da sein Zeug reinlegen. Und dann sagt jemand, er hätte gerne kalte Cola oder Wasser oder hat sich Früchte gekauft am Markt – und ich habe eben mein Insulin darin gebunkert. Es kann natürlich jeder an der Kälte rumschrauben. Aber, ja, das muss man bedenken, wenn man mit mehreren Leuten reist oder gemeinsam Kühlschränke nutzt.

DA: Im Vorfeld denkt man an sowas nicht, vermute ich mal.

Cornelia Doll: Überhaupt nicht.


„Ich bin ein durchgehend positiver Mensch. Ich versuche immer, alles positiv zu sehen, habe aber natürlich auch meine dunklen oder auch schwarze Tage, wo ich sage: Decke über den Kopf und lass mich in Ruhe.“

DA: Wodurch bist du denn so viel offener geworden, was deinen Diabetes angeht?

Cornelia Doll: Als ich die Pumpe bekommen habe oder auch schon ein bisschen davor habe ich einfach gemerkt, wie gut mir dieser Austausch tat mit der Freundin aus der Reha. Wir sind auch heute noch befreundet und treffen uns regelmäßig in München. Das hat mir einfach wahnsinnig geholfen und ich habe gemerkt, wie gut es mir tut, darüber zu sprechen.

Ich muss sagen, ich kann mit meiner Familie auch immer darüber sprechen, sehr offen, und auch motzen. Aber es ist nochmal was anderes – also, mit meiner Mama ist es ja gleich, weil sie auch Diabetikerin ist –, aber auch mit einer gleichaltrigen Person. „Hey, wie machst du das?“ „Sind die Katheter bei dir auch nicht gut?“ Oder: „Tut es bei dir im Bauch auch so weh wie bei mir?“

Eine Freundin hat zu mir gesagt: „Conny, du bist so ein positiver Mensch. Geh doch nach draußen, mach doch einen Instagram-Kanal und erzähl den Leuten einfach, wie du es machst.“ Und ich habe am Anfang keine Bilder von meinem Gesicht gepostet, weil ich immer dachte, ohne Gesicht ist es viel besser. Dann habe ich ein Video gemacht, wo ich rede, und dachte mir, okay, das ist gar nicht so schlimm, das mache ich jetzt einfach. Das baut sich so richtig schön auf, es gibt so wunderschönes Feedback und man lernt so viele unterschiedliche Leute kennen.

Mir wurden zwar die unterschiedlichen Pumpensysteme vorgestellt, aber ich habe sie nie so gut kennengelernt wie, wenn ich jetzt einen Freund oder eine Freundin aus der Community frage und sage: „Hey, wie läuft denn das mit der Kaleido?“ oder „Wie läuft die t-slim? Kannst du mir die mal zeigen?“ Das ist was ganz anderes. Das ist so viel wert.

DA: Du beschreibst dich heute auch als Sonnenschein. Warum?

Cornelia Doll: Ich habe eigentlich immer gute Laune, natürlich wenn die Sonne scheint am allermeisten oder wenn ich draußen sein kann. Aber ich bin ein durchgehend positiver Mensch. Ich versuche immer, alles positiv zu sehen, habe aber natürlich auch meine dunklen oder auch schwarze Tage, wo ich sage: Decke über den Kopf und lass mich in Ruhe. Aber ich bin positiv und das würde ich so gerne mehr Leuten mitgeben. Auch mit dieser Krankheit geht es ja eigentlich erst richtig los.

DA: Was heißt, geht es erst richtig los?

Cornelia Doll: Ich muss sagen, durch den Diabetes habe ich erstens ganz viele tolle neue Leute kennengelernt – und ich habe mich selbst noch mal ganz anders kennengelernt als davor. Klar, mit 10, das war gerade am Anfang, aber jetzt inzwischen, wenn ich von Anfang 20 bis jetzt, ich bin Anfang 30, überlege, was ich alles dazugelernt habe, wie stark ich geworden bin, das, glaube ich, hängt auch mit meinem Diabetes zusammen, weil ich einfach auch selbstsicherer werde.

Es gibt viele Sprüche, die man bekommt, oder Menschen, die dir Ratschläge geben wollen, oder Tipps, wie du es besser machen kannst. Es ist bestimmt alles nett und gut gemeint, aber ich weiß auch ganz klar, meine Grenzen zu setzen. Ich sage: „Nein, ich will das nicht hören.“ Ich bin stark geworden, selbstbewusst und genieße es auch, über meinen Diabetes zu sprechen. Das hätte ich früher nie gemacht.

DA: Du bist inzwischen auch Lautsprecherin bei der Social Media Kampagne #SagEsLaut #SagEsSolidarisch. Wie kam es dazu?

Cornelia Doll: Ja, wie kam es dazu? Ich glaube, ja, meine Mama und Oma hatten beide schon über Jahre das Diabetes-Journal abonniert. Gelesen habe ich es aber ehrlich gesagt nie. Dann habe ich es mir auch mal angeschaut und sagte: „Oh, da sind ja auch Rezepte drin und sogar mega gut mit Kohlenhydrat-Angaben. Boah, dann muss ich das nicht selbst ausrechnen.“

Und dann stand da: „Unterstützen Sie die Deutsche Diabetes-Hilfe.“ Da dachte ich mir: „Oh krass, da ist ja noch mehr. Es gibt ja schon ein Netzwerk.“ Und dann habe ich mich ein bisschen eingelesen und gegoogelt und bei Instagram Leute entdeckt, die das machen. Ich habe gedacht: „Oh, cool, wow!“ Und ich habe mich öfter gefragt, was macht ein Ehrenamt aus oder welches Ehrenamt würde zu mir passen? Wie will ich mich engagieren, aktiv sein?

Und das war genau das Richtige für mich. Da kann ich was bewegen, das ist mein Herzensthema, weil es mich selbst betrifft, und ich kann noch was verändern. Ich habe mich beworben und es kam die Antwort: „Ja, wir freuen uns.“


„Ich erwähne auch selten meinen Diabetes-Typ, weil es für mich irrelevant ist, welchen Typ jemand hat. Wir haben alle Diabetes und das ist für mich das, was zählt.“

DA: Was machst du im Rahmen der Kampagne?

Cornelia Doll: Ich poste regelmäßig mit, ich mache Reels zu den Aktionen, die es gibt. Daneben bin ich noch Diabetes-Patin, habe mich also noch für ein Ehrenamt bei Diabetes-Kids gemeldet, um Leute, die in meiner Nähe wohnen, zu unterstützen, ihnen zu helfen, zu zeigen, du kannst es schaffen. Die Diagnose Diabetes ist kein Ende, sondern ich unterstütze dich, ich helfe dir.

In München gibt es eine Community, da plane ich im Sommer oder jetzt im Frühjahr einen Diabetes-Spaziergang, um sich mit Leuten auszutauschen, gerade auf dem Land, wo ich herkomme. Ich will versuchen, dass es auch auf dem Dorf ankommt. Ich wohne zwar direkt in München, mein Freund wohnt aber auf dem Dorf. Deswegen bin ich halbe Münchnerin, würde ich sagen.

DA: Was ist dir wichtig, wenn du mit anderen Menschen mit Diabetes über die Erkrankung sprichst?

Cornelia Doll: Wenn ich mit anderen mit Diabetes spreche, ist mir wichtig, dass man keine direkten Tipps gibt. Ich erwähne auch selten meinen Diabetes-Typ, weil es für mich irrelevant ist, welchen Typ jemand hat. Wir haben alle Diabetes und das ist für mich das, was zählt. Ein einfacher offener Austausch, also nichts beschönigen, auch einfach mal sagen: „Oh, Leute, zur Zeit läuft es bei mir schlecht.“ Wenn meine Werte mal nicht so laufen, möchte ich auch diese Seiten beleuchten, auch wenn ich positiv bin. Das ist mir auch im Gespräch wichtig zu sagen, dass nicht alles immer rosa schön und Sonnenschein ist.

DA: Und wenn du mit Menschen ohne Diabetes sprichst, was ist dir dann wichtig?

Cornelia Doll: Ich schaue natürlich, wie die andere Person auftritt. Ist es wirklich das Interesse der Person mir und der Krankheit Diabetes gegenüber oder möchte die Person nur ihre Informationen, die sie irgendwo erhalten hat, bei mir abladen und mich nur zuschwallen? Wenn die Person wirklich Interesse hat, erkläre ich gerne, bin offen. Ich zeige auch, wie die Pumpe aussieht, wie der Katheter. Ich sage aber auch: „Du, pass auf, ich regle mein Diabetes-Management mit meiner Diabetologin und das funktioniert super“, und verabschiede mich dann aber auch ganz gerne einfach.

DA: Wenn du einen Wunsch frei hättest in Hinblick auf deinen Diabetes oder den eben Menschen mit Diabetes, was würdest du dir wünschen?

Cornelia Doll: Ich denke, natürlich wäre eine funktionierende Bauchspeicheldrüse wunderbar. Aber sonst, klar, dass ich wieder gesund bin, dass alle Menschen den gleichen Zugang bekommen zu Hilfsmitteln wie Insulinpumpen, Sensoren, Teststreifen, Lanzetten, Insulin an sich, auch egal, welcher Diabetes-Typ, Typ 1, 2, 3.

DA: Herzlichen Dank, Conny!


Interview: Dr. Katrin Kraatz

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