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Mehrere Monate verreisen – das war Karen Dinkhoffs Traum. Auf ihre dreimonatige Südostasien-Rucksackreise mit Diabetes im Gepäck hat sie sich gut vorbereitet. Hier schildert sie ihren Reise-Countdown – und packt viele gute Tipps aus.
2010 packte mich das Backpacker-Fieber – seit meiner Reise nach Vietnam kann ich mir keinen Urlaub ohne Rucksack mehr vorstellen. Doch die dreiwöchigen Aufenthalte in fremden Ländern wurden mir von Mal zu Mal zu wenig. Ich hatte Fernweh und wollte für eine längere Zeit die Welt sehen.
Der Traum von einem halben Jahr Freiheit, von fremden Kulturen und Abenteuern wurde immer größer, gleichzeitig aber auch die Bedenken, wie ich für eine so lange Zeit meine Diabetestherapie gestalten sollte: Sollte ich das Insulin, die Teststreifen und die Kanülen für ein halbes Jahr mitnehmen – oder vor Ort beziehen?
Beide Lösungen gefielen mir nicht 100-prozentig: Beim Backpacking würde das Diabeteszubehör für ein halbes Jahr zu viel Platz im Rucksack wegnehmen. Fraglich auch, ob das Insulin so lange in den sehr warmen Reisezielen überstehen würde. Bei der zweiten Option, alles vor Ort zu beziehen, hätte ich die Materialien selbst zahlen müssen, da die Auslandskrankenkasse sie nicht erstattet. “Kalkulierbares Risiko – Diabetes ist wie ein brennendes Haus, das würde auch niemand versichern”, hieß es auf meine Anfrage.
Nach langem Überlegen kam ich zu dem Entschluss, dass es erst einmal nur ein Vierteljahr werden würde. So konnte ich meinen Traum ohne große Extrakosten verwirklichen und neben Insulin und Hilfsmitteln auch noch Sommerkleider sowie kurze Hosen im Rucksack verstauen.
Der Plan war also gefasst, nur: Wie würde mein Arbeitgeber auf die Forderung nach einem Sabbatical reagieren? Würde ich weiterhin krankenversichert bleiben oder müsste ich dies selbst zahlen?
In einem persönlichen Gespräch mit meiner Chefin sprach ich meinen Wunsch aus. Gemeinsam überlegten wir, wie wir die Auszeit verwirklichen könnten, und fanden einen Weg: Ich wurde halb freigestellt und musste die andere Hälfte der Zeit mit meinem Jahresurlaub bestreiten. Dadurch blieb ich weiterhin sozial- und krankenversichert. Eine Auslandskrankenversicherung musste ich dennoch abschließen, damit ich bei allen vom Diabetes unabhängigen Erkrankungen ärztliche Hilfe bekommen würde.
Nachdem auch der Zeitpunkt der Reise mit meinem Arbeitgeber abgestimmt war, überlegte ich mir das Reiseziel und entschied mich für Südostasien. Das Wetter ist dort zwischen November und Februar perfekt. Da ich alleine reisen wollte, war es mir außerdem sehr wichtig, dass die Länder nicht allzu schwer zu erschließen sind und ich als Frau keine Probleme bekommen würde. Neben Thailand und Bali wollte ich auf jeden Fall noch Laos, Kambodscha und die Insel Lombok sehen.
Im Reisebüro besprach ich meine Vorstellungen sowie die Route und buchte die Flüge. Der Hinflug ging nach Bangkok, der Rückflug ab Singapur. Vor Ort wollte ich mich am liebsten mit Bus und Bahn fortbewegen oder kurzfristig einen Inlandsflug buchen. Da man in allen Ländern an den Grenzübergängen ein zeitweiliges Visum bekommt, fiel weiterer Vorbereitungsaufwand weg, weil ich vorab keine Botschaft besuchen musste.
Ein weiterer wichtiger Punkt auf meiner Vorbereitungsliste war ein Besuch beim Tropenmediziner, um die nötigen Impfungen zu besprechen. Es lohnt sich, einen Spezialisten aufzusuchen, denn der weiß genau, in welcher Region welche Gefahren lauern, und man bekommt keine unnötigen Impfungen. Da für einige Impfungen drei Spritzen nötig sind, sollte man sich rechtzeitig informieren – mindestens drei Monate vor Abreise.
Durch meine Vietnamreise hatte ich die meisten Krankheiten bereits abgedeckt, so dass ich nur eine Auffrischung der Tollwutimpfung sowie die Impfung gegen japanische Enzephalitis benötigte. Vor einer Impfung sollte man prüfen, ob die Krankenkasse die Kosten übernimmt – falls nicht, lohnt sich ein Wechsel, und man kann bis zu 500 Euro sparen. Achtung, die Kündigungsfrist beträgt zwei Monate zum Monatsende! Glücklicherweise kann keine Krankenkasse einen chronisch Kranken abweisen.
Nächste Seite: Für drei Monate zurück zur Pentherapie, der finale Check kurz vor der Abreise und ein Diabetes-Packplan.
Neben dem Besuch beim Tropenmediziner stand natürlich auch eine Visite beim Diabetologen und der Diabetesberaterin an.
Für mich war klar, dass ich in den drei Monaten wieder auf den Pen umsteigen würde, da das Insulinpumpenzubehör mit Kathetern und Reservoirs noch mehr Platz im Rucksack wegnehmen würde. Mit meiner Diabetesberaterin berechnete ich anhand meiner Basalrate und meiner täglichen Insulindosis unter der Insulinpumpentherapie die erforderliche Menge an Langzeitinsulin, die ich morgens und abends spritzen würde.
Die Basalrate bei der Pentherapie ist etwa die Hälfte der Tagesgesamtmenge bei Insulinpumpentherapie (meine Tagesgesamtmenge unter CSII: 44 Einheiten; Basalmenge unter ICT also 22 Einheiten, elf morgens und elf abends).
Ebenso planten wir die benötigten Mengen von Bolusinsulin, Blutzuckerteststreifen, Kanülen sowie Lanzetten. Neben meinem normalen Blutzuckermesssystem nahm ich ein weiteres Gerät mit – für den Fall, dass eins kaputtgehen sollte. Die engmaschige Kontrolle des Blutzuckers ist gerade in der Anfangszeit der “neuen” Therapie wichtig. Hinzu kommen die unbekannte Ernährung und Bewegung sowie die Hitze, die den Blutzucker ganz schön aus der Bahn werfen können.
Jetzt wurde es langsam ernst. Der Abflug rückte immer näher, und ich hatte ständig das Gefühl, etwas vergessen zu haben. Auf meiner To-do- Liste stand noch der Anruf bei der Kundenhotline, um den ausländischen Namen meines Insulins in Erfahrung zu bringen. So hatte ich einen Plan B, wenn mein Insulin doch abhandenkommen würde – was mit eine meiner größten Befürchtungen war. Außerdem informierte ich mich über die deutschen Botschaften in den Ländern, die ich bereisen wollte.
Meine Eltern brachten mich abends bepackt mit meinen Rucksäcken zum Flieger, der mich über Dubai nach Bangkok fliegen sollte. Mein Insulin, die Teststreifen und die Blutzuckermesssysteme waren wegen der Temperatur im Gepäckraum des Fliegers in meinem Handgepäck verstaut. Kanülen, Spritzen und Lanzetten hatte ich in meinem großen Backpack, den ich nervös am Schalter abgab. Sollte ich die kleine Weltreise wirklich antreten? Ganz alleine?
Als ich meine Eltern das letzte Mal drückte, hatte ich weiche Knie. Die Vorfreude auf die unbekannten Kulturen, die wunderschöne Natur und das große Abenteuer überwog aber. Und da ich meinen Diabetes auch während meiner anderen Fernreisen gut im Griff hatte, machte ich mir darüber auch keine Sorgen. Ich konnte die große, weite Welt quasi riechen, als ich mich ein letztes Mal zu meinen Eltern umdrehte und die Sicherheitskontrolle passierte. Südostasien, ich komme!
Mit diesem Bericht möchte ich andere Menschen mit Diabetes ermutigen, ihren Traum zu leben. Denn auch mit dem kleinen Handicap Diabetes kann man, wenn man ein paar Regeln berücksichtigt und sich gut vorbereitet, das erleben, was man möchte. Auch ich musste erfahren, dass es teilweise sehr mühsam und zeitaufwendig ist, eine längere Reise vorzubereiten, denn man muss sich viele Informationen selbst zusammensuchen.
Um anderen die Verwirklichung ihres Reisetraums etwas zu erleichtern, werde ich meine Erlebnisse in den nächsten drei Monaten sammeln und aufschreiben und meine “Leidensgenossen” in einer der nächsten Ausgaben daran teilhaben lassen.
Nach Möglichkeit beantworte ich Fragen während meiner Reise. Schickt sie gern an: zuckermaedchen. auf.reisen@googlemail.com
von Karen Dinkhoff
Kontakt:
Kirchheim-Verlag, Kaiserstra0e 41, 55116 Mainz, Tel.: (06131) 9 60 70 0,
Fax: (06131) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2013; 62 (1) Seite 44-46
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