Gemeinsam geht es leichter

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Gemeinsam geht es leichter

Diabetes hat einen Einfluss auf das Zusammenleben mit dem Partner, der Familie, Freunden oder auch Arbeitskollegen. Daher ist es sinnvoll, gemeinsam zu überlegen, wie ein guter gemeinsamer Umgang mit dem Diabetes aussehen kann, um sich gegenseitig so zu unterstützen, dass es für beide Seiten passt.

Im Alltag kann ein Unterstützen durch andere Menschen häufig eine große Hilfe sein: etwa, wenn Ihr Partner oder Arbeitskollege Sie auf erste Anzeichen einer Unterzuckerung aufmerksam macht. Oder auch, wenn er konkret bei Unter- oder Überzuckerungen mit Rat und Tat zur Seite steht und Ihnen aus der Patsche hilft. Aber auch, über den Diabetes und mögliche Belastungen zu sprechen, kann hilfreich sein. Denn die Erkrankung kann nicht nur für Menschen mit Diabetes eine Belastung und Grund für Sorgen sein, sondern auch für Angehörige.

Den Diabetes in das Leben integrieren

Diabetes ist ein nicht ganz unwichtiger Teil Ihres Lebens und betrifft auch Ihre Partnerschaft, die Familie und auch Ihren Freundeskreis. Umso wichtiger ist es, offen mit der Erkrankung umzugehen und den Partner oder die Partnerin, Angehörige und Freunde über den Diabetes zu informieren und ihn nicht vor anderen zu verstecken. Natürlich sind vor allem Sie für die Behandlung Ihres Diabetes verantwortlich, jedoch gelingt Ihnen dies mit der Hilfe von nahestehenden Personen viel leichter. Eine Diabetes-Selbsthilfegruppe hat dies mit dem Slogan “Nur du alleine schaffst es, aber alleine schaffst du es nicht” gut auf den Punkt gebracht. Offensichtlich gelingt es Menschen in einer Partnerschaft leichter, mit Belastungen und Stress zurechtzukommen. Somit entspricht das Sprichwort “Geteiltes Leid ist halbes Leid” durchaus der Erfahrung vieler Menschen mit Diabetes und deren Angehörigen – eine Erfahrung, die Hilde (66 Jahre, Typ-2-Diabetes) teilt: “Mein Mann und ich sind ein eingespieltes Team – auch bei Diabetes. Wir essen meist zusammen und fahren leidenschaftlich Fahrrad und wandern gerne. Es ist ein gutes Gefühl, zu wissen, dass er auch ein wenig auf mich aufpasst und ich mir auch bei einer Unterzuckerung keine großen Sorgen machen muss. Mein Ansporn für gute HbA1c-Werte ist, dass wir beide zusammen möglichst gesund alt werden und noch lange unser gemeinsames Leben genießen können. Meine Beziehung gibt mir auf der einen Seite Halt und Sicherheit, motiviert mich aber auch in Hinblick auf meine Diabetes-Behandlung.”

Andere über den Diabetes informieren

Wen Sie über Ihre Erkrankung informieren, bleibt natürlich Ihnen selbst überlassen. Die Erfahrung vieler Menschen mit Diabetes zeigt jedoch, dass es die Behandlung des Diabetes erleichtert, wenn Personen, die Ihnen nahestehen oder mit denen Sie häufiger zusammen sind, über Ihren Diabetes Bescheid wissen. Sie können dann beispielsweise viel leichter Ihre Glukosewerte kontrollieren oder Insulin spritzen, wenn es erforderlich ist, und nicht erst dann, wenn Sie allein sind. Auch bei Unterzuckerungen ist es hilfreich, wenn andere Ihren Zustand sofort erkennen und Hilfe leisten können.

Wenn Sie selbstbewusst mit Ihrem Diabetes umgehen, werden Sie sicher auch die Erfahrung machen, dass die meisten anderen Menschen ebenfalls recht selbstverständlich mit Ihrer Erkrankung umgehen. Peter (32 Jahre, Typ-1-Diabetes) musste bei dem Bericht über den Tennisprofi Alexander Zverev, der erst kürzlich mit 25 Jahren öffentlich gemacht hatte, an Typ-1-Diabetes erkrankt zu sein, an seine eigene Geschichte denken. Auch er hatte lange Zeit wegen dummer Kommentare und Hänseleien seiner Freunde seinen Typ-1-Diabetes verschwiegen. “Im Nachhinein betrachtet war das sicher ein großer Fehler, da ich in dieser Zeit oft zu hohe Glukosewerte hatte, die mir jetzt mit leichten ersten Folgeerkrankungen zu schaffen machen. Und meine Einstellung zu meinem Diabetes war sehr negativ geprägt. Nachdem ich nach einem stationären Aufenthalt beschlossen hatte, dies zu ändern, hatte ich eigentlich noch nie wirklich schlechte Erfahrungen durch Reaktionen anderer gemacht. Im Gegenteil – ich war oft überrascht, wie toll andere, oft auch wildfremde, Personen, reagieren, wenn ich in der Öffentlichkeit meine Insulinpumpe bediene oder mein Sensor piepst.”

Über Belastungen sprechen

Der Umgang mit dem Diabetes ist nicht immer einfach. Der tägliche Kampf um gute Glukosewerte kostet Kraft. Unter- oder Überzuckerungen, die Bedrohung durch Folgeerkrankungen oder das Leben mit Beeinträchtigungen können zudem als belastend erlebt werden. Darum ist es gut, wenn Partner bzw. Partnerin oder enge Vertraute da sind – zum Zuhören, Reden oder zur tatkräftigen Unterstützung. Sich auf den Partner oder andere vertraute Personen verlassen zu können, gibt ein gutes Gefühl, vor allem in schwierigen Situationen, etwa bei einer Unterzuckerung oder beim Eintreten von Folgeerkrankungen des Diabetes. “Meine Freundin Mia, mit der ich seit 5 Jahren zusammenlebe, ist mein großer Halt. Mit ihr kann ich darüber sprechen, dass ich oft mit dem Diabetes nicht so gut klarkomme und mich meine Werte oft richtig fertigmachen. Sie ermutigt mich auch, trotz schlechter Glukosewerte immer wieder zu meiner Diabetologin zu gehen, die viel Verständnis für mich hat und mich immer wieder aufbaut. Ohne Mia und meine Diabetologin wäre ich richtig lost”, meint Jenny (29 Jahre, Typ-1-Diabetes) und ergänzt: “Mit anderen über meinen Diabetes zu reden, habe ich erst lernen müssen. Das war mir früher immer sehr unangenehm und habe ich nach Möglichkeit vermieden – das war ein No-Go.”

Auf der anderen Seite stellt der Diabetes auch eine Belastung für den Partner bzw. die Partnerin oder andere in der Familie dar. Nicht selten bestimmt der Diabetes den Tagesrhythmus, die Essenszeiten oder auch die Auswahl des Essens. Auch die Sorge um Unterzuckerungen oder mögliche Folgeerkrankungen betrifft die Angehörigen oft im selben Ausmaß wie Sie selbst. Es ist daher sinnvoll, sich mit den Angehörigen darüber auszutauschen, wie sie den Diabetes erleben und wie Sie sich gegenseitig bestmöglich unterstützen können.

Richtiges Maß der Unterstützung finden

Es ist gar nicht so einfach, die richtige Form und vor allem auch das richtige Ausmaß an Unterstützung durch Partner, Angehörige oder Freunde zu finden. Denn zwischen “gut gemeint” und “gut gemacht” gibt es große Unterschiede. Wenn die Unterstützung zwar gut gemeint ist, aber nicht richtig passt, kann sie sogar als “lästig” empfunden werden: etwa, wenn der Partner eine übertriebene Fürsorge an den Tag legt, sich übermäßig häufig nach den Glukosewerten erkundigt, ständig Ratschläge beim Essen gibt oder sich übertriebene Sorgen über Unterzuckerungen oder Folgeerkrankungen macht. Dann kann es schnell passieren, dass die Unterstützung als Bevormundung erlebt wird. Auf der anderen Seite können Frustrationen und Stress in der Beziehung entstehen, wenn sich der Partner zu wenig für den Diabetes und die Insulintherapie interessiert. Vor allem, wenn ein Partner nichts vom Diabetes wissen will und darauf wenig Rücksicht nimmt, kann es passieren, dass man sich schnell alleingelassen fühlt. Gerade bei einer Unterzuckerung ist es wichtig, das Gefühl zu haben, sich auf jemanden verlassen zu können und sicher zu sein, dass der andere weiß, wie er Ihnen helfen kann.

Einen gemeinsamen Weg finden

In der internationalen DAWN2-Studie (siehe Abbildung links) wurden Menschen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes und die Angehörigen gefragt, wie zufrieden sie mit der Unterstützung in Bezug auf den Diabetes seien. Der überwiegende Anteil der Menschen mit Diabetes der deutschen Stichprobe gab an, durchaus zufrieden zu sein. Interessant ist jedoch, dass bei den Menschen mit Typ-1-Diabetes mehr der Meinung waren, “zu viel Unterstützung” vom Partner zu bekommen, als der Anteil derer, die sich über “zu wenig Unterstützung” beklagten. Sind zu große Sorgen des Partners oder Bevormunden der Grund dafür? Auch die Mehrzahl der Familienangehörigen war der Meinung, die Unterstützung des Partners wäre okay – allerdings könnte diese ihrer Meinung nach durchaus etwas mehr sein.

Der Diabetes ist ein gemeinsames Lebensthema in der Partnerschaft. Daher ist es sinnvoll, in Gesprächen Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin zu sagen, in welchen Bereichen und in welcher Form Sie sich Unterstützung von ihm oder ihr wünschen. Fragen Sie Ihren Partner oder eine andere wichtige Person auch, was ihn in Hinblick auf den Diabetes belastet und welche Unterstützung er sich von Ihnen erhofft. Ebenso sollte Ihr Partner klarstellen, wie er Sie unterstützen kann und will und wo seine Grenzen liegen. Vielleicht weiß Ihr Partner aber auch einfach zu wenig über den Diabetes und macht sich deshalb viele Sorgen? “In intensiven Gesprächen mit meinem Partner wurde uns beiden klar, dass meine Erkrankung in der Beziehung schon eine sehr zentrale Rolle spielt. Mir war vorher gar nicht bewusst, wie dominant ich den Tagesablauf bestimme, und auch nicht, wie viele Sorgen mein Partner sich um mich wegen meines Diabetes macht. Gut, dass wir darüber mehrfach intensiv gesprochen haben: Das tut uns beiden gut”, meint Regina (56 Jahre, Typ-2-Diabetes).

Nehmen Sie sich doch einfach einmal Zeit, sich mit Ihrem Partner bzw. Ihrer Partnerin oder anderen Ihnen nahestehenden Personen intensiver darüber auszutauschen, welche gegenseitigen Erwartungen, Wünsche oder Frustrationen es in puncto Diabetes bei Ihnen gibt.

Diabetes gemeinsam meistern
  • Über den Diabetes und mögliche Belastungen zu sprechen, kann hilfreich sein.
  • Die Behandlung des Diabetes ist leichter, wenn nahestehende Personen über Ihren Diabetes Bescheid wissen.
  • Finden Sie gemeinsam das richtige Ausmaß an Unterstützung.
  • Tauschen Sie sich mit nahestehenden Personen darüber aus, welche Erwartungen, Wünsche oder Frustrationen es in puncto Diabetes bei Ihnen gibt.


Autor:
© zukunftsboard digitalisierung/Ludwig Niethammer
Prof. Dr. Bernhard Kulzer

Diabetes Zentrum Mergentheim
Forschungsinstitut Diabetes-Akademie Bad Mergentheim (FIDAM)
Johann-Hammer-Straße 24
97980 Bad Mergentheim

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (10) Seite 16-20

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