- Leben mit Diabetes
Vorurteile überwinden: Aufklären über Typ-2-Diabetes
4 Minuten
Caro ist eine junge Frau, die mit Typ-2-Diabetes lebt. Immer wieder reagieren Menschen ungläubig auf diese Tatsache: „Typ-2-Diabetes? So was kriegen doch nur alte Menschen!“ Auch Schuldzuweisungen gehören zum Alltag. Ihren Blog und Instagram-Kanal nutzt sie, um über Diabetes Typ 2 aufzuklären. Wie es ihrer Meinung nach gelingen kann, negative Bewertungen aufgrund des Diabetes zu überwinden, erzählt sie im Interview.
Im Interview: Caro R.
Mit 27 Jahren wurde bei Caro ein Typ-2-Diabetes diagnostiziert. In der Diabetes-Anker-Kolumne „Hin und zurück – bis ans Ende der Dia-Welt“ hat sie über ihre außergewöhnliche Reise als junge Frau mit Diabetes geschrieben. Wer mehr über Caro erfahren möchte, kann ihren Weg auf ihrer Kolumne und ihrem Instagram-Kanal begleiten. Hier liest man mehr zu Stereotypen, Schuld und Scham, aber auch zu anderen Aspekten des täglichen Lebens mit Diabetes, wie z. B. Vorsorge-Untersuchungen, Stress-Management, Urlaub und Beziehungen.

Diabetes-Anker (DA): Du setzt dich für Aufklärung beim Thema Diabetes ein und kämpfst gegen Stigmatisierung. Weshalb ist dir das Thema wichtig?
Caro: Mir wurde mit 27 Jahren Typ-2-Diabetes diagnostiziert. Viele in der Gesellschaft denken, dass nur ältere Menschen Typ-2-Diabetes bekommen. Allein, dass ich dieses Alters-Stereotyp nicht erfülle, irritiert viele. Gleichzeitig bringe ich ein paar Kilos mehr auf die Waage, als die Norm vorgibt. Das wiederum passt vielen gut in das Bild, was sie vom Diabetes Typ 2 haben: Sie hat zu viel Süßes gegessen, sie ernährt sich schlecht, und sie macht keinen Sport. Ich erlebe immer wieder, dass mich andere Menschen ungefragt bewerten und mich verurteilen.
Stigmatisierende Kommentare sind immer verletzend. Deswegen möchte ich helfen, über Diabetes aufzuklären. Auch wenn über 8 Millionen in Deutschland mit Diabetes leben, wissen die wenigsten Menschen bis zu ihrer Diagnose etwas über die Erkrankung. Diese Unwissenheit über den Diabetes führt dazu, dass Betroffene immer wieder verletzt werden.
DA: Welche Vorstellungen vom Typ-2-Diabetes herrschen in der Gesellschaft?
Caro: Menschen mit Diabetes werden allein anhand ihres Aussehens in Schubladen gesteckt, vor allem im Vergleich mit Menschen mit Typ-1-Diabetes. In der Vorstellung vieler sind sie jung, schlank und sportlich. Bei Typ-2-Diabetes ist das Stereotyp schlechthin eine ältere, übergewichtige Person, die den ganzen Tag auf der Couch sitzt und Fast Food in sich hineinstopft. Typ-1-Diabetes gilt als der „schwere“ Diabetes, bei dem man jeden Tag um sein Leben kämpft, Typ-2-Diabetes hingegen als eine Folge schlechter Lebensgewohnheiten, die man hätte verhindern können.
DA: In welchen Situationen erlebst du negative Bewertungen aufgrund deines Typ-2-Diabetes?
Caro: Leider häufig in Situationen, in denen ich medizinische Hilfe benötige. Beim Arzt spricht man natürlich ausführlich über Vorerkrankungen. Ich habe schon erlebt, dass Mediziner mir nicht glauben wollten, dass ich einen Typ-2-Diabetes habe. Aber auch aus dem privaten Umfeld kommt regelmäßig diese Nachfrage. Viele wissen nicht, dass Typ-2-Diabetes immer häufiger auch junge Menschen betrifft. Die Unwissenheit kommt meist daher, dass die Menschen keine Berührungspunkte mit dem Diabetes haben und viele einfach unüberlegt wiedergeben, was sie irgendwo mal aufgeschnappt haben.
DA: Welche Rolle spielt Schuld beim Typ-2-Diabetes?
Caro: Bei der Diagnose dachte auch ich, dass Diabetes nur Ältere betrifft. Dementsprechend habe ich mich gefragt, was ich falsch gemacht habe, und wie es so weit kommen konnte, dass ich mit 27 Jahren so eine Krankheit bekomme. Ich habe mir viele Vorwürfe gemacht und mit mir gerungen, weil ich nicht wusste, wie komplex die Ursachen für den Typ-2-Diabetes wirklich sind.
Beim Diabetes Typ 2 wird einem oft von Außen durch die Blume vermittelt, dass man an der Erkrankung selbst schuld sei. Beispielsweise durch Blicke, die einen von oben nach unten mustern und auf die der Hinweis folgt, dass man mit Ernährung und Sport ja viel machen könne. Beides sind wichtige Bestandteile des Diabetes-Managements, aber es fließen so viel mehr Faktoren ein, die man selbst nicht immer gut beeinflussen kann, zum Beispiel Stress, Hormone oder Schlaf. Trotzdem wird einem suggeriert, dass man immer noch mehr schaffen kann, wenn man nur wirklich will.
Und im Umkehrschluss: Wenn es mal nicht gut läuft, will man bloß nicht genug. Was weiß man schon darüber, wie viel Kraft und Mühe eine Person in ihr Diabetes-Management steckt? Gerade in Social Media sehen wir immer nur Momentaufnahmen.
DA: Wieso gibt es in der Community so wenige Typ-2-Stimmen, die sich öffentlich äußern?
Caro: Typ-2-Diabetes hat einen schlechten Ruf in der Gesellschaft. Viele schämen sich für die Diagnose, weil sie mit so vielen Stigmata in Bezug auf Gewicht, Ernährung und Lebensstil verbunden ist. Typ-2-Diabetes ist kein Thema, mit dem man sich gerne schmückt. Es fehlen auch positive, öffentliche Identifikationsfiguren. Obwohl so viele Menschen mit Typ-2-Diabetes leben, ist die Community noch sehr klein. Da können wir uns vom Zusammenhalt der Typ-1-Community noch einiges abschauen und wachsen, damit wir am Ende des Tages auch alle zu unserem Typ-2-Diabetes stehen können.
DA: Was wünschst du dir von Menschen, die keinen Diabetes haben oder nicht mit chronischen Erkrankungen leben?
Caro: Ich weiß, dass die Menschen einem eigentlich nichts Böses wollen und glaube, es wäre der falsche Weg, nur den Einzelnen zur Verantwortung zu ziehen. Es braucht viel mehr Aufklärung, Bildung und mehr Präsenz des Diabetes in der Öffentlichkeit. Nur wenn das gegeben ist, können Menschen lernen, wie ein dem Kontext angemessener und respektvoller Umgang aussieht. Es gibt andere chronische Erkrankungen, bei denen viele bereits wissen, dass der Umgang und die Gespräche mit den Betroffenen eine besondere Sensibilität erfordern. Da haben sich Dos und Don‘ts etabliert, eine Art Knigge.
Die größte Herausforderung bleibt es, die Aufklärungsarbeit aus der Blase, in der sie bisher stattfindet, herauszubekommen und in die große Öffentlichkeit zu tragen. Ich verstehe zwar, wenn Menschen Scheu davor haben, andere über ihre Erkrankungen auszufragen. Aber der Weg, um Vorurteile abzubauen, ist, Fragen zu stellen. Daher sollte niemand Angst davor haben. Fragen zu stellen, zeigt doch, dass man Interesse am anderen hat, dass man andere und ihre Erkrankung wirklich verstehen möchte. Das ist das, was sich Betroffene wünschen. Ich kann dann jederzeit sagen, wenn eine Frage unangenehm oder unangemessen ist. Das ist immer noch besser, als Klischees unreflektiert weiterzutragen, die am Ende dazu führen, dass Betroffene verletzt und diskriminiert werden.
Schwerpunkt „Stigma Diabetes?“
- Vorurteile und Stigmatisierung: Diskriminiert wegen Diabetes
- Positionspapier #LanguageMatters: Auf die Sprache kommt es an
- Leicht und einfach: verständliche Informationen für alle
- Vorurteile überwinden: Aufklären über Typ-2-Diabetes
Interview: Verena Schweitzer
Erschienen in: Diabetes-Joiurnal, 2024; 73 (3) Seite 30-31
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 5 Tagen, 2 Stunden
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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mayhe antwortete vor 5 Tagen, 1 Stunde
Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
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sveastine antwortete vor 4 Tagen, 7 Stunden
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
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mayhe antwortete vor 4 Tagen, 2 Stunden
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike
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stephanie-haack postete ein Update vor 6 Tagen
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 5 Tagen, 23 Stunden
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 2 Wochen, 6 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 1 Tag
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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