- Leben mit Diabetes
„Jaja: Diabetes – und dann Süßigkeiten!“
4 Minuten
Eine USA-Reise ist für einen Menschen mit Diabetes natürlich genauso möglich wie für einen Stoffwechselgesunden – erfordert allerdings etwas mehr Planung und Logistik. Timo Becker (27, Typ-1-Diabetes) berichtet von den Erfahrungen seiner fast dreiwöchigen USA-Reise im Mai 2019.
Ich heiße Timo Becker, bin 26 Jahre alt und habe seit 11 Jahren einen Typ-1-Diabetes. Derzeit führe ich noch eine intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT) mit NovoRapid und Toujeo durch. Nun: Vor einer Einreise in die USA müssen Reisende einen „ESTA-Antrag“ (Electronic System for Travel Authorization) stellen, eine Art Sicherheitsüberprüfung: Hierin wird nach vielen Dingen gefragt, auch nach speziellen Erkrankungen und „körperlichen Gebrechen“.

Ich hatte mich dazu entschieden, meinen Diabetes nicht zu erwähnen, weil ich den Diabetes nicht als „körperliches Gebrechen“ ansehe und es nicht für nötig hielt. Der Antrag wurde problemlos genehmigt, letzten Endes hatte nie wieder jemand danach gefragt.
Kurz vor der Reise stand das Kofferpacken an. Neben den üblichen Sachen musste ich mir auch Gedanken darum machen, welche Dinge ich benötige, um drei Wochen meinen Diabetes zu managen. Ich kann nur empfehlen, wirklich genug einzupacken, ganz nach dem Motto „besser haben als brauchen“!
Die Packliste
Meine Packliste: Insuline, Kanülen, Insulinpens und Ersatz, Gewebezuckersensoren, Empfangsgerät für Glukosewerte, Alkoholtücher, Blutzuckermessgerät, Teststreifen, Hypoglykämie-Notfallkit, Ketonteststreifen, Flugbescheinigung (medizinisches Attest für das Diabeteszubehör), Notfallausweis, schnelle Kohlenhydrate (z. B. Traubenzucker, Weingummi), Kühlmöglichkeiten für das Insulin (dazu später mehr). Die meisten dieser Dinge verstaute ich im Handgepäck, weil sie so wichtig sind und man nicht genau weiß, ob der Koffer wirklich an seinem Ziel ankommt.
Bei der Sicherheitskontrolle vorheriger Flüge interessierte sich nie jemand für den an meinem Körper klebenden Sensor. Diesmal war es anders: Im Ganzkörperscan fiel dem Sicherheitsbeamten mein Dexcom-G6-Sensor auf, welchen ich am Oberschenkel trug. Er tastete zielstrebig danach und rüttelte daran. Ich erklärte ihm, es sei ein Glukosesensor für Diabetiker – aber ich glaube, er konnte nicht viel damit anfangen. Ich musste danach zu einer genaueren Sicherheitskontrolle mit Abstrichen auf Sprengstoff usw.
Bei der Durchsuchung meines Rucksacks fand der Beamte meine „Hypo-Weingummis“, worauf prompt der Spruch kam: „Jaja: Diabetes – und dann Süßigkeiten!“ Ich nahm es mit Humor und war kurz darauf auch entlassen.
Die Zeitverschiebung war kein großes Problem
Ich hatte einen Direktflug von Düsseldorf nach New York. Er dauerte acht Stunden und die Zeitverschiebung beträgt sechs Stunden nach hinten, d. h. wir starteten um 18 Uhr deutscher Ortszeit und kamen an um 20 Uhr.
Die Zeitverschiebung muss man natürlich bei der Gabe des Basalinsulins berücksichtigen. Normalerweise spritze ich das Basalinsulin um 22 Uhr. Ich machte es mir in dem Fall ganz einfach und spritzte das Basalinsulin um 22 Uhr New Yorker Ortszeit. Das ist vielleicht nicht optimal, weil rein theoretisch eine Versorgungslücke entsteht – aber mit den extrem langwirkenden Insulinanaloga, welche uns heutzutage zur Verfügung stehen, ist es wirklich unproblematisch.
Außerdem ist ein langer Flug immer eine Sondersituation. Und durch eine gewisse Anspannung und Aufregung sind bei mir sowieso alle Regeln außer Kraft gesetzt, d. h. schwankende Glukosewerte müssen mit kurzwirksamem Insulin ausgeglichen werden. Dank kontinuierlicher Messung in Echtzeit („rtCGM-System“) hatte ich meine Stoffwechsellage immer im Blick und konnte früh genug aktiv werden. Somit war die Zeitverschiebung mein kleinstes Problem.
Problem Frühstück
Größere Schwierigkeiten hatte ich mit dem Frühstück in den USA. Viele Amerikaner frühstücken so: Waffeln mit Sirup, Bagels mit Marmelade, Oatmeal (Haferschleim) mit Obst. Das Brot war größtenteils weißes Brot.
Als ich mein süßes Frühstück vor mir hatte, war mir klar, dass ich eine Menge Insulin dafür brauchen würde – ohne zu wissen, dass wir an dem Tag New York hauptsächlich zu Fuß erkunden würden. So kam es, dass ich mich den ganzen Vormittag von Kiosk zu Kiosk hangelte, um mir Cola und Co. zu kaufen – um meinen Glukosewerte hochzuhalten.
Keine Unterzuckerung auf dem Highway
In Florida herrschte zeitweise tropisches Klima mit Temperaturen bis zu 38 °C. Den Insulinvorrat dabei kühl genug zu halten, war nicht immer einfach. In den Hotels waren zwar immer Kühlschränke, aber bei der Reise von Hotel zu Hotel wurde es zeitweise sehr warm im Auto – wenn wir Zwischenstopps machten und die Klimaanlage nicht lief.
Eine Thermoskanne, die groß genug für meine SoloStar-Pens ist, habe ich nicht – also lagerte ich das komplette Insulin in einer Kühltasche, in die ich zusätzlich mehrere gekühlte Wasserflaschen legte. Unterwegs und am Strand kühlte ich meinen Pen auf die gleiche Art, kombiniert mit einer Frio-Tasche.
Eine Kühltasche, zusätzlich mit gekühlten Wasserflaschen, hilft enorm … gerade bei längeren Stopps ohne Klimaanlage.
An den schönen Stränden Floridas wurde ausgiebig geschwommen, getaucht und Kajak gefahren. Dabei hatte ich immer Sorge, meinen Sensor und vor allem den Transmitter zu verlieren. Trotz des Salzwassers und teils starken Schwitzens klebte der Dexcom G6 aber bombenfest auch ohne Overpatch, also ohne zusätzliche Befestigung!
Froh, die Reise gemacht zu haben
Abschließend kann ich sagen, dass im Großen und Ganzen alles gut gelaufen ist und ich froh bin, diese Reise gemacht zu haben. Natürlich waren meine Werte oftmals nicht im Zielbereich, aber das muss man auf solch einer Reise einfach hinnehmen.
Die bei der Reise gemachten Erfahrungen haben meine Überzeugung bestätigt: Mit den heute zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten stehen mir – auch mit meinem Diabetes – fast alle Möglichkeiten offen.
von Timo Becker
Diätassistent und Diabetesberater DDG
E-Mail: timo.becker@st-agnes-bocholt.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2020; 69 (6) Seite 36-38
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche, 3 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 5 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 1 Tag
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 1 Woche, 4 Tagen
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 6 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 2 Wochen, 1 Tag
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 1 Woche, 2 Tagen
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig