Wer Fabian Brüggemann kennenlernt, trifft auf einen selbstbewussten Mann, der ganz selbstverständlich mit seinem Diabetes lebt. Gedanken macht er sich trotzdem darüber. Ein Interview mit einem, der bemerkenswert offen mit diesem Teil seines Lebens umgeht.
Gute Balance zwischen Leben und Arbeiten
Ein helles Büro mit Schreibtischen, Computern, Telefonen – der Arbeitsplatz von Fabian Brüggemann. An einer Wand steht ein Sofa, daneben der Tischkicker für ein Spiel zwischendurch: Eine gute Balance zwischen Leben und Arbeiten ist Fabian Brüggemann wichtig.
Das ist mit ein Grund, warum er nicht mehr in einer Unternehmensberatung arbeitet, sondern hier an der Uni Köln hilft, ein Campus Management System einzuführen; hiermit können z. B. Studenten sich für eine Klausur anmelden und Dozenten Noten eingeben. Was ist sonst noch wichtig in Fabian Brüggemanns Leben?
Diabetes fast vergessen
Er ist sportlich, reist gern, mag Hunde. Dass er Typ-1-Diabetes hat, vergisst er manchmal fast. Die Krankheit begleitet ihn seit 20 Jahren, seit er 11 Jahre alt ist. Eingestellt wurde er in Bad Oeynhausen, seine Mutter kam mit in die Klinik. “Es hat sich aber ziemlich schnell ergeben, dass ich das alles selbst machen konnte”, erzählt er.
Zu Schulzeiten hatte er einen festen Tagesablauf – optimal für die damals übliche Therapie. Inzwischen ist mit seinem Leben auch seine Therapie flexibler geworden: Er spritzt Levemir und Humalog und kommt gut damit zurecht.
Kosten und Fixkosten
“Wenn man Kosten und Fixkosten trennt, kann man viel besser planen” – hier spricht der Wirtschaftsinformatiker Brüggemann, und er vergleicht diese betriebswirtschaftliche Erkenntnis mit den Vorteilen, die ihm die Behandlung mit analogem Basal- und Mahlzeiteninsulin bringt.
Einen Monat nach Indien reisen, Couchsurfing in Russland und im Baltikum, Auslandssemester, die häufigen Buffets in der Unternehmensberatung – ohne die neuen Insuline hätte er das alles nicht machen können, sagt er.
Keine Geheimniskrämerei
Auf dem Schreibtisch liegt das Blutzuckermessgerät. Ja, Fabian Brüggemanns Kollegen wissen von Anfang an Bescheid über seinen Diabetes. In seinem Beruf als Angestellter sei das auch kein Problem: “Ich kann aber auch Menschen verstehen, die es lieber im Hintergrund halten wollen. Aber ich fände das einfach zu anstrengend.” Schlechte Erfahrungen hat Fabian Brüggemann noch nicht gemacht, im Gegenteil: “Diabetes wird teilweise als Plus gesehen, weil man ja damit beweist, dass man selbstverantwortlich ist und damit umgehen kann.”
Und er hat noch etwas Interessantes beobachtet: Diabetes eignet sich gut als Smalltalk-Thema: “Man wird darauf angesprochen und hat sofort etwas, worüber man sprechen kann.” Allerdings kann er es nicht leiden, wenn Leute meinen, alles besser zu wissen als er – und ihm ungefragt Ratschläge geben.
Die Diabetes-Philosophie
Die letzte Schulung liegt drei Jahre zurück, viel Neues hat er dort nicht gelernt. “Ich will mir nicht anmaßen, dass ich alles weiß, aber mich interessiert eher, wie man mit dem Diabetes umgeht, welche Einstellung man dazu hat. Das Konkrete, Praktische findet man jeden Tag aufs Neue selbst heraus. Die Menschen sind auch einfach zu verschieden, um generalisierte Tipps zu geben. Mein Stoffwechsel ist sicher anders als der von einem Mädchen mit 45 Kilo.”
Mit dem Diabetologen will er deshalb auch ein bisschen philosophieren können über den Diabetes – und sein Arzt sollte sich mit Sport auskennen: Wann genau sollte er die Sport-BE essen? Wie wirkt sich der Sport auf Dauer auf seine Werte aus? Ist es besser, mit guten Werten zu Hause zu bleiben – oder sollte man sich doch noch einmal zum Sport aufraffen?
Antwort auf brennende Frage
Und dann gibt es noch eine Frage, die er schon vielen Ärzten gestellt hat: Wenn er beim Schwimmen mitten auf dem See eine Unterzuckerung hat – soll er dann möglichst schnell ans Ufer schwimmen oder besser langsam? Zumindest darauf hat er kürzlich eine Antwort bekommen: So schnell schwimmen wie möglich, sagte ihm Dr. Renner aus München. Durch die Adrenalinausschüttung gehe der Blutzucker nicht weiter runter.
Coach und Experte
Fabian Brüggemann hat auch eine Ausbildung zum systemischenCoach gemacht. Bei dieser Art der Beratung betrachtet der Coach zusammen mit seinem Klienten, welche Position er in einem System einnimmt, z. B. in seinem Arbeitsumfeld.
Die Lösungen für Probleme trägt der Klient dabei schon in sich, er ist der Experte. Hier schließt sich der Kreis unseres Gesprächs, denn Fabian Brüggemann hat die Haltung Der Patient ist der Experte längs verinnerlicht.
von Nicole Finkenauer-Ganz
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2013; 62 (2) Seite 48-49