Mit Diabetes auf dem Rücksitz

2 Minuten

Mit Diabetes auf dem Rücksitz

Da sie in Berlin sowieso nicht mehr viel mit dem Auto gefahren ist, hatte Tine nach ihrer Diabetesdiagnose großen Respekt davor, sich wieder selbst hinters Steuer zu setzen. In ihrer Kolumne berichtet sie, wie sie sich diese Angst mittlerweile nehmen konnte und nun gerne hin und wieder im Mietwagen unterwegs ist.

Als ich 2008 meine Führerscheinprüfung abgelegt habe, war ich noch viele, viele Jahre von der Diabetesdiagnose entfernt. Damals wohnte ich in einer Kleinstadt und es war dort unfassbar praktisch, ein Auto fahren zu können. Inzwischen lebe ich seit über einem Jahrzehnt in Berlin, einer riesigen Großstadt mit breit ausgebautem öffentlichem Verkehrsmittel-Netz.

Bis vor Kurzem konnte ich tatsächlich an zwei Händen abzählen, wie häufig ich seit meinem Umzug selbst Auto gefahren bin. Das lag an vielen Gründen. Zum einen sind Berlins Straßen voll, man steht hier einfach immer im Stau und man findet nur schwer Parkplätze. Außerdem brauche ich persönlich im Alltag normalerweise kein Auto, ich komme eigentlich überall ganz gut mit Bus, U-Bahn, S-Bahn, Tram oder mit dem Rad hin.

Ein weiterer Grund für mich ist der Umwelt­aspekt: Wenn ich nicht unbedingt ein Auto brauche, muss ich auch keins fahren. Das tut der Luft und der Umwelt gut und schont noch dazu meinen Geldbeutel. Zu guter Letzt ist mein Respekt gegenüber dieser Tätigkeit mit den Jahren immer größer geworden, und spätestens seit meiner Diabetesdiagnose fühlte es sich eben doch an, als müsse ich das Autofahren nochmal neu erlernen, nämlich mit Diabetes auf dem Rücksitz.

Das bedeutet vor allem: regelmäßig die Augen beim Arzt checken lassen, immer den Blutzucker im Blick haben, das Körpergefühl gut kennen und einschätzen können, ob ich gerade ein Fahrzeug führen kann oder eben nicht. Und dann: Traubenzucker, Cola, Saft im Auto immer griffbereit haben, alle Alarme auf höchster Lautstärke, vor Fahrtantritt einen genauen Blick auf den Wert werfen und zwischendurch, wenn nötig, zum Kontrollieren rechts ranfahren. Ich hatte viele Jahre Angst davor, da bin ich ganz ehrlich. Wie sonst auch überall sitzt man mit Diabetes immer an zwei Steuern gleichzeitig: an dem Körpersteuer und dem Autosteuer.

Dann kam dieser Sommer. Es sollte ein paar Tage in den Spreewald gehen und die Bahn streikte. Einzige Alternative: Ich setze mich jetzt ans Steuer. Entweder so oder nie, und in diesen Pandemiezeiten wollte und konnte ich nicht auf meine paar Tage Mini-Urlaub und Durchatmen verzichten. Gesagt, getan! Los ging der kleine Road-Trip. Es hat enorm Spaß gemacht, wieder auf vier Rädern unterwegs zu sein, und zu meiner Überraschung war es leichter als gedacht und hat sich schnell wieder gewohnt angefühlt. Seitdem fahre ich ab und zu mal Auto, hier in Berlin kann man sich zum Glück auch leicht eins mieten. Und wieder einmal habe ich mir selbst vor etwas die Angst genommen. Kleine Schritte …

Eure Tine

Martina „Tine“ Trommer lebt seit Jahren in der Hauptstadt, bloggt seit ihrer Diabetesdiagnose 2013 unter icaneateverything.com sowie auf der Blood Sugar Lounge und schreibt regelmäßig in ihrer Diabetes-Journal-Kolumne „diabetes and the city“ über ihr Leben mit Diabetes in Berlin.

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2021; 70 (12) Seite 42

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Ähnliche Beiträge

Genussvolle Ostern mit Diabetes: Tipps für eine gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung

Ostern steht vor der Tür und damit auch reichhaltige Familienessen und viele süße Versuchungen. Mit bewusster Ernährung und ausreichend Bewegung lassen sich die Feiertage auch mit Diabetes gesund gestalten – ohne Verzicht, aber mit viel Genuss und Lebensfreude. Dazu hat die Organisation diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe viele hilfreiche Tipps zusammengestellt.
Genussvolle Ostern mit Diabetes: Tipps für eine gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung | Foto: Pixel-Shot – stock.adobe.com

3 Minuten

Ernährung bei Diabetes: Welches Verhalten ist normal – wann liegt eine Ess-Störung vor?

Nach der Diagnose eines Diabetes spielen die Themen Ess-Verhalten, Gewicht und Bewegung im Alltag von Betroffenen oft eine große Rolle. Bisherige Routinen bei der Ernährung müssen überdacht und eventuell verändert werden. Was bewegt sich dabei in einem normalen und angemessenen Rahmen, wann könnte eine Ess-Störung dahinterstecken? Dipl.-Psych. Susanne Baulig klärt auf!
Ernährung bei Diabetes: Welches Verhalten ist normal und wann liegt eine Ess-Störung vor? | Foto: Denis Novikov - GettyImages

4 Minuten

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Community-Frage

Mit wem redest du über deinen Diabetes?

Die Antworten auf die Community-Frage werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Bitte achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Push-Benachrichtigungen

notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert
notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert