Nach Diagnose zum Lockdown: Cynthia schätzt nun auch die „reale“ Diabetes-Community

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Nach Diagnose zum Lockdown: Cynthia schätzt nun auch die „reale“ Diabetes-Community | Foto: Ramona Stanek/MedTriX
Foto: Ramona Stanek/MedTriX
Nach Diagnose zum Lockdown: Cynthia schätzt nun auch die „reale“ Diabetes-Community

Eine Woche bevor der Corona-Lockdown begann, bekam Cynthia Engbi die Diagnose Typ-1-Diabetes. Als IT-Projektleiterin in der Finanzbranche fiel es ihr immerhin nicht schwer, sich zunächst übers Internet viel Diabetes-Wissen anzueignen. Sie kommt aber auch immer mehr in der „realen“ Community an und weiß die Vorteile zu schätzen.

Im Interview berichtet Cynthia zudem u.a. auch, was sie sich von der Pharma- und Diabetes-Technologie-Industrie wünscht, über die Reaktionen ihres Umfelds auf ihren Diabetes und wieso sie sich mehr allgemeines Verständnis für chronische Krankheiten wünscht.

© R. Stanek/MedTriX
Cynthia Engbi: Fokus auf die Menschen mit Diabetes

Gerade, als im März 2020 der Lockdown wegen der Corona-Pandemie begann, erfuhr die damals 24-Jährige Cynthia Engbi von ihrem Typ-1-Diabetes. Eine normale Schulung war dadurch schwierig. Ihr Glück war, dass in ihrer Studentinnen-Clique eine Kommilitonin war, die als Zehnjährige Typ-1-Diabetes bekommen hatte. „Aber mir ist dann aufgefallen, dass sie eigentlich ihren Diabetes (…) nicht so krass recherchiert hat wie ich dann. Sie hat am Ende durch mich mehr gelernt, weil ich ja voll drin war im Thema“, erzählt Cynthia Engbi lachend.

In der Diabetes-Praxis war ihr auch der Tipp gegeben worden, sich einer Facebook-Gruppe anzuschließen, wo sie virtuell viele Menschen mit Typ-1-Diabetes treffen konnte. „Dadurch hatte ich immer sowas wie einen Newsticker: Irgendwer hat was gefragt, andere haben geantwortet. Und auch, wenn es vielleicht nicht mein Problem war, habe ich in dem Moment trotzdem was dadurch gelernt.“ Und so erschloss sich ihr nach und nach die Diabetes-Community, die sie immer mehr auch mit realen Treffen erweitert.

Und was wünscht sie sich? Dass die Industrie beim Entwickeln der Diabetes-Produkte den Fokus auf die Menschen mit Diabetes setzt. Und, dass Einschränkungen durch den Typ-1-Diabetes akzeptiert werden und er nicht so oft schöngeredet wird.

DA: Cynthia, Du hast Typ-1-Diabetes. Seit wann?

Cynthia Engbi: Seit März 2020, zumindest hatte ich da die Diagnose bekommen.

DA: Weißt du den genauen Tag oder weißt du nur: Es war im März?

Cynthia Engbi: Das war der 11. März.

DA: Warum kannst du dich so genau an diesen einen Tag erinnern?

Cynthia Engbi: Ich kann mich allgemein an Daten erinnern. Ich werde mich, glaube ich, auch immer daran erinnern, wann die Launchparty vom Diabetes-Anker war. Was Zahlen angeht, weiß ich immer alles.

DA: Das ist faszinierend. Das hat nichts damit zu tun, dass irgendwas besonderer war als etwas anderes, sondern du merkst dir einfach solche Sachen?

Cynthia Engbi: Ja, ich kann eigentlich immer alles ganz gut zuordnen, was ich wo wann in welchem Jahr in welchem Monat gemacht habe.

DA: Hatte das auch Auswirkungen auf deine Berufswahl, dass du dir Zahlen so gut merken kannst?

Cynthia Engbi: Nein, an sich nicht.

DA: An sich nicht, okay. Gut, wir kommen nachher noch mal zum Beruf. Lass uns erst noch mal beim Diabetes bleiben. Also, 11. März 2020: Wo hast du von dem Diabetes erfahren und was begann dann für dich?

Cynthia Engbi: Das war, als ich noch in Hamburg gewohnt habe. Ich war einen Tag vorher beim Arzt, weil ich eine Blasenentzündung hatte. Und dann sollte ich noch mal Urin abgeben, ob alles passte. Und dann hieß es: Die Bakterien sind weg, aber ich habe Zucker im Urin. So kam ich drauf und habe gesagt: „Mir geht es gerade irgendwie nicht so gut. Können Sie nicht mal testen?“ Dann war ich auf der Arbeit und bekam einen Anruf: Ich sollte einen Test machen, wie wenn man Schwangerschaftsdiabetes diagnostizieren möchte. Und dann hieß es: „Sie haben starken Diabetes. Bitte gehen Sie ins Krankenhaus oder zum Notdienst.“


„2020 war ja Corona-Beginn in Deutschland, es war die Woche vor dem Lockdown. Und alle medizinischen Einrichtungen wollten einfach mit niemandem zu tun haben, wenn es nicht schlimm ist.“

DA: Hat man dir gesagt, wie die Werte waren?

Cynthia Engbi: Ja, ich habe eine E-Mail bekommen. Ich hatte, glaube ich, einen Wert von 635 mg/dl (35,3 mmol/l) oder so. Aber ich hatte ja auch für den Test diesen zuckerhaltigen Saft getrunken. Das Doofe war: 2020 war ja Corona-Beginn in Deutschland, es war die Woche vor dem Lockdown. Und alle medizinischen Einrichtungen wollten einfach mit niemandem zu tun haben, wenn es nicht schlimm ist. Und da man einem einen Diabetes nicht ansieht, dachten die halt: „Was will die denn jetzt hier?“ Das war richtig doof.

Es war genau in der Zeit, wo die Läden dann auch leer gekauft worden sind. Mir wurde dann beim Notdienst noch mal Blut abgenommen und dann hieß es halt: „Ja, tut uns leid, wie geht es Ihnen? Sie haben echt Diabetes und Sie müssen jetzt aber zum Diabetologen.“ Dann bin ich halt da hin. Da hieß es erst mal: „Du darfst dies und das und jenes nicht mehr essen.“ Und dann gehe ich in den Supermarkt und der war halt leer…

DA: Das heißt, du hast erst mal nur eine Ernährungsberatung bekommen, aber kein Insulin?

Cynthia Engbi: Doch, ich habe Insulin bekommen. Mir wurde gesagt, ich soll erst mal immer 8 Einheiten spritzen, wenn ich esse. Und dann wurde mir gesagt: Zucker ist ganz schlimm … Und lieber mehr Proteine als Kohlenhydrate essen und sowas wurde mir dann erklärt. Dann musste ich jeden Tag zum Diabetologen, weil dort die Ernährungsberaterin war. Sie hat mir die Basics erklärt. Ein paar Mal war ich da und dann war ich auf mich allein gestellt.

DA: Das heißt, du hast wegen Corona keine Schulung bekommen und musstest dann einfach sehen, wie du klarkommst?

Cynthia Engbi: Genau.

DA: Hat man dir Material mitgegeben?

Cynthia Engbi: Alles ging eher in Richtung Ernährung. Ich hatte nur Broschüren, die eher für Menschen mit Typ-2-Diabetes als mit Typ-1-Diabetes waren, weil es immer nur in Richtung Ernährung ging und weniger darüber, wie Insulin wirkt oder so. Das war dort nicht das Thema, sondern eher, wie sich verschiedene Lebensmittel auf den Blutzucker auswirken.

DA: Wie war dir denn mit dieser ich nenne es mal Halbinformation zumute? Hast du dich auf die Suche nach weiteren Informationen gemacht?

Cynthia Engbi: In meiner Uni-Clique gab es eine Freundin, die Diabetes hatte. Wir sind sechs Mädels und eine hatte das schon, seitdem sie zehn war. Das heißt, als wir alle 18 waren und uns kennengelernt haben, hatte sie es schon. Ich hatte auch schon vorher mit ihr gesprochen, weil ich schon gemerkt hatte, irgendwas stimmt nicht. Deswegen hatte ich jemanden, mit dem ich sprechen konnte. Aber mir ist dann aufgefallen, dass sie eigentlich ihren Diabetes, auch weil sie das als Kind bekommen hat, glaube ich, nicht so krass recherchiert hat wie ich dann. Sie hat am Ende durch mich mehr gelernt, weil ich ja voll drin war im Thema. Ich hatte ja nichts zu tun: Es war Corona, ich war zu Hause, ich arbeitete noch nicht Vollzeit, ich war nur Werkstudentin, die Uni hatte zu und ich hatte alle Zeit der Welt, mich damit auseinanderzusetzen und zu lesen.


„Es bringt nichts, sich irgendwie zwanghaft anders zu ernähren. Das sind ja meistens so die Mythen.“

DA: Das ist spannend. Du hast dann vor allem Internetquellen genutzt?

Cynthia Engbi: Genau, und auf Facebook ganz viel tatsächlich. Mir sagte die Diabetologin damals, ich soll in die Facebook Gruppe eintreten. Da könne man auch Fragen stellen. Dann bin ich da rein, habe mir immer durchgelesen, was die anderen posten. Dadurch hatte ich immer sowas wie einen Newsticker: Irgendwer hat was gefragt, andere haben geantwortet. Und auch, wenn es vielleicht nicht mein Problem war, habe ich in dem Moment trotzdem was dadurch gelernt.

DA: Du warst ja noch recht unerfahren, naturgemäß. Wie hast du entschieden, was du als richtige Information nutzen kannst und was völliger Quatsch ist?

Cynthia Engbi: Ich sag mal so: Ich bin ja nicht auf den Kopf gefallen und ich verstehe auch biologische oder chemische Prozesse, die im Körper ablaufen, weil ich auch darin immer ganz fit war, in Bio und so. Deswegen habe ich für mich schnell logische Schlüsse gezogen oder habe ein Muster erkannt und dann für mich schon gemerkt: Okay, das ergibt jetzt Sinn oder das ergibt jetzt gar keinen Sinn. Und was ich für mich ganz schnell verstanden habe, war: Irgendeine Heilung gibt es nicht. Es bringt nichts, sich irgendwie zwanghaft anders zu ernähren. Das sind ja meistens so die Mythen. Oder die Leute, die einem da was eintrichtern wollen wie: „Probier mal Zimt“ oder so. Oder dass Leute einem Lebensmittel schenken, die den Blutzucker senken sollen. Aber wenn man kein Insulin hat, kann da auch nichts gesenkt werden. Sowas habe ich dann schon für mich verstanden.

DA: Verstehe. Du hast eben schon von Mathe gesprochen oder Zahlen, von Bio und Chemie. Was machst du denn beruflich?

Cynthia Engbi: Ich bin IT-Projektleiterin in der Finanzbranche. Ich habe im Bachelor BWL studiert mit Schwerpunkt Wirtschaftsingenieurwesen und Wirtschaftsinformatik und schreibe gerade meine Masterarbeit in Wirtschaftsinformatik. Ich bin ein bisschen quer eingestiegen dadurch, dass ich erst mal BWL studiert habe, und Wirtschaftsinformatik ist ja eher ein Schnittstellenstudium. Da kann man ein bisschen selbst entscheiden, ob man mehr in Richtung IT oder mehr in Richtung Management, IT-Management, BWL geht. Und dann habe ich natürlich Kurse genommen, die nicht gerade krass technisch waren, und dann geht es auch. Man muss halt lernen, zu abstrahieren, dass man nicht alles bis in die Tiefe versteht oder in der Tiefe alles verstehen muss, aber trotzdem schon versteht: Was wird jetzt benötigt? Macht es das jetzt logisch sinnvoll, es so und so umzusetzen? Das ist dann schon die Kunst, dabei nicht alles zu wissen, aber genug, um doch ordentliche Entscheidungen zu treffen.

DA: Verstehe. Du sagst, du bist bei deiner Masterarbeit, die Werkstudentin hast du auch gerade schon erwähnt. Bist du jetzt schon „richtig“ berufstätig?

Cynthia Engbi: Ich bin schon seit längerem Schein-frei, hatte dann aber durch dieses ganze Corona-Drama und das Diabetesbekommen eine Phase, wo ich dachte: Ich reise jetzt noch eine Weile. Und als es dann wieder ging mit dem Reisen, bin ich gereist und habe mich dann irgendwann entschieden, dass ich anfangen will zu arbeiten und die Masterarbeit, die mache ich nebenbei. Und so habe ich mich 2022 auf eine Stelle als IT-Trainee beworben und bin dann nach dem Trainee vor ungefähr einem Jahr als IT-Projektleiterin eingestiegen.

DA: In Hamburg noch oder woanders?

Cynthia Engbi: Nein, in Frankfurt. Zwei Jahre nach der Diagnose bin ich nach Frankfurt gezogen, zum Berufsbeginn.

DA: Als du dich um die Stelle beworben hast, hat der Diabetes da eine Rolle gespielt?

Cynthia Engbi: Nein, gar nicht.


„Ich habe relativ lange an den Pens festgehalten, weil ich dachte, mich mit einer Pumpe irgendwie einzuschränken.“

DA: Hast du ihn erwähnt oder hast du ihn verschwiegen?

Cynthia Engbi: Ich habe ihn nicht erwähnt, aber auch nicht verschwiegen. Das war kein Thema, weil ich ja nicht körperlich hart arbeiten muss. Es kam einfach nicht zur Sprache. Wenn das ein Thema gewesen wäre, hätte ich es gesagt, aber das war es halt nicht.

DA: Du bist jetzt seit gut zwei Jahren in dem Job. Wie war das, als deine Arbeitskollegen dann von deinem Diabetes erfuhren? Wie waren die Reaktionen?

Cynthia Engbi: Ganz unterschiedlich. Ich war ja erstmal Trainee. Das heißt, ich musste alle sechs Wochen, teilweise alle zwei Wochen oder jede Woche, je nachdem, wie lange die Station war, ein Jahr lang jedem erzählen, dass ich Diabetes habe, – das war richtig nervig. Teilweise war das dann halt: „Oh, meine Oma hat auch Diabetes, aber ich weiß nicht, ob das Typ 1 oder Typ 2 ist.“ Oder: „Das ist ja richtig schlimm. Wie geht es dir denn damit und und wie machst du das?“ Ich hatte immer einen Gruppenleiter aus dem Bereich und dann immer Lunch-Dates oder Kaffeetermine und da gab es auch einen, der mir fast umgekippt ist, als ich mich gespritzt habe, weil der eine Nadelphobie hatte. Das war richtig unangenehm.

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Aber an sich hatte ich keine krass negativen Erfahrungen. Frankfurt ist ja bekannt fürs Bahnhofsviertel. Da kam auch mal der Spruch: „Dann kannst du dich hier zu den Leuten am Bahnhof gesellen.“ Aber ich hatte auch ein richtig gutes Erlebnis. Ich hatte ein Feedback-Gespräch, wir hatten aber vorher einen Termin mit der Vorständin. Und in so einem Termin sagt man ja nicht: „So, Frau Vorständin, ich gehe jetzt mal zu meinem Feedback-Gespräch.“ Sondern du bleibst, wenn sie überzieht, noch die zehn Minuten. Und deswegen kam ich halt zehn Minuten zu spät, bin in den Raum rein und habe gesagt: „Oh mein Gott, tut mir leid, Joachim, ich bin nicht unzuverlässig. Ich war gerade bei der Vorständin, wir hatten ein Kennenlernen mit ihr.“ Und er war am Telefon und hat gesagt: „Oh, sie ist jetzt da“, und hat dann aufgelegt.

Und was daran so krass war, ist, dass er dann gesagt hat: „Nein, Cynthia, ich habe nicht gedacht, dass du unzuverlässig bist. Du warst die letzten sechs Wochen ja hier top. Ich hatte nur die Sorge, dass dir was passiert ist wegen deines Diabetes, dass ich da mal nachgefragt habe: Was macht man denn, wenn eine Kollegin nicht zur Arbeit erscheint?“ Das fand ich richtig krass von ihm, weil er meinte, er hatte mal, als er noch in einer anderen Firma war, einen Arbeitskollegen, der ist gestorben. Der hatte halt auch Diabetes. Deswegen war sein erster Gedanke: „Nicht, dass die Arme irgendwo allein in ihrer WG liegt und keiner sie findet.“ Das fand ich richtig top von ihm.

DA: Das ist richtig toll! Also gab es mehr positive und anteilnehmende Reaktionen als ablehnende oder verachtende oder so?

Cynthia Engbi: Ja, genau.

DA: Sehr gut! Lass uns noch mal zu deiner Diabetestherapie zurückkehren. 2020 gab es ja schon viele Möglichkeiten, den Diabetes zu behandeln. Du hast also mit Spritzen erstmal angefangen, hast du erzählt. Bekamst du Pens oder Einmalspritzen und Fläschchen?

Cynthia Engbi: Ich hatte diese Fertigpens. Dann habe ich irgendwann gemerkt, dass es auch schönere gibt mit den Patronen, und habe gefragt, ob ich sowas bekommen kann. Das habe ich dann auch bekommen und ich bin tatsächlich bis heute noch am Spritzen, weil ich durch meine Hautfarbe – das habe ich durch den FreeStyle Libre gelernt, den ich einen Monat nach der Diagnose bekommen habe – eine tiefere Pigmentierung kriege, wenn ich zu lange irgendwas in der Haut habe. Meine hinteren Arme sind voller schwarzer Punkte, wie Pickelmale. Das dauert ewig, bis die weggehen. Das ist okay an den Hinterarmen, das sehe ich nicht so oft. Das möchte ich aber nicht noch am Bauch oder am Oberschenkel oder wo man sonst diese Katheter setzt haben.Deswegen habe ich mich bisher gegen eine Insulinpumpe entschieden.


„Ich habe relativ lange an den Pens festgehalten, weil ich dachte, mich mit einer Pumpe irgendwie einzuschränken.“

DA: Benutzt du einen Smart-Pen?

Cynthia Engbi: Ja, ich habe den NovoPen Echo Plus. Das Problem ist nur, dass die Systeme nicht so integriert sind. Da spreche ich jetzt als IT-lerin: Ich finde das echt ein Unding. Ich habe nämlich vorher gegoogelt und da hieß es noch, dass die FreeStyle-Libre-App damit verbunden werden kann. Das wurde aber wohl wieder abgeschafft. Dann habe ich mal nachgesehen, welche Apps noch funktionieren und habe es ausprobiert mit der MySugr-App, glaube ich, und festgestellt: Wenn ich meinen Pen mit der App verbinde, wird der Bolusrechner ausgeschaltet.

Das wäre ja eigentlich dann der Loop gewesen: Du kannst Werte eintragen, kannst sagen, wie viele BEs oder KEs du spritzt, und dann würde er dir das berechnen. Und dass es nicht mit meiner Sensor-App verbunden ist, ist ja eh ein Unding. Das wäre ja der Loop als Pen-Nutzerin gewesen und das haben sie, keine Ahnung warum, nicht praktisch gelöst. Dann müsste man den Pen auch nicht smart machen, sondern könnte doch einfach nur sagen, man sieht, wenn man gespritzt hat, und das war’s, denn ich möchte ja nicht drei Apps öffnen, nur um meinen Diabetes zu tracken.

DA: Verstehe … Wenn das Problem der Hyperpigmentierung nicht wäre, würdest du dann lieber einen echten Loop nehmen mit Insulinpumpe?

Cynthia Engbi: Ja, ich glaube, dann hätte ich es, wenn es ginge. Ich hätte dann gern eine schlauchlose Pumpe.

DA: Aber du wagst eben nicht, es auszuprobieren, um kein Risiko einzugehen?

Cynthia Engbi: Genau. Die schlauchlosen Pumpen haben ja viele auch am Hinterarm. Aber ich kann nicht testen, wie es bei mir wäre, weil die Test-Pods keine Kanüle haben. Deswegen wüsste ich nicht, wie meine Haut darauf reagiert – ob es dann ein größerer Fleck wird oder ob der Fleck kleiner ist.

DA: Wie und wann bist du darauf gekommen, in Instagram in Bezug auf den Diabetes aktiv zu werden?

Cynthia Engbi: Das war 2020. Ich hatte mir damals eigentlich nicht viel dabei gedacht, ich wollte eher ein Tagebuch führen. Und dann habe ich irgendwann erst verstanden, dass es schon einige Menschen gibt, die auf dieselbe Idee gekommen sind, also schon viel länger dabei sind, weil sie es einfach länger haben. Und da habe ich verstanden, dass es eine kleine Bubble gibt.


„Ich habe relativ lange an den Pens festgehalten, weil ich dachte, mich mit einer Pumpe irgendwie einzuschränken.“

DA: Und was hat das für dich bedeutet? Was hast du daraus gemacht?

Cynthia Engbi: Ich fand das voll cool, dass es sowas gibt, und habe mir auch gerne immer die Posts von den anderen durchgelesen und habe dann auch gesehen, was noch alles für Zusatzprobleme mit dem Diabetes kommen können. Ich hatte damals eine, die hat ihren Account aber glaube ich gelöscht, die hatte noch Zöliakie … oder andere Autoimmunerkrankungen noch. Das war noch mal eine ganz andere Welt für mich, weil ich gesehen habe, welche Krankheiten es noch alles gibt, von denen ich vielleicht noch nicht gehört habe. Wie die damit umgehen, das war für mich mega interessant zu sehen.

DA: Bist du denn auch in persönlichen Kontakt mit anderen getreten oder hat dir das Verfolgen im Internet erstmal gereicht?

Cynthia Engbi: Ich habe schon auf Stories geantwortet oder auf Postings, aber getroffen habe ich niemanden persönlich.

DA: Das heißt, das Launch-Event vom Diabetes-Anker Mitte Oktober war für dich eine Premiere?

Cynthia Engbi: Genau, es war für mich echt überwältigend.

DA: Kannst du dir vorstellen, da persönliche Kontakte weiter auszubauen?

Cynthia Engbi: Ja. Ich hatte ja das Covershooting für den Diabetes-Anker und das hat ja auch eine gemacht, die mit Typ-1-Diabetes lebt. Sie hatte mich auch gefragt, ob wir mal was machen wollen, weil sie nicht weit weg von Frankfurt wohnt. Ich denke, das kommt jetzt mit der Zeit. Aktuell bin ich ja auch zeitlich eh nicht so gut mit meinem Vollzeitjob und Masterarbeit…

DA: Trotzdem hast du wahrscheinlich ab und zu ein bisschen Zeit. Was machst du gern, wenn du nicht arbeitest und dich nicht um deinen Diabetes kümmerst?

Cynthia Engbi: Ich hatte mal mit Tennis angefangen, bei der Eintracht in Frankfurt, aber ich musste mich jetzt auch wieder als passives Mitglied anmelden, weil ich es einfach nicht geschafft habe, hinzugehen. Und sonst: ins Fitnessstudio gehen, Freunde treffen. Ich koche sehr viel. In der Regel bin ich auch viel am Reisen, weil ich ja nicht aus Frankfurt komme. Meine Freunde sind noch in Hamburg oder in Norddeutschland allgemein – normalerweise würden wir uns öfter mal besuchen. Ich wollte eigentlich in Frankfurt auch noch viel mehr ausprobieren, aber das ist zeitlich gerade nicht drin.


„Ich habe relativ lange an den Pens festgehalten, weil ich dachte, mich mit einer Pumpe irgendwie einzuschränken.“

DA: Was wünschst du dir im Hinblick auf den Diabetes für die nahe und für die ferne Zukunft?

Cynthia Engbi: Ich würde mir wünschen, und das ist jetzt ein sehr komischer Wunsch, dass eine genauere Unterscheidung zwischen Diabetes Typ 1 und Typ 2 existieren würde, dass man das klarer abgrenzt. Denn ich muss immer so viel erklären, man muss eine halbe Bio-Stunde halten, wenn Leute herausfinden, dass ich Diabetes habe. Und manchmal finde ich es nicht gerechtfertigt, dass die beiden so ähnlich heißen. Ich weiß zwar, wo der Name herkommt und dass bei beiden der Zucker zu hoch ist und so weiter, aber ich weiß auch nicht, was ein anderer Vorschlag wäre.

Sonst würde ich mir mehr allgemeines Verständnis für chronische Krankheiten wünschen, weil ich oft finde, man sieht halt gesund aus. Ich bin doch eher eine Person, die sich immer irgendwie zurechtmacht und schminkt, und da würde man halt immer denken: „Bei der ist ja alles top.“ Aber es gibt ja auch oft Momente, wo es mir einfach nicht gut geht. Da würde ich mir wünschen, dass man halt nicht nur sagt: „Ja, der Zucker ist jetzt im grünen Bereich, es passt alles.“ Wenn man gerade unterzuckert ist, hat man wahrscheinlich Kopfschmerzen danach oder sonst irgendwas und ich finde, da fehlt noch so ein bisschen das Verständnis dafür, dass die Zustände länger anhalten, als man glaubt.

DA: Du sprichst von der allgemeinen Bevölkerung, die einfach das Verständnis mehr haben und bekommen muss?

Cynthia Engbi: Genau. Und für die ferne Zukunft würde ich mir wünschen, dass die Pharma- und Hilfsmittelindustrie ein vernünftigeres Diabetes-Management hinkriegt, siehe mein Beispiel mit dem Pen. Ich finde, es kann nicht sein, dass aufgrund von irgendwelchen Gesundheitsdaten, die jeder für sich behalten möchte, und Konkurrenzdenken oder keine Ahnung was, die Leute, die betroffen sind, darunter leiden müssen. Ich glaube, es ist technisch schon mehr möglich, als gerade angeboten wird. Und da wünsche ich mir, dass man das mal auflösen würde und den Fokus auf den Menschen setzen und vielleicht auch zusammen an Lösungen arbeiten.

DA: Perfekt. Das war ein sehr guter Wunsch zum Schluss. Habe ich was Wichtiges vergessen aus deiner Sicht?

Cynthia Engbi: Mir fällt ein Thema ein, über das ich mir gerade Gedanken mache, und zwar ist das ein Schwerbehindertenausweis. Bisher habe ich mich gesträubt, diesen zu beantragen, weil ich oft gehört habe, dass es nicht bewilligt wird oder zumindest GdB 50 nicht bewilligt wird. Ich verstehe nicht, warum der Diabetes nicht so einschränkend sein soll, denn er ist einschränkend. Und ich verstehe nicht, warum das immer so schöngeredet wird, nur weil es jetzt ein bisschen mehr Technik gibt. Die Arbeit hat man ja trotzdem.

DA: Das ist auch ein wichtiges Thema. Cynthia, ganz herzlichen Dank für das Interview!


Interview: Dr. Katrin Kraatz

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