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Wieso fällt es uns so schwer, uns aus der Hektik des Alltags auszuklinken? Wieso nehemen wir uns so selten und so wenig Zeit für Wesentliches? Ein Plädoyer für einen entschleunigten Neuanfang hält Tine in ihrer Kolumne.
Eigentlich können wir ja immer wieder von vorn beginnen, immer wieder neu starten. Jeder Montag markiert den Anfang einer neuen Woche, ein neues, weißes Blatt Papier. Wir können uns selbst Chance nach Chance geben, immer und immer wieder. Uns Zeit lassen, uns auch die Zeit nehmen. Eigentlich tun wir das aber gar nicht.
Egal ob alt oder jung: Alles muss schnell gehen und am besten immer schneller. Wenn die Blutzuckerwerte nicht stimmen, rasten wir aus und verzweifeln direkt, wenn sie sich nicht schnell genug normalisieren. Wenn wir nicht sofort sportliche Erfolge sehen, geben wir auf und setzen uns wieder aufs Sofa. Wir wollen uns nur schnell mal mit der Freundin treffen, nur schnell die Eltern anrufen, schnell mal in die Stadt fahren.
Manchmal habe ich das Gefühl, Berlin ist sehr zeitlos. Sobald ich mich allerdings vor die Tür begebe, überrennen mich Horden hektischer Menschen, und ich höre direkt die Uhr ticken. Wann sind wir so ungeduldig geworden? Wann ist „schnell sein“ so wichtig für uns geworden?
In der letzten Kolumne schrieb ich vom Runterkommen und Erholen. Viele sagten mir damals, sie hätten den Wunsch, den Dezember ähnlich zu nutzen, sich nicht vom Konsum-Trubel mitreißen zu lassen, den Liebsten mehr gemeinsame Zeit statt Geld zu schenken.
Nun: Wer von euch hat es im Dezember geschafft, runterzufahren, zu entschleunigen? Wer hat die Zeit mit seinen Liebsten zu echter Qualitätszeit gemacht und es genossen, anstatt ständig aufs Handy zu gucken? Und wer von euch möchte sich den Januar schon wieder als neuen Start nehmen?
Durch den ständigen Druck, den wir uns machen, den uns die Gesellschaft macht, schwirrt alles immer weiter an uns vorbei. Kein Moment kann gehalten werden. Genuss, echtes Auseinandersetzen mit uns selbst, Zeit für Selbstreflexion – das alles rinnt uns durch die Finger auf dem Weg zum immer weiter beschleunigten Alltag. Wenn wir aber nicht irgendwann den Stopp-Knopf drücken, bringen all die Chancen, all die Neustarts nichts. Stress und Hektik waren noch nie gut fürs Herz und erst recht nicht für den Blutzucker!
Ich muss an all diese Sachen immer denken, wenn ich mich mit einer ganz bestimmten Freundin hier in Berlin treffe: Meist besuche ich sie in ihrer tollen Wohnung, und wir verbringen Stunden mit ausgiebigem Kochen und Reden. Plötzlich ist es spät, ich bin müde, und ehe ich mich versah, haben wir wirklich 8 Stunden miteinander verbracht.
Ich möchte den Januar gern als Neuanfang sehen, Unglück fernhalten und mich mit Positivem umgeben. Für meinen Diabetes (mit dem es gerade super gut läuft), für meine Lieben, für meine Arbeit und mich selbst. Das schaffe ich aber nur, wenn ich mir die Zeit dafür nehme und auch erlaube, Zeit dafür zu brauchen, ohne mir ein grundlos schlechtes Gewissen zu machen. Ob ich es schaffe?
Eure Tine
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2017; 66 (1) Seite 34
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