- Leben mit Diabetes
Sklave des Diabetes sein? Nein, sagt Helge Hernmarck
4 Minuten
“Ich habe immer Wert darauf gelegt, niemals Sklave meines Diabetes zu sein, und damit bin ich meistens sehr gut gefahren”, sagt Helge Hernmarck. Und was für ein Leben das bis jetzt gewesen ist: Mehrere Berufe hat er erlernt und ausgeübt, er hat im Ausland gearbeitet und 5 Jahre lang in Finnland gelebt – selbstgebaute Blockhütte, eigene Insel, fünf Huskys und eine Katze inklusive. Wie all das mit dem Diabetes gut gelingen konnte, erzählt er hier.
Mit weit über 1 000 mg/dl (55,6 mmol/l) wurde ich 1951 in die Diabetesklinik des Barmbeker Krankenhauses eingeliefert. Dort gab es den berühmten Zucker-Spezialisten Prof. Ferdinand Bertram, der sich ein hervorragendes Team aufgebaut hatte. Ich war 9 Jahre alt, sah aus wie ein alter Mann, ausgemergelt und gezeichnet. Ich sehe immer noch die Tränen der Freude in den Augen meiner Mutter, als ich die erste Dosis Altinsulin aus der Rekord-Spritze hinter mir hatte!

Es folgten Infusionen und vier Wochen Wasserschleim sowie alle zwei Stunden eine weitere Spritze mit Rinderinsulin. Jede dieser Spritzen mit den dicken und langen Kanülen war ein Stich in meine Kinderseele. Meine Zähne wackelten durch den Haferschleim schon bedenklich,die erste Scheibe Schwarzbrot danach war ein genussvolles Erlebnis!
Dr. Ottos Prognose aus den 1950ern
Dr. Hellmut Otto und Dr. Koopmann waren die ständigen Begleiter der damals erst wenigen Kinderpatienten. Den Stationsarzt Dr. Otto habe ich nachts während einer schweren Unterzuckerung einmal fest in den Bauch geboxt. Am nächsten Tag erzählte er mir freundlich davon. Er meinte, wenn ich mit 50 Jahren noch auf beiden Beinen stehen würde, meine Nieren noch funktionierten und meine Augen jedes Buch lesen könnten, hätte ich wohl einiges richtig gemacht!
Ich war gerade 10 Jahre alt, und was er sagte, war für mich so fern … Ich habe Prof. Otto kurz vor seinem Tod in Bad Lauterberg in der dortigen Diabetesklinik als Gast getroffen. Ich war inzwischen über 60 und noch sehr fit. Ich sprach ihn auf unser gemeinsames Erlebnis an. Er erinnerte sich sofort, schloss mich in seine Arme, und wir führten ein langes und intensives Gespräch. Er war ein großartiger und bedeutender Mann!
Nicht alles war möglich – aber Musik, Sport und die Huskys haben mir geholfen
Als Kind lernte ich durch Zufall den “Urwaldarzt” Prof. Dr. mult. Albert Schweitzer kennen. Er besuchte in Hamburg eine Schule, die seinen Namen trug. Ich wollte später Sozialarbeiter werden, eventuell in Afrika. Leider ist nie etwas daraus geworden. Die vielen nötigen Impfungen und mein Diabetes waren Grund genug für eine Absage! Auch Australien und Südafrika war der Diabetes suspekt und damals eine sofortige Ablehnung wert.
Meine schulischen Leistungen waren nicht besonders. Die labilen Werte und die Entwicklungen in der Pubertät trugen sehr dazu bei, und häufig war Nachhilfeunterricht angesagt. Der Sport jedoch half mir sehr, meine Identität und mein Selbstbewusstsein zu stärken, selbst kreativ zu sein und etwas Eigenes zu bewegen oder zu entwickeln.
Ich gehörte einige Zeit einer Marionetten- und Puppenbühne an, und die Musik und meine Liebe zur Gitarre gaben mir und meiner Seele immer wieder neuen Schub, Problemen Paroli zu bieten. Meine 5 Huskys und ich bildeten ein fast unschlagbares Team. Meine Leithündin lernte sogar aus sich heraus, mich bei meinen gelegentlichen Unterzuckerungen erfolgreich zu ermahnen. Sie roch es wohl, spürte es – ich vermisse mein Hundemädchen Halli noch immer sehr!
Unbemerkte Unterzuckerungen: Ich musste meinen Beruf aufgeben
Chaotisch wurde mein Leben, als ich nach gut 40 Jahren von tierischem auf “synthetisches” Insulin umgestellt wurde. Durch meinen sehr fordernden Beruf hatte ich kaum Zeit, den Blutzucker öfter zu testen. Ich war jetzt zeitweilig Streetworker am Hamburger Hauptbahnhof. Dort kam es zu Unterzuckerungen, die ich nicht mehr merkte, mir unterliefen gravierende Fehler. Nur durch den Schwerbehindertenausweis war ich vor einer Kündigung sicher.
Mein Arbeitgeber und ich waren uns einig, dass ich die Rente einreichen sollte. Nach knapp einem Jahr war dieses Kapitel erfolgreich abgeschlossen. Heute wäre das wohl kaum noch denkbar!?
Ein Blockhaus und eine Insel in Finnland
Nun: Ich schaffte mir ein Wohnmobil an und lebte mit meinen 5 Hunden darin hervorragend. Meine Partnerinnen mussten meine Rasselbande akzeptieren! Ich baute mir in Finnland ein Blockhaus – und kaufte extra eine kleine Insel, damit die Hunde und meine kleine Katze sich dort frei entfalten konnten. Die Tiere, die Natur, der Wald und das Wasser, die gemeinsamen Bootsfahrten und Abenteuer gaben mir immer wieder neuen Stoff für erlebte Geschichten, Lieder und Gedichte. Man kann wohl sagen, dass ich ein Romantiker bin!

Heute schaue ich mit Dankbarkeit auf ein inhaltsvolles Leben zurück. Meine jetzigen Gebrechen haben nichts mit Diabetes zu tun, aber ich akzeptiere sie und versuche, das Beste daraus zu machen.
Die heutige Medizin hat schon so viel auf den Weg gebracht, auch für uns Diabetiker. Geben wir deshalb unserem “Handicap” symbolisch, partnerschaftlich immer wieder die Hand und versuchen, es mit Humor, Phantasie, Disziplin und ein wenig Verstand zu meistern!
von Helge Hernmarck
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 67 (1) Seite 34-35
Diabetes-Anker-Newsletter
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Ähnliche Beiträge
- Behandlung
Hinter die Dinge schauen: Kinder-Diabetologin und Coach Dr. Katja Schaaf im Interview
13 Minuten
- Leben mit Diabetes
Insulencerin Nina Joachim: Offen sein und Mut machen
11 Minuten
Keine Kommentare
Diabetes-Anker-Newsletter
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Über uns
Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.
Community-Frage
Mit wem redest du
über deinen Diabetes?
Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.
Werde Teil unserer Community
Community-Feed
-
insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 2 Tagen, 12 Stunden
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
-
-
gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 1 Woche, 6 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
-
moira antwortete vor 1 Woche, 2 Tagen
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
-
-
hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
-
lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 6 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
-
connyhumboldt antwortete vor 1 Woche
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
-

