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Manche Mediziner halten sich für etwas ganz besonders. Doch über Heldentaten prahlt man nicht, findet Dr. Hans Langer in der Kolumne Zum guten Schluss.
Manchmal muss ich mich über meine Kollegen schon wundern; da gibt es einige, die sich für ganz besondere Typen halten. Bei unserem Ärztestammtisch letzte Woche, zu dem Kollegen aus allen Fachbereichen in unserer Stadt kommen, sind natürlich meine speziellen Freunde, die Messerhelden, auch Chirurgen genannt, dabei.
Einer von diesen zeichnet sich dadurch aus, dass er ein besonderes Verhältnis zu jungen Frauen hat – und das Geld, das er mit den Nachtdiensten verdient, in gebrauchte Sportwagen aus Stuttgart-Zuffenhausen investiert. Im Sommer sieht man ihn meist mit Sonnenbrille im gelockten Haar, braun gebrannt in der angesagten Eisdiele sitzen. Und wenn man ihn fragt, ist er natürlich ein Held im „Weißen Kittel“. Auch wenn man ihn nicht fragt, gibt er bereitwillig Auskunft über seine Heldentaten.
So tönte er bei besagtem letztem Ärztestammtisch von seiner neuesten Heldentat im Operationssaal: Es ist ihm im letzten Nachtdienst doch glatt gelungen, bei einer Frau, die im Vollrausch durch eine Glastür gefallen war, die spritzende Blutung an der Handschlagader zu stillen; ohne sein energisches Eingreifen wäre die Frau mit Sicherheit verblutet.
Richtig beleidigt war er, als ich dazu nur meinte, dass das ja wohl auch seine Aufgabe als Chirurg sei und dass es sich bei dieser Verletzung doch mehr oder minder um eine medizinische Standardsituation handle. Nun ja, die Diskussion führte, wie nicht anders zu erwarten, ins Nichts.
Wenn ich mir solche Geschichten anhöre, frage ich mich, was wir eigentlich als Diabetologen für Heldentaten vollbringen? Unlängst habe ich nämlich bei einer Patientin, die im Unterzucker bewusstlos geworden war, Glukose gespritzt, so dass es ihr schnell wieder besser ging. Hätte ich dies nicht getan, hätte sie vielleicht schwere, gesundheitliche Probleme bekommen. Schließlich war es eine alte Dame, die mehrere Herzinfarkte hinter sich gebracht hatte.
Für solche Patienten sind Unterzuckerungen natürlich nicht ungefährlich. Bin ich deswegen ein Held? Und muss ich darüber unbedingt reden? Wenn ich es überhaupt jemandem erzähle, dann allenfalls beiläufig meiner Freundin Gabi, und die sagt manchmal: „Du bist ein Held – aber ein stiller.“
von Dr. Hans Langer
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Fax: (06131) 9 60 70 90, E-mail: redaktion@diabetes-journal.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2014; 63 (5) Seite 90
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