Typ 1, Typ 2, Typ F: Gemischtes Diabetes-Doppel

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Typ 1, Typ 2, Typ F: Gemischtes Diabetes-Doppel | Foto: privat
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Typ 1, Typ 2, Typ F: Gemischtes Diabetes-Doppel

Wie ist das, wenn man nicht nur selbst Diabetes hat, sondern jemand anderes in der Familie ebenfalls erkrankt? Wenn man also plötzlich auch zum Menschen mit Typ-F-Diabetes wird? Tanja Richter und Uwe Ludwig haben es erlebt und berichten über ihre Geschichte als gemischtes Diabetes-Doppel.

Kennengelernt haben wir uns bei der Veranstaltung DiaNet(t) dieses Jahr in Berlin: Vater Uwe Ludwig und Tochter Tanja Richter. Er weiß seit dem Jahr 2002 von seinem Typ-2-Diabetes – mit Mitte 40 –, sie erhielt die Diagnose Typ-1-Diabetes einen Tag vor Heiligabend im Jahr 2016, in der zweiten Schwangerschaft, mit 29 Jahren.

„Sie sind zu jung“

Treibende Kraft bei Uwe war seine Frau Anne. Sie hatte ihn gedrängt, endlich mal wieder einen Check-up beim Hausarzt machen zu lassen. Uwe hatte zu diesem Zeitpunkt etwa 40 Kilogramm mehr Gewicht als heute. Der Hausarzt stellte einen zu hohen Langzeit-Blutzuckerwert (HbA1c) fest und konnte es zuerst nicht glauben: „Das kann fast nicht sein, Sie sind zu jung. Wir messen das nochmal.“

Aber das nochmalige Blutabnehmen und Messen bestätigte den Wert von 8,6 % (71 mmol/mol): „Es war kein Fehler.“ Uwe erinnert sich an den ersten Moment: „Schreckliche Information: Ich habe Diabetes. Ich habe mit allem gerechnet, aber mit sowas nicht. Niemand in der Familie hatte das.“

Vom Schwangerschafts- zum Typ-1-Diabetes

Tanja hingegen hatte in gewisser Weise Zeit, sich in ihren Diabetes hineinzufinden. Bereits in ihrer ersten Schwangerschaft war ein Schwangerschaftsdiabetes aufgetreten, der aber nach der Entbindung wieder verschwunden war. In den folgenden drei Jahren hatte sie absichtlich 30 Kilogramm abgenommen.

Dann wurde sie erneut schwanger und früh auf Schwangerschaftsdiabetes getestet – die Werte waren hoch. Ihr betreuender Diabetologe, selbst mit Typ-1-Diabetes lebend, glaubte diesmal nicht an einen Schwangerschaftsdiabetes. Tanja erinnert sich, dass er sagte: „Irgendwas stimmt da nicht, das kann eigentlich nicht Schwangerschaftsdiabetes sein. Wir nehmen jetzt Blut ab und schicken es ein wegen Antikörpern.“

Frühe Diagnose als Glücksfall

Der Test war positiv, die für einen Typ-1-Diabetes typischen Antikörper waren nachweisbar. „Das hat sich bestätigt, was mein Glück war, denn ich hatte einen Langzeitwert von 5,1 % (32 mmol/mol; Anm. d. Red.).“ Der HbA1c-Wert lag also noch im Normbereich, ihr Typ-1-Diabetes war eine Zufallsdiagnose.

Im Rückblick ist sehr froh darüber: „Das hätte ganz anders ausgehen können, dass ich vielleicht mit einer Ketoazidose in der Schwangerschaft irgendwo liege. Aber Gott sei Dank hat mein Arzt es richtig erkannt.“

Vom lang wirksamen Insulin zur Insulinpumpe

Sie begann dann zuerst nur mit einem lang wirksamen Insulin, „aber irgendwann konnte ich dann gar nichts mehr essen, denn wenn du schwanger bist, hast du ja noch viel mehr Angst, wenn die Werte über 150, 180 (mg/dl; 8,3, 10,0 mmol/l; Anm. d. Red.) gehen.“ So erhielt sie zusätzlich kurz wirkendes Insulin und führte eine intensivierte Insulintherapie durch. Die Glukosewerte testete sie mit Blut aus der Fingerbeere.

Zwei Jahre später – ihre beiden kleinen Mädchen beschäftigten sie gut – bekam sie auf ihren Wunsch hin ein System zum kontinuierlichen Glukose-Messen (CGM). Der Tipp kam aus der Diabetes-Community. Heute verwendet Tanja eine Insulinpumpe, unterstützt durch ein CGM-System.

Therapie stetig intensiviert

Ganz anders sah der Therapie-Start bei Uwe 14 Jahre vor Tanjas Diabetes-Diagnose aus. Wie die Leitlinien für die Therapie des Typ-2-Diabetes vorsehen, verschrieb ihm der Hausarzt Tabletten mit Metformin in niedriger Dosis. Diese erhöhte sich über die Jahre – seine HbA1c-Werte stiegen mit der Zeit. Es kamen weitere Tabletten mit anderen Wirkstoffen hinzu, später auch ein lang wirksames Insulin.

Inzwischen zeigte sich bei den vierteljährlichen Untersuchungen, dass die Nieren nicht mehr hundertprozentig funktionierten. Zysten in den Nieren waren vorher schon bekannt. In seiner Vergangenheit, bevor er vor zweieinhalb Jahren in den Ruhestand ging, hatte er einiges an Medikamenten geschluckt, um im Job als Vertreter im Brauereiwesen fit zu bleiben. Was genau die Funktion der Nieren nun verschlechtert hatte, ist bis heute unklar.

Tanja und Uwe bewegen sich gern, zum Beispiel bei Wanderungen in den Bergen. | Foto: privat
Ehefrau Anne unterstützt ihren Mann ebenfalls dabei. | Foto: privat

Zusammen beim Diabetologen

Seinen behandelnden Ärzten und ihm war wohler, in dieser Situation Metformin wegzulassen und auf eine Therapie mit Fokus auf Insulin umzustellen. So erhielt er vor einem halben Jahr zusätzlich zum lang wirksamen Insulin ein kurz wirksames Insulin.

„Dann habe ich dank Tanja, die mitgegangen ist zum Diabetologen, einen Spritzplan bekommen. Mit diesem Spritzplan haben wir zusammen ausgerechnet, wie viele Einheiten ich pro 10 Gramm Kohlenhydrate spritzen müsste. Das habe ich gemacht und siehe da, jetzt bin ich in einem super Bereich. Der letzte HbA1c-Wert war, glaube ich, 6,5 oder 6,4 % (48 oder 47 mmol/mol; Anm. d. Red.). Ich bin also auf einem guten Weg“, ist Uwe glücklich.

Und: Er war nun beim Diabetologen auch geschult worden zum Thema Diabetes und intensivierte Insulintherapie (ICT).

Typ-2-Diabetes des Vaters nicht bewusst

Wie war es, als im Jahr 2016 plötzlich beide – Vater und Tochter – Diabetes hatten? „Ich war mir, glaube ich, damals nicht so ganz bewusst, dass er das hat. Es hieß, er hat jetzt Medikamente und das regelt sich“, erinnert sich Tanja. So holte sie sich von ihrem Vater auch keine Informationen über Diabetes, sondern nutzte andere Quellen. Sie erhielt eine Schulung – und es gab die Community, die ihr half, sich in den Typ-1-Diabetes reinzufinden.

Trotzdem fühlte sie sich „ziemlich auf mich allein gestellt“. In der Schwangerschaft waren die Kontrolltermine in der Diabetes-Schwerpunktpraxis häufiger, wo sie medizinisch unterstützt wurde. „Es gab schon Unterstützung, aber dass man jemanden hatte, bei dem man sich ausweinen konnte, wenn irgendwas war, das war nicht da.“

Initiative für beide ergriffen

Und wie erging es Uwe, als er von der Diagnose seiner Tochter hörte? „Tanja hat mir auf jeden Fall unsagbar leidgetan, weil ich ja weiß, wie blöd das ist, wenn du immer aufpassen musst und wenn du dann beim Arzt bist und die Werte sind schlechter …“ Aber Tanja ließ sich nicht unterkriegen – und ergriff für beide die Initiative.

Mit Argumenten unterstützt

Mit ihrem Typ-1-Diabetes war sie bereits in diabetologischer Betreuung, Uwe noch beim Hausarzt. „Ich war da zuerst, weil ich ja durch den Schwangerschaftsdiabetes damals zu einem Diabetologen musste. Und ich habe irgendwann gesagt, weil er nur beim Hausarzt betreut wurde, er soll mal zum Diabetologen gehen, weil da einfach eine andere Betreuung ist als bei einem Hausarzt.“

Obwohl der Hausarzt keine Notwendigkeit sah, gab er Uwe eine Überweisung zum Diabetologen, zu dem Tanja ihn, wie beschrieben, einmal zu einem Termin begleitete. Sie erzählt, warum: „Mit dem Thema Nieren und Metformin, da habe ich schon eine Weile auf den Papa eingeredet und habe jedes Mal gesagt, er soll bitte beim Diabetologen besprechen, ob die schlechten Werte vom Metformin kamen. Ich hatte das Gefühl, der Papa schafft es nicht allein, da wirklich etwas zu sagen und sich durchzusetzen.“

Für Tanja war klar, was zu tun ist: „Dann habe ich gesagt, ich muss da mitgehen, weil ich nicht will, dass ich ihn vielleicht in ein paar Jahren zur Dialyse fahren muss oder er nicht mehr in den Urlaub kann, weil er den Urlaub nach der Dialyse planen muss. Und habe dann gesagt, wenn ich nicht mitgehe – und ich habe wirklich ein gutes Verhältnis zu meinem Diabetologen und der Beraterin –, tut sich da nie was.“

„Die waren natürlich erstmal nicht amused, dass ich da dabei war“, ergänzt sie lachend. Aber Uwe sprang ein: „Ich habe gesagt, ich wollte, dass sie dabei ist.“

Auch gemeinsame Reisen unternehmen Uwe und Tanja immer wieder gern. | Foto: privat
Zusammen schätzt sich die Kohlenhydratemenge leichter – hier vor einem Flug. | Foto: privat

Mit ICT und CGM alles im Griff

Dann lief alles wie am Schnürchen: Uwe begann mit der ICT und bekam auf Bitten von Tanja auch ein CGM-System verschrieben. „Mein Diabetologe lässt mir freie Hand, weil er weiß, ich kenne mich gut aus und ich manage das alles allein. Ich bin eigentlich immer nur dort, um zu quatschen und für den Langzeitwert. Aber deswegen weiß er, ich erzähle keinen Blödsinn, wenn ich sage, der Papa braucht das.“

Die Familie unterstützt

Ehefrau und Mutter Anne Ludwig begleitet natürlich ihren Mann Uwe und ihre Tochter Tanja – auch wenn diese eine eigene Familie hat – mit ihrem Diabetes. Für Uwe ist sie immer da, denkt und fühlt mit. „Meine Frau, die ist schon sehr interessiert daran. Jedes Mal, wenn ich zum Blutuntersuchen gehe, ist sie immer ganz interessiert, wie die Werte sind“, berichtet er.

„Und sie freut sich immer mit mir, wenn sie besser geworden sind, oder sie sagt: ‚Ach Mensch, schlechter.‘ Sie sagt aber auch nicht, ‚du hast jetzt viele Süßigkeiten gegessen‘ oder so etwas. Wenn ich mal übertreibe, dann sagt sie schon: ‚Hast du dir das überlegt?‘“ Und sie würde alles für ihn tun, wenn nötig: „Als sie gehört hat, dass ich einen Nieren-Folgeschaden von was auch immer habe, hat sie als Allererstes gesagt: ‚Uwe, bevor du an die Dialyse gehst, spende ich dir eine Niere von mir.‘“

Auch für Tanja ist ihre Mutter wichtig: „Für die Mama war das von Anfang an, seit ich die Diagnose gekriegt habe, ganz schlimm. Und es ist immer noch so, dass sie mir das gern abnehmen würde.“ Der Unterschied zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes war ihr zuerst nicht klar. „Sie da zu schulen, hat schon Zeit gedauert, aber sie unterstützt voll!“ Tanja hat noch einen zwei Jahre jüngeren Bruder: „Der sieht das ganz gechilled. Der weiß, ich habe es im Griff. Und wenn ich mich mal auskotzen muss, dann ist er da.“

Die „Mädels“ passen auf

Aber Tanja bekommt auch viel Unterstützung durch ihre beiden Töchter, heute sieben und zehn Jahre alt. „Meine beiden Mädels, die sind total interessiert, wie es mir geht.“ Zu Hause hat sie ein SugarPixel, ein Gerät, das die vom CGM-System automatisch übertragenen Glukosewerte in Zahlen, Farben und Smileys anzeigt. „Als die Mädels das noch nicht mit den Zahlen konnten, haben sie immer gesagt, wenn ich zum Beispiel irgendwo anders im Zimmer war: ‚Mama, der Smiley ist gar nicht mit deinen Werten zufrieden.‘“

Begeistert sind sie, wenn der Wert bei 100 mg/dl (5,6 mmol/l) liegt, denn dann zeigt das System ein Einhorn. Und wenn die Pumpe piept, fragen sie: „Mama, geht’s dir gut?“ Tanja und ihre Töchter sind ein gutes Team: „Sie kümmern sich da total herzlich.“

Diabetes ist immer auch Familien­sache: Tanja und ihre Töchter sind ein tolles Team. | Foto: privat
Auch das Engagement in der Diabetes-Community ist Tanja stets sehr wichtig. | Foto: privat

„Aufklärung macht Spaß“

Aktiv in der Aufklärung über Diabetes ist Tanja schon länger: mit ihrem Instagram-Account @type1_taenschi mit inzwischen über 1000 Followern. In Pforzheim, wo sie in einer Bank im Firmenkundengeschäft tätig ist, bringt sie sich auch zum Thema Inklusion ein und kümmert sich um barrierefreien Content für deren Instagram-Account.

„Mir macht das Thema Aufklärung Spaß und ich finde es total wichtig, weil das Thema Diabetes in der Gesellschaft, egal ob Typ 1 oder Typ 2, noch nicht in den Köpfen angekommen ist. Nur die Instagram-Seite war mir zu wenig – und dann habe ich gesehen, dass die Deutsche Diabetes-Hilfe ‚Lautsprecher‘ sucht und habe gesagt: ‚Hey, das wäre doch was.‘“

Begeistert von der Community

Zum DiaNet(t)-Treffen der Lautsprecherinnen und Lautsprecher von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe nahm sie dann ihren Vater mit, weil sie überlegte: „Wieso geht der Papa eigentlich nicht mit, der ist doch Typ 2? Und eigentlich würde ihm ein Eintritt in die Community helfen, vielleicht ein bisschen mutiger zu werden. Zum Spritzen ist er immer aufs Klo gegangen …”

Und er nutzte die Chance, viel mit anderen zu sprechen, sich auszutauschen und auch viel für sich mitzunehmen. „Ich war von Anfang an begeistert von dieser Community, wie man miteinander umgeht. Ich habe gedacht: Typ 1, Typ 2, da müsste es doch Rivalität geben. Überhaupt nicht! Wir sind ein Team, wir haben alle die Situation, dass wir Diabetiker sind – welcher Typ, spielt keine Rolle. Wir können voneinander lernen und wir wollen voneinander lernen. Und wir wollen anderen helfen.“ Einen Instagram-Account hat er inzwischen auch.

Ohne Angst der Regisseur bleiben

Motivation für Uwe ist, „dass niemand, wenn er in diese Situation kommt, Angst haben muss: ‚Jetzt bin ich Diabetiker und jetzt ist mein Leben eingeschränkt.‘ Nein, es ist nicht eingeschränkt!“

Und Tanja möchte erreichen, „die Barrieren von den Menschen im Kopf abzubauen, was Diabetes angeht, sei es Typ 1 oder Typ 2. Dass ein bisschen mehr informiert, mehr aufgeklärt wird. Und denen, die neu diagnostiziert werden, zu sagen, dass man trotzdem noch der Regisseur ist im Leben und nicht der Diabetes.“


von Dr. Katrin Kraatz

Erschienen in: Diabetes-Anker, 2025; 73 (7) Seite 54-57

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