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„Die Familie und Diabetes“ ist das Motto des Weltdiabetesverbandes (IDF) für den Weltdiabetestag am 14. November. Passend dazu die Diabetes-Kurzgeschichte von Nina und dem kleinen Melli auf dem Familienfest.
Autorin Lena Schuster ist Psychologin. Seit 2014 hat sie Typ-1-Diabetes. Ihr Bruder hat seit der Kindheit ebenfalls Typ-1-Diabetes, deshalb ist ihr auch der Einfluss der Stoffwechselerkrankung auf die Familie gut bekannt. Im Diabetes-Journal bringt sie ihre persönlichen Erfahrungen und Eindrücke in der Kurzgeschichtenreihe „Der kleine Melli und ich“ ein. Kontakt über nuber@kirchheim-verlag.de |
Die Ampel springt auf Rot, und ich komme langsam zum Stehen. Wir werden es gerade noch rechtzeitig ins Restaurant schaffen. Ich drehe mich zu Melli und frage: „Und freust du dich auf die anderen?“ Prompt kommt die Antwort: „Na klar! Wir haben sie schon lange nicht mehr gesehen. Es wird mal wieder Zeit für ein großes Zusammentreffen.“
… und da unsere Familie groß ist und weit verteilt lebt, kommen wir alle leider selten zusammen. Umso schöner, dass es heute Abend wieder so weit sein wird! Ich mag meine Familie. Wir haben zusammen schon viele schöne, intensive Stunden verbracht.
Kurze Zeit später betreten wir das Restaurant. Die Kellnerin zeigt uns den für unsere Familie reservierten Nebenraum. Kaum haben wir uns in den Raum begeben, werden wir überrollt von dem bunten Treiben. Es herrscht eine tolle Stimmung voller Wiedersehensfreude. Liebe Gesichter und herzliche Umarmungen. Es ist einfach ein schöner Anblick. „Ach, Nina und Melli, da seid ihr ja. Wie toll, euch zu sehen! Wie geht’s euch denn?“, werde ich plötzlich von der Seite angesprochen. Ich drehe mich um und schaue in Tante Marlenes freudestrahlendes Gesicht. „Oh, hallo Tante Marlene. Lieb, dass du fragst. Uns geht es gut, und dir?“
Autorin Lena Schuster: „Für mich ist der Diabetes vergleichbar mit dem kleinen Melli, den man oft zu gerne ignorieren möchte, doch das geht leider nicht. Denn ignoriert man den Diabetes, ist er wie ein schreiendes Kind, das einen nicht zur Ruhe kommen lässt. Kümmert man sich jedoch um den Diabetes, so macht einen das stark – und man erkennt, dass man bereit ist, auch andere Probleme des Lebens zu bewältigen.“
Und schon sind wir im Gespräch: Ich erzähle ihr, was ich das ganze Jahr über getan und erlebt habe. Als ich anfange, über die Kreuzfahrt zu sprechen, ist Tante Marlene mehr als begeistert: „Das finde ich aber toll, dass du dich das traust, Nina. Mit Diabetes zu verreisen, stelle ich mir nicht so einfach vor.“
Doch bevor ich antworten kann, schnappt sich einer meiner vielen Onkel das Mikrofon, spricht ein paar einleitende Worte und eröffnet das Buffet. Leckere Salate, verschiedene Suppen bis zu köstlich riechendem Fleisch und diversen Beilagen: Es gibt alles, was das Herz begehrt! „Na, dann bringen wir deinen Insulin-Pen heute mal ordentlich zum Einsatz, oder, Nina?“, fragt mich mein Opa und zwinkert mir liebevoll zu. Oh ja! Wo er recht hat, da hat er recht. Auf geht’s, stürmen wir das Buffet!
Doch kaum habe ich mich angestellt, fangen meine Hände an zu zittern. Mein Blick schweift durch den Raum. Schwarze Punkte flimmern in meinem Sichtfeld auf. Was ist nur los mit mir? Wie ferngesteuert setze ich mich auf den nächstbesten Stuhl. Fast hätte ich ihn verfehlt. Bin ich unterzuckert? Aber das kann doch nicht sein?! Gerade noch hatte ich doch einen guten Blutzuckerwert. Kaum sitze ich, sehe ich aus den Augenwinkeln, wie sich Onkel Finn mir nähert. „Nina, geht’s dir nicht gut?“
Geistesabwesend sehe ich ihm in die Augen und murmele: „Ich glaube nicht.“ Da greift mein Onkel zu meiner Tasche, die ich in den Händen halte, holt mein Blutzuckergerät heraus und misst meinen Wert. „Kein Wunder, Nina. Du bist auch im Unterzucker.“ So schnell konnte ich das Geschehen gar nicht mitverfolgen, da drückt mir Onkel Finn auch schon ein Traubenzuckerplättchen in die Hand. Langsam schiebe ich es mir in den Mund. Es dauert ein paar Minuten, bis der Zucker wirkt und ich wieder lebendiger werde. Onkel Finn hat sich inzwischen neben mich gesetzt und streichelt mir sanft über den Arm.
Normalerweise kontrollieren wir Diabetiker unseren Diabetes selbst. Doch manchmal gelingt uns das nicht und wir benötigen die Hilfe unseres Umfeldes. So geschieht dies auch Nina, die plötzlich in eine Unterzuckerung gerät, und ihr Onkel Finn hat es erkannt. In solchen Situationen ist es wichtig, dass Familie und Freunde Nina kennen und wissen, wann sie Hilfe braucht und wie die Hilfe aussehen muss.
Natürlich ist Diabetes eine Einschränkung und es ist sicherlich nicht einfach für das Umfeld eines Diabetikers, damit umzugehen. Doch gleichzeitig sorgt der Diabetes auch dafür, dass man sich um den Diabetiker kümmert. Dennoch ist es schön, in solchen Situationen Hilfe zu erhalten.
von Lena Schuster
Redaktion Diabetes-Journal, Kirchheim-Verlag,
Wilhelm-Theodor-Römheld-Straße 14, 55130 Mainz,
Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0, Fax: (0 61 31) 9 60 70 90,
E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2018; 67 (11) Seite 38-39
5 Minuten
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