- Leben mit Diabetes
Wer Diabetes managen kann, kann (fast) alles!
5 Minuten
In vorangegangenen Ausgaben des Diabetes-Journals haben wir Ihnen das Projekt von Mirjam Eiswirth vorgestellt: Sie zeichnete Gespräche zwischen Menschen mit Diabetes auf und setzte sie gemeinsam mit einem Künstler in Szene. Hier folgt der dritte Teil der Serie, in der die Schottin Donna vorgestellt wird.
Mirjam Eiswirth hat seit ihrem 5. Lebensjahr Diabetes. Sie ist in Deutschland aufgewachsen und hat für Studium und Promotion 6 Jahre in Schottland verbracht. Heute lebt und arbeitet sie in Essen.Der Finne Alpo Honkapohja forscht und zeichnet unter dem Künstlernamen „Valkea“ aktuell in Edinburgh (mehr auf Doodle Addicts und deviantART).
Im Diabetes-Journal und auf diabetes-online.de sind weitere Beiträge zu diesem Projekt erschienen:
- Teil 1: „Ich muss nicht immer perfekt sein“, erschienen in Ausgabe 4/2021
- Teil 2: „Diabetes soll nicht mein Leben regieren!“, erschienen in Ausgabe 5/2021
- Teil 3: Wer Diabetes managen kann, kann (fast) alles!, erschienen in Ausgabe 7/2021
- Teil 4: Diabetes in der Familie …? „Jetzt schon!“, erschienen in Ausgabe 8/2021
- Teil 5: „Ich würde es ihm so gerne abnehmen“, erschienen in Ausgabe 9/2021
Donna ist auf einer der schottischen Shetland-Inseln aufgewachsen und hat seit ihrem 11. Lebensjahr Diabetes. Heute ist sie Mitte 20 und als Sozialarbeiterin in den Brennpunkten von Glasgow unterwegs. Die ersten Jahre hat sie noch mit einem ganz starren Spritz-Ess-Schema arbeiten müssen, mittlerweile spritzt sie ihr Kurzzeitinsulin passend zum Essen. Eigentlich hätte sie gern eine Insulinpumpe, aber das ist – wie so vieles in ihrem Leben mit Diabetes – leider nicht so einfach.
Wie ein schwerer, dunkler Schatten
Schon bei der Diagnose lief es nicht rund, erzählt Donna. Sie war lange krank, blass, abgeschlagen. Ihre Mutter brachte sie mehrmals zum Hausarzt, der ihre Symptome aber als Erkältung abtat. „Einmal hat er mir gesagt, ich solle halt weniger Cola trinken – dabei gab es bei uns nie Cola!“ Nach dem vierten erfolglosen Arztbesuch bestand ihre Mutter, eine Krankenschwester, schließlich auf einen Blutzuckertest. Vor dem Test nahm sie Donna beiseite und erklärte ihr in Grundzügen, was Diabetes ist und worum es bei der Untersuchung ging.
Donna erinnert sich noch genau: „Ich wollte das auf keinen Fall haben, also habe ich versucht, den Test auszutricksen. Ich habe davor nichts gegessen, obwohl mein Vater extra Süßigkeiten mitgebracht hatte, und fuhr mit dem Rad die Straße hoch und runter. Als meine Eltern dann mit mir sprechen wollten, nachdem das Ergebnis da war, lief ich weg und schloss mich im Bad ein. Es fühlte sich an, als würde sich ein schwerer, dunkler Schatten über mich legen.“
Dem Schatten war jedoch nicht zu entkommen, und so ging es für Donna noch am gleichen Tag ins Krankenhaus – erst auf der Insel und am nächsten Tag mit dem Helikopter auf dem Festland. Das Team dort zeigte ihr und ihren Eltern, wie man spritzt und misst und wie sich eine Unterzuckerung anfühlt. „Dazu durfte ich an einem Tag nichts frühstücken und musste dann durchs Krankenhaus laufen, bis mein Zucker zu tief war – damit ich das einmal in einem geschützten Raum erlebt hatte und wusste, wie ich reagieren muss.“
Zu schnell zu viel Verantwortung – und zu wenig Unterstützung
Zurück auf der Insel ging das Leben weiter, wenn auch etwas anders als vorher. „Richtig schwer war für mich, dass ich durch die zwei Injektionen am Tag immer zur gleichen Zeit das Gleiche essen musste. Also konnte ich zum Beispiel bei Geburtstagen immer nur zugucken, wenn die anderen Kuchen hatten. Anfangs haben meine Eltern mich gespritzt, aber mir dann bald die volle Verantwortung für meinen Blutzucker übertragen. Dabei war ich dazu noch gar nicht bereit.“
Solange Donna noch in der Schule war, lief ihr Leben in relativ geregelten Bahnen, doch mit dem Umzug zum Studium nach Glasgow und dem neuen unregelmäßigen Tagesablauf passte das feste Spritz-Ess-Schema einfach nicht mehr: „Irgendwann ging es mir richtig schlecht. Zuerst dachte ich, ich sei erkältet oder hätte eine Magen-Darm-Infektion – aber nach ein paar Tagen kam ich mit einer Ketoazidose ins Krankenhaus. Dort habe ich in einer Schulung gelernt, wie ich mein Insulin fürs Essen anpasse und nicht umgekehrt.“
Dabei hat Donna auch zum ersten Mal andere Menschen mit Diabetes kennengelernt und mit ihnen über ihre Erfahrungen sprechen können. Ein riesiger Gewinn: „Endlich habe ich gemerkt, dass ich mit meinen Problemen nicht allein bin. Es tat unglaublich gut, mit jemandem zu reden, der mich wirklich versteht – Familie und Freunde können schon unterstützen, aber ihnen fehlt die eigene Erfahrung.“
Fehlende Planbarkeit, nervige Fragen und Kommentare
Trotzdem ist das Leben mit Diabetes für Donna nach wie vor eine große Herausforderung und kostet viel Kraft, Zeit und Energie. Da sind ihr Job, in dem die fehlende Planbarkeit ihr das Leben schwer macht, die mangelnde Feinfühligkeit ihrer Kolleg:innen und die fehlende medizinische, psychologische und technische Unterstützung:
„Als Sozialarbeiterin sitze ich manchmal nur am Schreibtisch und mache Papierkram, an anderen Tagen bin ich ständig auf den Beinen und helfe Menschen beim Umzug oder bei Behördengängen. Das weiß ich aber selten vorher und kann mein Basalinsulin nicht anpassen. Ähnlich mit Pausen: Weil immer was dazwischenkommen kann, kann ich eigentlich erst nach dem Essen spritzen – aber dadurch ist der Zucker nach dem Essen jeden Tag zu hoch.“ Obwohl sie ihre Kolleg:innen über Diabetes aufgeklärt hat, sagen die immer wieder sowas wie „Darfst du das auch wirklich essen?“ oder „Aber der Kuchen ist bestimmt nicht gut für dich.“.
Während des Studiums arbeitete Donna im Supermarkt. Sie erinnert sich noch genau an eine Situation, in der sie während der Arbeitszeit unterzuckerte: „Ich habe meiner Chefin gesagt, dass ich eine Pause brauche. Als sie fragte, warum, und ich ihr zeigte, wie meine Hände zitterten, meinte sie erst mal, wir dürften doch nicht mit lackierten Nägeln zur Arbeit kommen. Da habe ich ausnahmsweise zurückgeschossen und gesagt, das sei mir gerade ziemlich egal, ich bräuchte jetzt erst mal Zucker.“
Yoga und Meditation helfen – aber es braucht mehr
Diese Kämpfe im Alltag, die Kritik, das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen, und vor allem die viele Arbeit, die nötig ist, um die Zuckerwerte in einigermaßen ruhigen Bahnen zu halten, zehren sehr an ihren Kräften. Donna versucht, sich so gut wie möglich selbst zu helfen: „Seit einigen Monaten mache ich einen Yoga-Kurs mit. Gerade die Meditation am Ende ist immer richtig gut, um vom Kopf her runterzukommen. Ich merke selbst, dass auch meine Zuckerwerte stabiler sind und ich besser mit der Belastung umgehen kann, wenn ich insgesamt psychisch einigermaßen ausgeglichen bin.“
Auch der Austausch mit anderen Menschen mit Diabetes hilft ihr. Das neuste Highlight: Ihr Freund rechnet nun die Kohlenhydrate aus, wenn er für sie kocht. Allerdings würde sie sich vor allem auch mehr Verständnis und Unterstützung aus der Diabetologie wünschen. Bisher hat sie nur etwa alle neun Monate einen Termin – eigentlich sollte es einer pro Quartal sein. Eine Pumpe ist nicht in Sicht, genauso wenig die Gesprächstherapie, um die sie extra gebeten hatte.
Doch es gibt auch positive Erlebnisse: „Einer meiner Diabetologen war richtig gut. Der meinte: ‚Wissen Sie, ich habe mich lange und intensiv mit Diabetes beschäftigt, ich verstehe, was im Körper passiert und kenne die Theorie – ich könnte bestimmt top Werte erreichen. Für maximal zwei Tage, weil das in der Praxis alles viel komplizierter ist.‘“
„Wenn ich Diabetes managen kann, kann ich (fast) alles tun!“
Genau dieses Verständnis und Einfühlungsvermögen wünscht sich Donna von mehr Menschen, gerade in der Diabetologie. Während sie noch auf eine Pumpe und die Möglichkeit psychologischer Unterstützung hofft, versucht sie, sich daran zu erinnern, dass es sie auch stärker macht, mit einer chronischen Erkrankung wie Diabetes zu leben: „Wenn ich das jeden Tag managen kann, dann kann ich (fast) alles tun!“
von Mirjam Eiswirth
E-Mail: mirjam.eiswirth@gmail.com
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2021; 70 (7) Seite 48-49
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche, 3 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 5 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 3 Wochen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 2 Wochen, 2 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 1 Woche, 3 Tagen
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig