- Leben mit Diabetes
Wir werden wieder, wer wir waren
5 Minuten
Während des Stillstands bedingt durch die Corona-Pandemie hofften viele, es würde sich grundlegend etwas ändern. Dem ist wohl nicht so, resümiert Hans Lauber in seiner Kolumne.
Einen Traum hatte Ende März der Zukunftsforscher Matthias Horx. Er träumte von einer neuen Zeit nach dem Stillstand und schrieb in einem viel beachteten Essay: „In der neuen Welt spielt Vermögen plötzlich nicht mehr die entscheidende Rolle. Wichtiger sind gute Nachbarn und ein blühender Gemüsegarten. Könnte es sein, dass das Virus unser Leben in eine Richtung geändert hat, in die es sich sowieso verändern wollte?“
Es konnte nicht sein, der Traum ist ein Märchen geblieben. Spätestens klar geworden ist das Mitte Mai, als die Bundesregierung beschlossen hat, der Lufthansa mit rund neun Milliarden Euro unter die Arme zu greifen. Mag sein, dass es richtig ist, die nationale Airline zu unterstützen, aber unfassbare neun Milliarden – und niemand hat sich groß darüber aufgeregt. Im Parlament, das sich seit Wochen eh aus der politischen Diskussion verabschiedet hat, gab es keinen Aufschrei.
Nicht zu vergessen: Noch im vergangenen Jahr war das Wort „Flugscham“ bis in beste Kreise hoffähig, wurde umfassend dargelegt, wie klimaschädlich das massenhafte Fliegen ist. Das alles scheint längst vergessen, es geht weiter wie bisher und die Lufthansa wirbt frohgemut für Flüge nach Mailand und Rom für 99 Euro und selbst ins nahe Prag, was ökologisch besonders bedenklich ist.
Sicher, es gibt immer noch kluge und warnende Stimmen – und äußerst fundierte Analysen kommen ausgerechnet von einem CSU-Mann. Nein, natürlich nicht vom Sonnenkönig Söder, sondern vom Entwicklungsminister Gerd Müller, der am 17. Mai in der Welt am Sonntag schrieb: „Für unseren Planeten ist es fünf nach zwölf“ – und das so begründete: „Die Menschen in den Industrieländern verfügen heute über 60 Prozent des Vermögens, obwohl sie nur 20 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen. Wir verbrauchen in den Industrieländern 50 Prozent der Ressourcen und sind für etwa die Hälfte der Umweltbelastungen des Planeten verantwortlich“.
Seine Schlussfolgerung: „Wir sind die erste Generation, die den Planeten mit ihrem Konsum und Wirtschaften an den Rand des Abgrundes bringen kann.“
Werden wir uns vom Abgrund wegbewegen? Nach der Konstruktion der gigantischen weltweiten Rettungspakete ist das nicht zu erwarten, denn ökologische Belange spielen nur eine marginale Rolle und plötzlich ist sogar Geld da, um einem miserabel geführten Verein wie Schalke 04 mit Staatsmillionen zu helfen. Wir werden wohl wieder, wer wir waren. Aber können wir uns das leisten, kann sich die Welt das leisten?
Drei echte Denkanstöße
Natürlich nicht – aber als optimistischer Mensch schlage ich deshalb drei konkrete Maßnahmen vor, auf dass wir wenigstens ein wenig weniger in den Abgrund schauen:
1. Mehr echte Bauern
Fast schon leid tun mir die Bauern, wenn sie mit ihren großen Traktoren eindrucksvoll demonstrieren. Schließlich wenden sie sich letztlich oft gegen ihre ureigenen Interessen, wenn sie etwa gegen verschärfte Düngeregeln zum Schutz des Grundwassers protestieren. Denn eine intakte Natur ist auch für die Bauern die Grundvoraussetzung allen Schaffens.
Nur, diese Bauern sind ja längst keine freien Bauern mehr. Sie sind Getriebene, die von ihren Funktionären zu immer größeren Betriebseinheiten verführt wurden und nun trotz immensem Arbeitseinsatz kaum auf einen grünen Zweig kommen. Aber geschaffen hat diese Grundstrukturen die EU-Agrarpolitik, die nur in Quantitäten und nicht in Qualitäten denkt. Bestes Beispiel dafür ist die hochkonzentrierte Fleischindustrie, wo die EU mit ihren Vorgaben dafür gesorgt hat, dass die meisten kleinen Schlachthöfe aufgeben mussten. Insofern ist Clemens Tönnies die konsequente Verwirklichung der EU-Ideologie – und deshalb ist es heuchlerisch, nur auf ihn zu zeigen.
Übrigens: In der Schweiz gibt es in den gottseidank viel kleineren Schlachthöfen kaum Virus-Fälle. Nur da ist das Fleisch auch deutlich teurer. Aber bei uns scheint es ja ein Grundrecht auf tägliches Billigfleisch zu geben.
Lässt sich das EU-System ändern? Nicht wirklich, weil vor allem Frankreich, aber auch Deutschland ein ungebrochenes Interesse an dieser Natur-frevlerischen Landwirtschaft haben. Dennoch, ein Systembruch ist möglich, aber nur außerhalb der EU: Das habe ich in meiner Kolumne vom 10. März 2020 erläutert, wo England nach dem Brexit nur noch die Bauern fördern will, die im Einklang mit der Natur arbeiten – und so wieder echte Bauern werden können.
2. Mehr echte Verkehrswege
Immer noch sind in Deutschland Verkehrswege leider vor allem Autostraßen. Ein besonders krasses Beispiel dafür ist im dicht besiedelten Raum südlich von Köln die Planung einer Verbindungsautobahn (Rheinspange 553) zwischen Wesseling und der Flughafenautobahn. Führen würde diese Autobahn durch eines der wenigen noch halbwegs erhaltenen Naturgebiete – und es damit unweigerlich zerstören.
Anstatt dem Autowahn weiter zu frönen, wäre es höchst notwendig, endlich einmal das marode Schienennetz der Bahn auszubauen; wäre es höchst notwendig, die vielen herunter gekommenen Bahnhöfe zu sanieren, von denen viel zu viele immer noch nicht barrierefrei sind. Auch sind die Radwege in den meisten Großstädten in einem miserablen Zustand. Wer etwa in der Millionenmetropole Köln mit dem Rad unterwegs ist, erlebt seinen täglichen Horrortrip. Naht Besserung? Es sieht nicht danach aus. Denn die 2019 großspurig angekündigten, zusätzlichen Gelder im Rahmen der Fahrradoffensive der Bundesregierung können immer noch nicht von den Kommunen abgerufen werden, wie der Kölner Stadtanzeiger am 22. Juni berichtete.
Seltsam: Die Fahrradläden sind ausverkauft, die Leute wollen aufs Rad, aber die Regierung tut kaum was für diese ökologische Fortbewegung.
3. Mehr echte Nationalparks
Fassungslos macht mich diese Zahl: Nur mickrige 0,6 Prozent der deutschen Landfläche sind als Nationalpark ausgewiesen, wie ich dem großartigen Buch „Die deutschen Nationalparks“ entnehme. Wobei es meist keine wirklich großen zusammen hängenden Flächen sind, sondern vieles gestückelt ist, wie etwa der bis heute heftig umstrittene Nationalpark Schwarzwald, der aus zwei getrennten Nationalpärkchen besteht. Mit solchen Teillösungen kann aber ein wichtiges Ziel nicht erreicht werden: Endlich der Natur im großen Stil gestatten, sich zu regenerieren, die Vielfalt der Arten wieder herzustellen.
Gerne erteilen wir anderen Ländern Ratschläge, wie wichtig es ist, Wildes zu schützen. Selbst schaffen wir aber kaum etwas, wie etwa Bayern zeigt, wo es Horst Seehofer auch in zehn Jahren als Ministerpräsident nicht gelungen ist, im Steigerwald südlich von Würzburg den lange geforderten Park durchzusetzen. Natürlich gibt es immer heftigen Widerstand gegen diese Pläne, meistens von der Forstwirtschaft. Doch während der Pandemie hat der Staat machtvoll demonstriert, dass er handeln kann. Warum tut er es dann nicht, wo es um den Schutz unserer künftigen Lebensbedingungen geht?
Ja, warum wird das so Notwendige nicht endlich in Angriff genommen? Sicher natürlich auch, weil die Menschen in den nächsten Monaten verständlicherweise scheinbar Wichtigeres zu tun haben, als sich über Nationalparks Gedanken zu machen. Denn was kommt, wird wenig erbaulich sein – weshalb meine Maßnahmen wohl ebenso Märchen bleiben werden wie der Horx-Traum.
Wie es weitergeht? Das entscheidet sich im Herbst, wenn sich die dramatischen Folgen des monströsen und wohl überzogenen („Die Reaktion der Politik hat den Rahmen gesprengt“, so Pneumologie-Professor Santiago Ewig am 6. Mai 2020 im „Spiegel“) Lockdowns in aller Schärfe zeigen: Wenn viele Existenzen vernichtet sind, vor allem im Gastgewerbe, in der Kultur; wenn es sehr viele Arbeitslose gibt; wenn es heftigen Streit darüber gibt, wie mit den massiven Schulden umgegangen wird.
Spätestens dann könnte wahr werden, was schon Mitte Mai der visionäre Romancier Michel Houellebecq prophezeite: „Wir werden nach der Ausgangssperre nicht in einer neuen Welt aufwachen. Es wird dieselbe sein, nur etwas schlimmer.“
von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de
Internet: www.lauber-methode.de
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche, 3 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 5 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 2 Wochen, 1 Tag
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 1 Woche, 4 Tagen
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 6 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 2 Wochen, 1 Tag
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 1 Woche, 2 Tagen
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig