- Leben mit Diabetes
Coping-Strategie als Diabetes-Begleiter?
4 Minuten
Dr. Nicola Haller ist Vorsitzende des Verbands der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD). Es ist wichtig, sagt sie, dass Betroffene in der Schulung lernen, den Diabetes selbst zu managen, die Krankheitsbürde gut zu bewältigen und einen positiven Lebenswandel im Alltag umzusetzen. Über Probleme sollte mit dem Diabetesteam offen gesprochen werden.
Warum geschieht mir das mit dem Diabetes?“ Die Frage stellen sich viele Menschen – sie bleibt ohne richtige Erklärung. Dazu spüren viele Patienten nach der Diagnose auch die „Last der Verantwortung“: Die Lebensführung mit Diabetes kann sehr anstrengend verlaufen – und manch eine/r ist beschämt, wenn sich trotz aller Überlegungen um ein möglichst perfektes „Krankheitsmanagement“ keine Erfolge einstellen. Urlaub vom Diabetes geht eben nicht.
Schnell erklärt:
Coping (bewältigen, überwinden): Strategie, damit chronisch Kranke ihre Bürde besser bewältigen und mit Belastungen, Stress, Angst besser zurechtkommen können
Es kostet viel Zeit, Blutzuckerschwankungen immer wieder zu hinterfragen – es gibt einfach viele mögliche Ursachen dafür! In der Diabetes-Schulung und -Beratung wird das Selbstmanagement zwar angestoßen und vermittelt, jedoch können nicht alle Lebenslagen diskutiert werden, und es kommen immer neue hinzu. Zum Umsetzen der aktuellen Diabetestherapie kommt der ständige Anpassungsbedarf hinzu. Da kann man schon mal müde werden …
Diabetes gut koordinieren
In der Diabetesversorgung ganz vorne stehen das Selbstmanagement sowie das Verordnen geeigneter Medikamente. Zum Selbstmanagement gehören auch Informationen zu Ernährung und Bewegung. Das erworbene Wissen kann aber von vielen nicht immer konsequent umgesetzt werden im Alltag. Störgrößen können berufliche Herausforderungen sein oder das Nebeneinander von Diabetes und Familie oder Partnerschaft. Wichtiges Ziel der Diabetesschulung ist es, den Teilnehmenden dabei zu helfen, Veränderungen des Lebenswandels umzusetzen – gerade jene, die nützlich sind für die Diabetestherapie.
Natürlich soll dabei die Lebensqualität erhalten bleiben. Der Diabetes, egal welche Form, sollte gut in das eigene Leben integriert werden. Laut aktuellen Leitlinien sollen Patienten selbst beteiligt sein an den Therapieentscheidungen und diese gemeinsam mit dem Arzt/Diabetesteam finden – Betroffenen fällt es dadurch leichter, die Therapie zu akzeptieren und umzusetzen.
Eine chronische Erkrankung ist eine psychische Herausforderung
Wie wird die Diabeteserkrankung verarbeitet, wie kann man sein Leben anpassen an eine chronische Erkrankung? Die psychologische Sichtweise benötigt mehr Beachtung. In den letzten 20 Jahren hat man sich mehr und mehr damit beschäftigt, mit welcher Strategie gerade chronisch Kranke ihre Bürde besser bewältigen können („Krankheits-Coping“). Und es gibt immer feinere psychologische Hilfestellungen. Die psychologische Unterstützung ist aber kein selbstverständlicher Baustein einer Betreuung von chronisch Kranken. Hierdurch wären aber eine bessere Lebensqualität und eine deutliche Reduktion der Behandlungskosten denkbar.
Viele Menschen mit Diabetes wünschen sich eine umfassende Kontrolle – erreichen diese aber normalerweise nicht. Wie befreiend könnte die Vorstellung sein, dass der Diabetes erklärbar verliefe und restlos kontrollierbar wäre! Besser ist, sich vom Ziel der gänzlichen Kontrolle zu verabschieden – man ermöglicht sich selbst damit, sich inner- wie äußerlich weiterzuentwickeln.
Wer selbstständig im Alltag Entscheidungen trifft und seine Therapie anpasst, der übernimmt Verantwortung. Der Begriff „Empowerment“ (Ermächtigung) ist hier sehr wichtig: Diabetestraining durch Schulungen soll die Menschen in die Lage versetzen, die Therapie mit einem realistischen Aufwand zu gestalten, gemäß ihren eigenen Zielen und Wünschen – auch, um Wohlbefinden zu fördern und Akut- und Begleiterkrankungen zu verhindern.
Coaching und Apps unterstützen
Coaching gilt als eine mögliche Unterstützung dabei, die Diabetestherapie „immer im Blick und immer dabeizuhaben“, um Risiken wie bei den geschilderten Beispielen zu vermeiden.
Diverse Programme und Apps wie MyDiabetes, AOK Coach und Thieme Coach gibt es schon. Mit der Gesundheitsplattform Thieme Coach von Thieme TeleCare werden Patienten in ihrer individuellen Erkrankungssituation unterstützt. Die dazugehörige App Thieme Coach bildet die digitale Oberfläche, mit der Patienten ihre Gesundheit managen.
Coaching-Programme mit persönlichen und digitalen Komponenten sorgen für Nachhaltigkeit, sodass man idealerweise unterschiedliche Ziele erreichen kann:
- Stärkung des Selbstmanagements und Empowerments der Teilnehmer,
- Verbesserung der Therapiebeachtung (Therapieadhärenz) und Motivation der Teilnehmer,
- Senken von Kosten und Krankenhausaufenthalten der Teilnehmer.
Es ist sicher eine Geschmacksfrage, wie jeder das Ziel verfolgt, dem Trott mit Diabetes zu entkommen. Für alle geltende Empfehlungen gibt es an dieser Stelle nicht. Die Eigeninitiative, das Alltägliche zu hinterfragen, ebenso eigene Handlungen und nicht, einfach alles eben laufen zu lassen, sind jedoch gute Ansätze.
Darüber reden, sich Hilfe suchen!
Kürzlich berichtete eine 20-jährige Patientin, dass sie sich um ihren Diabetes nicht richtig kümmern könne, weil die häusliche Situation mit ihrer Mutter sie so anstrenge. Das zeigt: Ständige Diskussionen ums Alltägliche lassen die gekonnte Routine vergessen und führen in eine Spirale von Selbstvorwürfen und Ignoranz der Wirklichkeit. Dann ist es sinnvoll, sich Unterstützung auch im therapeutischen Team zu suchen, indem man über die bestehenden Probleme offen spricht. Lösungen können vielschichtig und gewinnbringend sein, wenn man darüber redet.
Typ-1-Diabetes fordert auch die Familie
Der Typ-1-Diabetes fordert nicht nur den Betroffenen selbst, sondern auch die Familie, die Menschen, die mit ihm zusammen leben im Alltag: „Typ-F-Diabetes“ ist das Stichwort. Eltern oder Partner sind manches Mal zu schnell mit Vorwürfen unterwegs, und der Alltag verkompliziert sich. Das Diabetesinformationsportal „DiabInfo“ bietet Podcasts mit Experten zu psychosozialen Themen in Bezug auf Typ-1-Diabetes in der Familie an.
Auch das Schulungsprogramm „DiaLife“ für Angehörige wird zukünftig eine verbesserte Kommunikation unterstützen können. Eine wichtige Coping-Strategie ist, gemeinsam mit dem therapeutischen Team zu besprechen, wie mehr Lebensqualität zu gewinnen ist, auch wenn der Diabetes „immer mit dabei“ ist. Schön, wenn Sie wie Heike Führ von multiple-arts.com sagen könnten: Ich glaube an mich! Ich weiß, dass etwas in mir ist, das größer und mächtiger ist, als jedes Hindernis.
Schwerpunkt: „Diabetes – immer dabei“
- Pause vom Diabetes: Geht das?
- Ihre Glukosewerte immer im Blick
- Coping-Strategie als Diabetes-Begleiter?
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2021; 70 (9) Seite 27-29
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bloodychaos postete ein Update vor 3 Tagen, 3 Stunden
Hey, brauche Eure Hilfe. Habe den G7 genutzt. Als der über mehrere Monate (Frühjahr/Sommer 2025) massive Probleme (teils Abweichungen von 150 mg/dL, Messfaden schaute oben heraus) machte bin ich zum G6 zurückgegangen. Dessen Produktion wird nun eingestellt. Ich habe solche Panik, wieder den G7 zu nutzen. Habe absolut kein Vertrauen mehr in diesen Sensor. Aber mit meiner TSlim ist nur Dexcom kompatibel. Ich weiß nicht was ich machen soll, ich habe solche Angst.
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ole-t1 antwortete vor 2 Tagen, 22 Stunden
Mit “meinem” Omnipod 5 wird der Dexcom G7 Ende 2026 voraussichtlich der einzige verfügbare Sensor sein.
So richtig begeistert über die Einstellung des G6 bin ich auch nicht, auch wenn es absehbar war.
Ich habe einfach die Hoffnung, dass die Qualitätsprobleme beim G7 bis dahin ausgestanden sind.Ich warte das Thema noch einige Monate ab.
Wenn ich Ende 2026 feststelle, dass die Kombination aus meiner Pumpe und dem CGM für mich nicht funktioniert, bin mir sicher, dass meine Diabetes-Ärztin und ich eine gute Lösung für mich finden.Hier habe ich aufgeschnappt, dass für die t:slim wohl eine Anbindung des Libre 3 in der Mache ist:
https://insulinclub.de/index.php?thread/36852-t-slim-mit-libre-3-wann/
Leider steht keine überprüfbare Quelle dabei. 🤷♂️Ein weiterer mir wichtiger Gedanke:
Angst und Panik sind in diesem Zusammenhang vermutlich keine hilfreichen Ratgeber. Hoffentlich schaffst Du es, dem Thema etwas gelassener zu begegnen.
(Das sagt der Richtige: Ich habe in meinem letzten DiaDoc-Termin auch die Hausaufgabe bekommen, mal zu schauen, was mir gut tut.) -
bloodychaos antwortete vor 2 Tagen, 16 Stunden
@ole-t1: Hey Ole, ganz lieben Dank für Deine Nachricht. Die Produktion des G6 endet laut einem Artikel auf dieser Seite ja zum 1. Juli 2026. Wann der Libre3 mit der TSlim kompatibel sein wird weiß man ja noch nicht. An sich gefällt mir Dexcom auch besser als Libre und die erste Zeit lief der G7 ja auch super bei mir. Ich kann mir schwer vorstellen, dass der G7 von heute auf Morgen nicht mehr bei mir funktioniert? Es gab ja auch das Gerücht das Dexcom eine zeitlang Produktionsprobleme hatte, dass wäre ja eine Erklärung, aber da geht Dexcom natürlich auch nicht mit hausieren.
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rolli-xx antwortete vor 1 Tag, 3 Stunden
@bloodychaos: Moin, ich benutze den G 7 seit Dezember 2022 (vorher G 6). Seit Dezember 2024 in Kombination mit der t:slim X 2 Ja, es hat immer mal wieder einen Sensor gegeben, der nicht richtig funktioniert hat . Dann wurde ein neuer gesetzt, der Vorfall an Dexcom gemeldet und es gab dann wenige Tage später einen neuen Sensor.
Wie ole-t1 schon geschrieben hat, erst einmal die Ruhe bewahren und nicht in Panik verfallen. Alle auf dem Markt erhältlichen Sensoren haben Schwankungen in der Genauigkeit ihrer Angaben. Wichtig ist daher zu beurteilen, ob das, was der Sensor anzeigt, überhaupt sein kann.
Zum Beispiel durch blutiges Nachmessen (dabei bitte dran denken, dass der Gewebezucker, den die Sensoren messen, rd. 20-30 Minuten hinter dem Blutzucker hinterher hinkt).
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loredana postete ein Update vor 4 Tagen, 23 Stunden
Die Registrierung mit dem Geburtsjahr war echt sportlich. Wollte es schon fast wieder abbrechen.
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