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Als Menschen mit Diabetes leben wir täglich mit einer großen Verantwortung unserem eigenen Körper und unserem Umfeld gegenüber. Es gibt Tage, an denen uns das leicht fällt, und dann wiederum welche, an denen nichts so zu funktionieren scheint, wie es soll. Manchmal habe ich dabei das Gefühl, mein Diabetes würde als kleiner „Kumpel“ auf meiner Schulter sitzen – wie Engelchen und Teufelchen in einer Person. Lust auf einen Tag mit meinem kleinen Kumpel, dem DiaBuddy? Dann mal los.
Ich schlage die Augen auf. Irgendetwas stimmt nicht. Mir ist schlecht und irgendwie fühlen sich meine Arme und Beine merkwürdig an. Als wären die Muskeln durch Wackelpudding ersetzt worden.
Buddy schaukelt mit den Beinen von meiner Schulter. „Na? Auch endlich wach? Hör mal, so geht das nicht. Du musst besser aufpassen. Los jetzt, steh auf!“
Verständnislos setzte ich mich im Bett auf. Mein Kopf ist wie mit Watte ausgestopft, ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Am Rande bemerke ich, dass es mitten in der Nacht sein muss. Mein Freund schläft seelenruhig neben mir. Mein Herz klopft unangenehm schnell in meiner Brust und ich schwitze, obwohl mir nicht warm ist.
„Hypoooo!!!“, brüllt Buddy mich jetzt an und klatscht sich theatralisch mit der flachen Hand auf die Stirn.
Endlich macht es klick in meinem Kopf und ich scanne den Glukosesensor an meinem Arm. Das Display leuchtet auf und zeigt mir „42 mg/dl“ (2,3 mmol/l) an. Zu tief. Ich werde mir plötzlich meiner extremen Müdigkeit bewusst und denke für den Bruchteil einer Sekunde daran, mich einfach wieder ins Bett fallen zu lassen.
„Nenenene. Hintern hoch!“, meldet sich Buddy warnend auf meiner Schulter zu Wort und gestikuliert energisch in Richtung Schlafzimmertür.
Ich seufze innerlich und wanke in die Küche. Umständlich versuche ich, den Strohhalm des Trinkpäckchens in die Saftpackung zu stopfen. Meine Hände zittern. Ich schwanke leicht im Stehen und lehne mich vorsichtshalber an die Küchenschränke, während ich den Saft austrinke. Mein Atem ist unangenehm laut. Ich keuche, als hätte ich einen Marathon hinter mir. Mein Herz rast mittlerweile in meiner Brust. Ich fühle mich schrecklich.
„Nutella! Löffel!“ Buddy kommandiert und ich folge seinen Anweisungen.
Es kostet mich wahnsinnig viel Kraft, das Glas aufzuschrauben und den Löffel darin versinken zu lassen.
„Ein Salamitoast würde doch gut dazu passen“, schlägt Buddy jetzt vor.
Ehe ich es mich versehe, beiße ich herzhaft zwischen zwei Löffeln Nutella in das geschmierte Brot. In einem funktionierenden Teil meines Hirns denke ich, dass mir diese Kombination in ein paar Stunden widerlich vorkommen wird – doch jetzt sind diese Kohlenhydrate, die ich da in mich hineinstopfe, einfach der Himmel auf Erden. Ich weiß nicht genau, wie viel Zeit inzwischen vergangen ist, aber langsam meldet sich mein Hirn zurück zum Dienst.
„Wie wäre es mit ein paar Keksen? Oder die pappigen Chips von vorgestern Abend wären auch noch da?“, plappert Buddy leise auf meiner Schulter vor sich hin.
Ich schüttele den Kopf und bringe ihn damit zum Verstummen. Ich hatte mehr als genug, um meinen Blutzucker wieder in weniger gefährliche Gefilde zu bringen. Schmollend wippt Buddy mit dem Fuß, während ich ins Schlafzimmer schlurfe und mich schwer ins Bett fallen lasse. Der Blick auf die Uhr verrät: In drei Stunden klingelt mein Wecker. Ich stöhne innerlich auf und ziehe mir die Decke bis unter das Kinn. Jetzt, wo die Hypoglykämie vorbei ist, fühle ich mich ausgelaugt und über alle Maße erschöpft. Ich friere und kann mich kaum überwinden, die Decke ein Stück anzuheben, um meinen Zuckerwert noch einmal zu kontrollieren, bevor ich mich wieder zum Schlafen hinlege.
Als der Wecker schließlich klingelt, fühle ich mich wie vom LKW überfahren. Meine Zunge klebt an meinem Gaumen und ich bereue es augenblicklich, nach der Hypoglykämie nicht noch meine Zähne geputzt zu haben. Buddy schnarcht geräuschvoll auf meiner Schulter. Ich bin total erledigt und habe schrecklichen Durst. Wie viele Kohlenhydrate hatte ich nachts eigentlich in mich hineingestopft? Als ich mir das Schlachtfeld, das ich gestern in der Küche hinterlassen habe, besehe, versuche ich, grob die Menge zu überschlagen, während ich ein Glas Wasser hinunterstürze. Es waren wahrscheinlich so um die 8 BE. Mist.
Buddy rappelt sich stöhnend auf. „Mann, hab’ ich einen Kater“, grummelt er und stampft mit seinen Füßchen wütend auf. „Nächstes Mal spritzt du gefälligst für die tausend Kohlenhydrate, wenn du schon so gierig alles in dich reinstopfst“, schimpft er weiter.
Ich runzele die Stirn und ärgere mich über mich selbst, als ich einen Blick auf mein Messgerät riskiere. Natürlich ist der Zucker auf weit über 300 mg/dl (16,7 mmol/l) geklettert. Ich fische meine Insulinpumpe aus der Tasche und tippe die Einheiten zur Korrektur ein.
Buddy beäugt mein Tun kritisch von meiner Schulter aus. „Bist du dir da sicher? Vielleicht unterzuckerst du gleich wieder, wenn du so viel spritzt. Und dann geht es dir richtig dreckig. Ich meine so RICHTIG. Könnte natürlich auch sein, dass das zu wenig ist, was du dir da gerade spritzt. Dann rennst du noch ein paar Stunden länger mit so einem Wert rum. Das wäre ganz schön verantwortungslos in deinem Job. Willst du dich nicht lieber krankmelden?“
Am liebsten würde ich ihn von meiner Schulter kicken. Ich zögere und überprüfe noch einmal meinen Zuckerwert auf dem Display. Dann bestätige ich kurz entschlossen den Bolus und packe sicherheitshalber ein zusätzliches Trinkpäckchen und ein paar Müsliriegel in meine Arbeitstasche, ehe ich zur Arbeit aufbreche.
Buddy reibt sich die Hände. „Das könnte interessant werden“, flüstert er vor sich hin. Während des Arbeitstages piekt Buddy mich in unregelmäßigen Abständen mit seinem winzigen Finger. „Na? Fühlst du dich komisch? Könnte eine drohende Hypo sein!“, „Spürst du diesen Durst? Bist du jetzt zu hoch?“, „Die Kopfschmerzen, die da seit Stunden in deinem Hirn hämmern – die hast du dir übrigens selbst zuzuschreiben dank letzter Nacht!“ – seine gewisperten Worte gehen mir gehörig auf die Nerven.
Dank seines wahnsinnigen Starrsinns überprüfe ich am laufenden Band meinen Zuckerwert, horche immer wieder in mich hinein und versuche abzuschätzen, wie mein Körper wohl auf die nächste Mahlzeit reagieren wird.
Am Ende des Tages wippt Buddy missbilligend mit den Füßchen gegen meine Schulter. „Naja. Wenn ich das mal anmerken darf: Deine fünfjährige Diabeteserfahrung hast du heute nicht wirklich unter Beweis gestellt. Bist du eigentlich zu blöd dazu, deinen Diabetes richtig zu managen, oder schlichtweg unfähig?“
Buddys Kommentare hallen mir in den Ohren wider. Mir ist nach Heulen zumute. Der Tag hat mich physisch und mental ausgelaugt. Wenigstens haben sich meine Zuckerwerte mittlerweile wieder in geregelten Bahnen eingependelt. Als ich endlich in mein Bett krieche, möchte ich mir am liebsten die Decke über den Kopf ziehen, als Buddy zu meinem Ohr krabbelt und mir besänftigend über die Wange streichelt.
„Weißt du?“, wispert er „Jeder hat mal einen schlechten Tag. Morgen wird es bestimmt besser laufen!“
Und mit diesem Mantra schlafe ich ein.
3 Minuten
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