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Achtung unpopular opinion: Natürlich ist Diabetes wie jede Krankheit an und für sich nicht witzig. Aber ist das ein Grund für mich, weniger zu lachen? NEIN! Sollten Freunde oder Familie über meine Krankheit witzeln? Sehr dünnes Eis. Tun sie es trotzdem? Yes! Sollte Oma Hilde endlich die Diabetiker-Schokolade für mich verbrennen? Bitte! Werde ich sie weiter jedes Jahr lächelnd entgegennehmen? Natürlich!
Klar sollten wir unwissende Menschen über Diabetes aufklären, da bin ich ganz bei euch. Aber wir sollten meiner Meinung nach auch alles nicht ganz so ernst nehmen und den Menschen in unserer Umgebung gegenüber toleranter sein. Letztendlich sind die meisten ihrer Berührungspunkte mit Diabetes über Filme, die den Stand der Medizin aus den 60ern darstellen. Und deshalb werde ich weiter Witze darüber machen, dass ich behindert bin, mit meinen Freunden über mein letztes Unterzucker Trauma lachen, statt zu weinen, und Lisa geduldig zum zehnten Mal erklären, dass ich mit Diabetes alles essen darf.
Unter anderem für den Diabetes habe ich mir gewisse Routinen eingebaut, die mir das Leben leichter machen. Ich ernähre mich die meiste Zeit low carb und betreibe Intervallfasten. Ich nehme die Kommentare hin, wenn ich nach 16 Uhr nichts mehr esse, und die wöchentlichen Jokes, wohin ich denn diesmal auswandere, wenn ich wieder mal Diabetesbedarf für ein Wochenende einpacke. Je nach Stimmung lache ich mit oder lächle höflich. Und das passt für mich. Meine Lebensaufgabe ist es nicht, andere aufzuklären, solange ich mit den kleinen Provokationen hier und da gut zurechtkomme.
Seien wir mal ehrlich: Klar sind wir Experten bezüglich unseres Diabetes und kennen so gut wie jede Facette dieser Krankheit. Aber wie viele Fauxpas haben wir uns schon in Bezug auf andere Krankheiten geleistet? Oder in einem komplett anderen Themengebiet, in dem wir mitreden wollten, obwohl wir eigentlich keine Ahnung haben? Jeder ist irgendwo unwissend und sollte Unwissenden gegenüber mehr Verständnis aufbringen, statt sich über ihre Ahnungslosigkeit aufzuregen. Aber es gibt nun einmal auch diese Momente, in denen uns der Diabetes jegliche Nerven und Energie raubt.
Viele teilen hier ihren täglichen Kampf mit dem Diabetes. Gerade für Menschen, die erst frisch diagnostiziert wurden oder noch nicht richtig eingestellt sind, ist es daher umso wichtiger, eine so große Community zu haben, die an ihrer Seite kämpft. Wir können unsere Erfahrungen teilen, uns gegenseitig unterstützen und mit dem anderen mitfühlen, der heute schon die dritte Hypoglykämie durchmachen musste. In gewisser Hinsicht nimmt uns die Krankheit an schlechten Tagen Energie, die wir gerne für etwas anderes eingesetzt hätten. Das ist die eine Seite.
Durch meinen Austausch mit anderen sehe ich aber auch so viel Kraft! Die Diabetiker, die ich kennenlernen durfte, lassen sich nicht unterkriegen. Sie können sich ihren Tag gut planen, denken im Voraus und behalten in stressigen Situationen einen kühlen Kopf. Sie können super Verantwortung für sich selbst übernehmen und kommen sehr gut alleine klar. Und woran liegt das? Weil wir es sehr schnell lernen mussten. Wenn es ums Überleben geht, macht das Hirn keine Kompromisse.
Natürlich ist Diabetes kein Allheilmittel gegen Marotten. Ich bin weiterhin tollpatschig. Ich reiße mir regelmäßig Sensoren beim Laufen gegen Türrahmen ab. Und ich habe meine Medikamente schon so oft vergessen oder irgendwo liegen gelassen, dass ich darüber ein Buch schreiben könnte (Grüße gehen raus an die letzte Fluggesellschaft). Da ich es bis jetzt aber immer trotzdem geschafft habe, lässt mir mein Hirn meine Verpeiltheit und nimmt hin, dass ich ab und zu in dumme Situationen gerate. Und das ist die Lektion, die man daraus ziehen sollte: Man bekommt das Ganze immer irgendwie hin.
Daher finde ich, sollte man dem Diabetes mehr Gutes anrechnen. Natürlich ist er eine Krankheit, natürlich belastet er mich, aber ich bin durch ihn auch so viel stärker geworden. Je nachdem, wie sehr man sich einschränken lassen will oder auch nicht, muss man sich gegenüber Ärzten, Krankenkassen, Flugzeugkontrollmenschen etc. regelmäßig durchsetzen und dafür bin ich sehr dankbar. Wenn ich eins kann, dann ist es kämpfen. Für meine Liebsten, für meine Rechte und für meinen Körper. Wegen mir können die nächsten Hindernisse gerne kommen, ich bin bereit.
Du siehst es vielleicht noch nicht, aber in dir steckt, denke ich, genauso ein Kämpfer. Und ich betone das Wort Kämpfer. Es ist es völlig okay, mal einen Kampf zu verlieren. Wenn ich 10 Mal hingefallen bin, bin ich dafür 11 Mal aufgestanden. Und darauf kommt es an. Ich erinnere mich an die Kämpfe, die ich bereits gewonnen habe, und denke an die weiteren 100, die ich meistern werde!
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