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Ich war 19, mitten im zweiten Semester und hatte mich gerade erst in Leipzig, meiner neuen Wahlheimat, eingelebt. Ich genoss das Großstadtleben in vollen Zügen und lebte in den Tag hinein, ohne mir über irgendwas groß Gedanken machen zu müssen.
Dann kam, im Sommer 2016, die Diagnose. Sie schlug ein wie ein Blitz und teilte mein Leben in zwei Hälften – ein Leben ohne und ein Leben mit Typ-1-Diabetes.
Als ich damals in der Notaufnahme lag, angeschlossen an verschiedene Geräte, und mir die Ärztin verkündete, dass ich einen Blutzuckerwert von 36,4 mmol/l (655 mg/dl) hätte, wusste ich zwar noch nicht genau, was das jetzt für mich bedeutete, ahnte aber nichts Gutes. Diabetes Typ 1 war etwas, mit dem ich aufgewachsen war (mein Vater hat seit seiner Kindheit Typ-1-Diabetes). Aber über das ich kaum wirklich etwas wusste. Ich kannte Spritzen und Insulinpumpen, aber nahm das alles nie so wahr, weil mein Vater auch nie ein großes Thema draus machte und ich mich auch nicht wirklich dafür interessierte.
Doch jetzt war der Diabetes für mich keine Randerscheinung mehr. Nicht nur die Krankheit meines Vaters, sondern auch meine.
Ich weinte, stundenlang. Ich hatte einfach nur Angst. Angst, weil ich dachte, mein Leben wäre vorbei. Ich hatte Angst, weil ich mir nicht vorstellen konnte, so zu leben. Ich hatte Angst vor der Krankheit, aber auch vor den Reaktionen meiner Freunde, Bekannten, Kommilitonen. Ich hatte schon lange Probleme mit meinem Körper, fand mich zu dick und deshalb unattraktiv. „Jetzt würden bestimmt alle denken und sagen, ich hätte Diabetes, weil ich fett bin“, redete ich mir ein. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass mich jemand so lieben könnte. Jemand mit einer jungen Frau zusammen sein möchte, die Diabetes hat.
All diese Gedanken brachen in den ersten Tagen über mich herein wie eine Flutwelle und ich dachte, ich ertrinke darin. Damit das nicht passierte, beschloss ich, mich sofort „an die Arbeit“ zu machen. Das bedeutet, dass ich so schnell wie möglich alles über meine Krankheit, meinen „Feind“ Typ-1-Diabetes, wissen wollte. Ich stürzte mich in Lektüre, die mir meine Ärzte gaben, machte mir ausführliche Notizen in den Schulungen und machte schnell große Fortschritte, zur Begeisterung aller. Es machte wirklich den Anschein, ich hätte das alles relativ gut verkraftet und weggesteckt. Ich verfolgte fixiert mein Ziel – den Diabetes so im Griff haben, dass es niemand merkt, dass es mich nicht beeinträchtigt, dass ich so unbeschwert weitermachen kann wie bisher.
Doch dieses Ziel war eine Utopie. Nach den 10 Tagen Krankenhaus entließ man mich in die „reale“ Welt, wo ich jetzt selbst für meinen Alltag verantwortlich war. Schnell merkte ich, dass meine Pläne nichtig waren und ich nicht die geringste Ahnung hatte, wie ich mit allem klarkommen sollte. Ich war sehr schnell total überfordert und regelmäßige Panikattacken schlichen sich in mein Leben, bis ich schließlich auch depressiv wurde. Denn anstatt mich mit meinen Ängsten und Sorgen auseinanderzusetzen, hatte ich sie bloß verdrängt und jetzt bekam ich die Quittung dafür. Schlechte Werte und ein noch schlechterer mentaler Zustand.
Heute kann ich stolz sagen, dass sich viel zum Guten gewendet hat. Ich habe gelernt, mit meinem Diabetes zu arbeiten und nicht gegen ihn. Drei Jahre nach meiner Diagnose kann ich endlich offen über meine Krankheit reden und schäme mich nicht mehr für sie. Vor mir liegt noch ein langer Weg, den ich aber jetzt ganz offen, ohne Verstecken und mit Menschen an meiner Seite, die mich unterstützen und so lieben, wie ich bin, gehen kann.
Kaum jemand wird die Diabetes-Diagnose leicht verkraften und das ist okay so! Ina hat sich Gedanken dazu gemacht: Diagnose Diabetes – „schlechte“ Gefühle erlaubt?
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