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Körper + Geist = Match-Ball = Blutzuckerkurve
Erst kürzlich wurde ich von einer Freundin, die an Gestationsdiabetes (Schwangerschaftsdiabetes) litt, gefragt, ob emotionaler Stress die Zuckerwerte beeinflusse. Sie sei völlig verzweifelt, erzählte sie mir, denn sie habe so akribisch auf ihre Ernährung geachtet. Trotzdem fielen ihre Werte schlecht aus und waren viel zu hoch. Sie sei vor dem Blutzuckertest so nervös gewesen und habe die Nacht zuvor auch schlecht geschlafen, führte sie weiter aus. Jetzt müsse sie jeden Tag mehrfach Blutzucker messen und folge sehr strengen, diätetischen Regeln, damit sie auf keinen Fall zuckersenkende Medikamente nehmen müsse. Die Angst, dass sie durch ein Fehlverhalten ihrem ungeborenen Kind schaden könnte, ist so groß, dass sie plötzlich anfing zu weinen.
Bei dieser Schilderung gingen bei mir gleich alle „Alarmglocken“ an. Als langjährige Diabetikerin – und zweifache Mama – weiß ich nun mal, dass es viele Dinge gibt, die den Blutzuckerwert beeinflussen können. Und die Psyche gehört meiner Erfahrung nach massiv dazu. Leider beziehen das viele Hausärzte – die Diabetes nur aus dem Schulbuch kennen und behandeln – nicht mit ein und daran verzweifeln dann einige „Diabetes-unbedarfte“ Frauen wie meine Freundin.
Mittlerweile kenne ich insgesamt vier Frauen aus meinem Umfeld, die an Schwangerschaftsdiabetes litten und leiden. Alle wurden dahingehend „falsch“ beraten, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes während der Schwangerschaft auf Diät gegangen sind. Die möglichen Gefahren für das Neugeborene sind nach meinem Dafürhalten von einer strengen Diät mindestens genauso hoch wie ein schlecht eingestellter Diabetes. Das finde ich persönlich fast kriminell.
Darüber hinaus finde ich, dass die heutige Medizin vielmehr die Wechselwirkung zwischen Körper und Geist erfassen und mitberücksichtigen müsste.
Ich kann gar nicht aufzählen, wie oft ich selbst unter enormem psychischem Stress stehe und mein Blutzucker gefährlich hohe Spitzen erzielt. In solchen Situationen muss ich meist viele Male spritzen, weil die erhoffte Wirkung des Insulins immer wieder im „Nichts“ zu verpuffen scheint. Immer wieder gerate ich in solche Situationen. Vor allem, wenn ich zuvor angespannt oder übermüdet bin, Ärger habe, sehr traurig bin und – unpraktischer Weise – zusätzlich noch die Angst vor Kontrollverlust und einer Ketoazidose habe.
Es ist nicht nur eine Phrase, dass Körper und Geist eng miteinander verbunden sind. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) sowie viele andere Wissenschaftler, Mediziner und Forscher haben schon lange erkannt, dass Erkrankungen wie Demenz, Depression, Ess- und Angststörungen unter Diabetes-Patienten häufiger auftreten als bei „herkömmlich gesunden“ Menschen. Ferner zeigen Erhebungen, dass doppelt so viele Diabetiker an Depressionen erkranken wie im Vergleich Gleichaltrige ohne Vorerkrankung. Auch Angst- und Essstörungen treten laut DDG ebenfalls mit einem 20% höheren Risiko bei Diabetikern auf.
Oftmals steht die Angst eines Kontrollverlusts im Mittelpunkt und produziert emotionalen Stress. Das beeinflusst die Psyche spürbar negativ. Obwohl ich das schon zigmal erlebt habe, kämpfe ich dennoch immer wieder mit Unsicherheit und agiere nicht selten zögerlich in der weiteren Insulinabgabe. Natürlich zieht das wieder einen „Rattenschwanz“ hinter sich her. Es kurbelt nochmal kräftig die Ausschüttung von Stresshormonen an, die wiederum meinen Blutzucker wieder ansteigen lassen…
Jedes Mal, wenn mir das passiert, stoße ich in meiner Familie eher auf Unverständnis. Obwohl ich nun mehr als 17 Jahre bereits diese Krankheit habe und es klar sein müsste, dass das Leben mit Diabetes volatil ist, scheinen gesunde und sogar sehr vertraute Mitmenschen zu glauben, es sei leicht in „Schach zu halten“ – wie Kopfschmerzen: „Nimm halt eine Tablette, trink Wasser und leg kurz die Beine hoch.“ Oder: „Mach halt mal sowas wie Yoga!“
Oh, wie mich dieses Unverständnis manchmal ärgert. Insbesondere, wenn man selbst von Sorge und Angst „gebeutelt“ ist und ich in meinem Fall dann auch noch an den Kopf geworfen bekomme, ob ich nicht mal besser auf mich aufpassen könne. Ich sollte doch am besten wissen, dass jeder unkontrollierte Überzucker ein weiterer Sargnagel für mich bedeute, heißt es dann in unnötigen Diskussionen… Solche Dialoge sind natürlich eine starke Hilfe (Sarkasmus!) und erhöhen weder Stresslevel noch Blutzuckerkurve!
Gerne denke ich in Situationen wie diesen an die weltweiten Aufmerksamkeitskampagnen rund um das Thema Diabetes! Wie soll man weltweit auf Diabetes aufmerksam machen und völlig unbedarften und fremden Menschen diese Krankheit mit ihren Höhen und Tiefen, Gefahren und Einflussfaktoren näherbringen, wenn noch nicht einmal das unmittelbare Umfeld – Typ F – wirklich nachvollziehen kann und will, dass Diabetes nun mal nicht immer auf achtsame Medikamentenzufuhr brav reagiert?
Abgesehen davon ist die Nummer mit dem „Beine hochlegen“ bei berufstätigen oder gar selbständigen Menschen so eine Sache… Ich bin fast froh, wenn wieder Montag ist und mich – bei der Arbeit – vom Wochenende erholen kann, wo gefühlt 12 Stunden lang nach mir gerufen und geplärrt wird.
Viele psychologische Studien geben an, dass es im Durchschnitt sieben (!) Jahre dauert, bis eine psychosomatische Erkrankung diagnostiziert ist. Das liegt in meinen Augen immer noch daran, dass viele Ärzte die Wirkung eher behandeln als die Ursache. Gerade weil bei Diabetikern der Blutzucker dranhängt und damit auch das insgesamte Wohlbefinden, plädiere ich dafür, dass eine psychologische Fürsorge bei Diabetikern ein neuer Standard sein sollte.
Was also würde uns Diabetikern wirklich helfen, psychosomatischen Problemen und unkontrollierbaren Zuckerkurven vorzubeugen oder sie zu behandeln?
Habt Ihr noch mehr gute Ideen dazu? Ich freue mich auf Eure Kommentare!
Eure Vivi
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