- Eltern und Kind
Essstörungen – Is(s)t mein Kind gesund?
4 Minuten

Lisa ist 12, sie liebt Tiere und insbesondere ihre Kaninchen. Mit dem Reitunterricht hat sie vor kurzem aufgehört, weil sie sich von den anderen Mädchen in der Gruppe ausgeschlossen und nicht verstanden gefühlt hat. Ein paarmal sind Witze über "das arme Pferd" gefallen oder Bemerkungen darüber, dass sie doch "den Pferden zuliebe" auf die Süßigkeit nach dem Training verzichten sollte. Auch in der Schule haben die Mitschüler schon Bemerkungen über ihre Figur gemacht. Nach Möglichkeit versucht Lisa, den Sportunterricht zu vermeiden. Sie schämt sich, wenn sie sich umziehen muss. In der Pause nascht sie gerne – aber nur heimlich, damit die anderen keine blöden Bemerkungen machen. Ein paarmal hat sie schon versucht abzunehmen. Sie macht sich Pläne und versucht dann, nur noch eine Mahlzeit pro Tag zu sich zu nehmen. Oft hat sie Heißhunger und isst dann große Mengen.
Luis ist 17, er hat viele Freunde in der Klasse, mit denen er gerne etwas unternimmt oder die Nächte durch am PC sitzt. Die meisten sind sehr sportlich und viel muskulöser als er. Seit kurzem geht er mit den anderen ins Fitnessstudio. Er möchte unbedingt Muskeln aufbauen und hat sich einen strengen Trainings- und Ernährungsplan aufgestellt. Immer wieder gibt es Ärger mit seiner Mutter, weil er versucht, sich hauptsächlich eiweißreich zu ernähren und Kohlenhydrate zu meiden.
Merle ist 18, sie besucht das Gymnasium und ist eine sehr gute Schülerin, und sie bekommt viel Anerkennung für ihre guten Noten. Es ist ihr sehr wichtig, gut auszusehen, und sie ist stolz darauf, in den letzten Monaten so gut abgenommen zu haben. Bei den letzten Ambulanzbesuchen hat sich allerdings gezeigt, dass ihr Langzeitblutzuckerwert drastisch angestiegen ist. Ihre Eltern haben sich darüber ziemlich aufgeregt. Die Insulinpumpe möchte sie nicht mehr tragen und sich um ihre Diabetesbehandlung komplett alleine kümmern. An Familienmalzeiten nimmt sie nicht mehr teil – es gibt eh‘ immer nur Streit mit ihrer Mutter über ihre Essgewohnheiten.
"Normal" oder schon problematisch?
Als Eltern machen wir uns oft Sorgen um unsere Kinder und fragen uns, ob ein bestimmtes Verhalten "noch normal" ist. Der Übergang von normalen schlechten Stimmungen oder ungünstigen Verhaltensweisen zu psychischen Störungen ist in der Regel fließend. Jedes Kind ist mal traurig oder ängstlich, ohne gleich eine Depression oder eine Angststörung zu haben. Und viele Kinder essen phasenweise mehr oder weniger oder nur ganz bestimmte Lebensmittel, ohne an einer Essstörung zu leiden.
Deshalb ist es gar nicht so einfach, zu erkennen, wann professionelle Unterstützung notwendig und sinnvoll ist. Essstörungen entwickeln sich mit der Zeit, und häufig tritt vorab ungünstiges oder gestörtes Essverhalten über eine längere Zeit und in starkem Ausmaß auf. Daraus kann sich dann eine behandlungsbedürftige Essstörung entwickeln. Es gibt ypische Anzeichen, die auf eine Essstörung bei Jugendlichen hindeuten können. Das heißt aber nicht, dass Teenager automatisch krank sind, wenn gelegentlich ein oder mehrere dieser Anzeichen zu beobachten sind. Eine klinische Diagnose können nur Fachleute stellen!
Achten Sie auf Veränderungen
Eltern sollten jedoch aufmerksam für bestimmte Hinweise sein, wie deutliche Veränderungen im Essverhalten: Wenn ihr Kind bespielsweise häufig bestimmte Nahrungsmittel meidet, Mahlzeiten auslässt, abwechselnd große Mengen und sehr wenig isst oder sich selbst sehr strenge Regeln aufstellt. Auch eine deutliche, unerklärliche Gewichtsabnahme in relativ kurzer Zeit oder eine Verschlechterung der Stoffwechseleinstellung können Hinweise auf essgestörtes Verhalten sein. Viele Jugendliche mit einer Essstörung sind sehr unzufrieden mit ihrem Gewicht und ihrer Figur. Sie beschäftigen sich gedanklich sehr viel mit Strategien zur Gewichtsabnahme. Oft ziehen sich die Betroffenen mit der Zeit von Freunden zurück und vermeiden zuvor beliebte Hobbies und Aktivitäten, sind gereizt und stimmungslabil. Die häufigsten Essstörungen sind die Magersucht (Gewichtsverlust, extrem niedriges Gewicht), die Bulimie (Essattacken gefolgt von Gegenmaßnahmen wie z. B. Erbrechen) und die Binge-Eating-Störung (Essattacken ohne Gegenmaßnahmen).
Essen ist für uns alle wichtig, doch bei Typ-1-Diabetes hat die Nahrungsaufnahme einen besonderen Stellenwert – jede Mahlzeit und jeder Snack müssen berechnet und der Körper entsprechend mit Insulin versorgt werden, um eine optimale Stoffwechseleinstellung zu gewährleisten. Sind Jugendliche mit Diabetes deshalb stärker gefährdet, eine Essstörung zu entwickeln? Einige Studien sprechen dafür, in anderen Untersuchungen finden sich keine erhöhten Raten im Vergleich mit stoffwechselgesunden Jugendlichen. Allerdings scheint es einen bedeutsamen Anteil an Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes zu geben, der ungünstige Strategien zur Gewichtsreduktion einsetzt oder essgestörtes Verhalten zeigt. Bei Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes kann dies auch die Unterdosierung oder das Weglassen von Insulin sein, mit dem Ziel abzunehmen. Dieses sogenannte "Insulin-Purging" ist eine gewichtsreduzierende Maßnahme, die ausschließlich Menschen mit Typ-1-Diabetes zur Verfügung steht und zu einer unzureichenden Qualität der Stoffwechseleinstellung führt. Wenn Eltern den Verdacht haben, dass ihr Kind eine Essstörung entwickelt, kann das starke Ängste auslösen. Es ist hilfreich, wenn es ihnen dennoch gelingt, ruhig zu bleiben. Ein offenes Gespräch mit dem betroffenen Kind sollte zu einem günstigen Zeitpunkt stattfinden, also nicht im Streit oder in Eile. Damit das Gespräch konstruktiv verläuft, sollten Eltern Vorwürfe vermeiden und stattdessen eigene Beobachtungen, Gedanken und Gefühle beschreiben ("Ich mache mir Sorgen, weil…"). Es ist auch wichtig, dass Eltern selber ein gutes Vorbild sind und sich regelmäßig und gesund ernähren und keine übertriebenen Ideen bezüglich Figur und Gewicht vertreten. Frühzeitig professionelle Hilfe aufzusuchen, erhöht die Chancen für eine erfolgreiche Behandlung.
Das Positive im Blick behalten
In belastenden Situationen kommen positive Augenblicke häufig zu kurz. Um dem entgegenzuwirken, können Eltern bewusst schöne Zeiten und Aktivitäten mit der Familie einplanen – unabhängig von den gerade bestehenden Schwierigkeiten und Sorgen. Beschäftigen Sie sich mit Dingen, die Ihrem Kind Spaß machen. Bestätigung und das Gefühl von Geborgensein geben Kindern Halt und Stabilität.
Ob Lisa, Luis oder Merle eine Essstörung haben oder nicht, kann nur durch eine ausführliche psychologische Diagnostik herausgefunden werden. Sicher ist, dass auch milde Formen gestörten Essverhaltens bei Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes zu einer unzureichenden Stoffwechseleinstellung führen können. Deshalb ist es wichtig, dass sich betroffene Familien rechtzeitig professionelle Hilfe holen.
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gingergirl postete ein Update vor 2 Tagen, 21 Stunden
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus -
hexle postete ein Update vor 4 Tagen, 1 Stunde
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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