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Da ist sie nun: Die Diagnose und der daraus resultierende unkündbare Mietvertrag mit dem neuen (unerwünschten) Mitbewohner auf Lebzeit – Diabetes mellitus Typ 1.
Ganz schön dreist, dieser Mitbewohner. Kommt von heute auf morgen ins Leben gestolpert und verlangt dann auch gleich noch die volle Aufmerksamkeit.
Das bedeutet auch, dass er nicht mal nachts Rücksicht nimmt – und nicht selten die Nacht zum Tag macht.
Sind wir doch mal ehrlich: Jeder reale Mitbewohner wäre vermutlich schon nach 2 Tagen im hohen Bogen aus der Wohnung geflogen.
Man muss sich miteinander arrangieren. Das heißt nicht, dass das besagte „Die Nacht zum Tag machen“ nach 15 Jahren Diabetes plötzlich Spaß machen würde (gewiss nicht!), aber wenn der erste Schock nach der Diagnose einmal überwunden ist, wird es leichter.
Denn ganz entgegengesetzt vieler verbreiteter Annahmen dürfen wir trotzdem weiter Cookies, Zuckerwatte und den ganzen Kram essen. Jeder Zahnarzt würde bei dem Thema wohl die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, nicht aber der Diabetologe.
Auch an das vorerst ungewohnte, unangenehme Spritzen kann und wird man sich gewöhnen. Von Tag zu Tag wird es leichter, weil sich der Mitbewohner immer mehr in den eigenen Alltag integriert.
Auch bei mir hat das Zusammenleben nicht auf Anhieb funktioniert. Ich hatte gerade gelernt meine Schuhe zu binden, als ich mit meinen 6 Jahren und dem Einzug des Mitbewohners vor weitaus größere Herausforderungen gestellt wurde. Plötzlich war das Zählen bis 10 mein kleinstes Problem. Mein Zahlenraum lag ab jetzt zwischen 50 und 300.
Für meine Familie und mich bedeutete das, dass Reisen ab jetzt auch nur noch mit dem Mitbewohner im Handgepäck möglich war.
Man könnte meinen der Diabetes habe Flugangst, aber in Wirklichkeit waren es wohl wir, die zu viel Angst vor einer weiten (Flug-)Reise in die Ferne hatten. Denn was wäre wenn…?
Somit verbrachten wir in den kommenden Jahren unseren Urlaub in den nahegelegenen Niederlanden, um im Was-wäre-wenn-Fall innerhalb weniger Stunden wieder Zuhause sein zu können. Natürlich ist der besagte Fall nicht einmal eingetreten.
Heute weiß ich, dass es im Regelfall nicht der Diabetes ist, der solche Grenzen setzt, sondern vielmehr unsere Angst und das fehlende Selbstvertrauen. Es gibt weltweit aktuell knapp 290 Millionen Diabetiker. Auch im fernen Ausland, sollte der ein oder andere also für den besagten Was-wäre-wenn-Fall gerüstet sein. Wieso also den Diabetes vorschieben, wenn es beispielsweise darum geht, die Welt zu erkunden?
Gesagt, getan. Den Koffer gefühlte 80-mal kontrolliert, ob auch wirklich alles in ausreichenden Mengen dabei ist, geht es einige Jahre später in die USA. Und weil es kaum etwas gibt, das tatsächlich mit dem Diabetes im Handgepäck nicht geht, gleich auch noch zu einem der trockensten Plätze weltweit: die Wüste Nevadas und das Death Valley.
Man muss sich gut vorbereiten, den Blutzucker immer wieder kontrollieren und auf einem akzeptablen Level halten, was einem mit Jet-Lag wirklich vor eine Herausforderung stellen kann; aber auch das ist möglich, wenn man es sich nur zutraut!
Nicht der Mitbewohner verbietet es, ein Abenteuer zu erleben – sei es eine Reise oder etwas anderes: Der Einzige, der im Weg stehen kann, ist man selbst. Wenn man etwas wirklich möchte, und das habe ich in den letzten Jahren gelernt, dann muss man dafür einstehen und kämpfen. Und das lohnt sich.
Wo Andere sagen, das klappt doch niemals, habe ich Insulin bei 45 Grad Außentemperatur durch das Death Valley transportiert. Wieso nicht auch dem Diabetes als akzeptieren Mitbewohner und Begleiter etwas von der Welt zeigen?
Denn die Ausrede “geht nicht”, gibt’s nicht!
Außer vielleicht, was das Verhindern von Heißhungerattacken bei Unterzuckerungen angeht. Für diese Herausforderung suche ich immer noch nach dem Geheimrezept!
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