Sollen wir an einer Studie zur Früherkennung teilnehmen?

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Sollen wir an einer Studie zur Früherkennung teilnehmen?

Sie haben medizinische und/oder psychosoziale Fragen bezüglich Kindern und Jugendlichen mit Diabetes? Die Experten des Diabetes-Eltern-Journals geben Ihnen in der Rubrik Nachgefragt Antwort!

Die Frage von Familie M.:

Vor vielen Jahren haben Sie uns unterstützt, als unser Sohn Johannes Diabetes bekommen hat. Inzwischen ist er 28 Jahre alt, hat sein Maschinenbaustudium erfolgreich abgeschlossen und ist vor zwei Monaten Vater eines kleinen Mädchens geworden.

Der betreuende Kinderarzt hat unserem Sohn und seiner Frau geraten, an einer Studie zur Früherkennung eines Diabetesrisikos bei Marie teilzunehmen, die das Helmholtz Zentrum München anbietet. Die jungen Eltern und auch wir sind uns unsicher, und wir versuchen, dazu nähere Informationen zu bekommen. Wir würden uns freuen, dazu von Ihnen zu hören.


Die Antwort von Prof. Dr. Karin Lange:

Es freut mich sehr, nach so vielen Jahren wieder so positiv von Ihnen zu hören. Ich möchte kurz auf Ihre Frage antworten. Als Psychologin bin ich an den Studien zum Screening auf ein erhöhtes Diabetesrisiko oder auf frühe Stadien des Typ-1-Diabetes beteiligt. Dabei ist es meine Aufgabe, mit dem ganzen Team wissenschaftlich zu schauen, dass es teilnehmenden Eltern und Kindern gut geht.

Meine Motivation dafür ist die folgende: Insulin haben wir seit fast 100 Jahren, aber so richtig neue Erkenntnisse, wie der Diabetes verhindert werden kann, haben wir leider bisher nicht. Deshalb sollten wir alle etwas tun, um den Diabetes vielleicht irgendwann verhindern zu können.

Über die Teilnahme an den Studien sollten die Eltern des kleinen Mädchens gut informiert entscheiden. Was kann eine Familie dadurch gewinnen, wo könnten sich Nachteile ergeben?

  1. Wenn ein Elternteil selbst Diabetes hat, bleibt bei vielen die Sorge im Hinterkopf, dass das Kind Diabetes bekommen könnte. Das frühe Screening auf ein genetisches Risiko kann vielen Eltern diese Sorge nehmen, weil es zeigt, dass der Diabetes bei ihrem Kind sehr, sehr, sehr unwahrscheinlich ist. Das kann entlasten.
  2. Wenn es sich aber im selteneren Fall herausstellt, dass ein kleines Kind ein deutlich erhöhtes erbliches Risiko hat, dann werden die Eltern von Anfang an gut durch das Studienteam beraten und erhalten frühzeitig die richtige Hilfe, wenn die ersten Anzeichen des Diabetes auftreten sollten. Das Kind hat in dieser frühen Phase noch keinen Diabetes, nur ein erhöhtes Risiko. Die Mehrheit dieser Kinder wird trotz erhöhtem Risiko nie Diabetes bekommen.
  3. Diese Familien können an einer wissenschaftlichen Studie teilnehmen, bei der das Immunsystem des Kindes so „trainiert“ wird, dass es sich nicht gegen die insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse richtet. Dazu erhält das Kind über längere Zeit zu den Mahlzeiten täglich kleine Insulinmengen als Pulver zum Schlucken.

Sie wissen ja, dass geschlucktes Insulin den Blutzucker nicht beeinflusst. Die Forscher haben aber gut belegte Hinweise, dass das Insulin über die Mundschleimhaut aufgenommen wird und dort das Immunsystem beeinflusst. Das Abwehrsystem soll dadurch lernen, die Betazellen des Kindes nicht anzugreifen und damit die Entwicklung eines Diabetes verhindern. Ob das wirklich funktioniert, soll diese Studie zeigen.

Das wären die Vorteile an der Studienteilnahme: Alle teilnehmenden Familien tragen etwas dazu bei, dass wir später vielleicht wissen, wie Diabetes verhindert werden kann. Kinder mit einem hohen Risiko und ihre Eltern werden gut betreut, sodass sie im Fall einer Diabeteserkrankung sehr gut vorbereitet sind. Dazu zeigt eine aktuelle Studie aus Schweden, dass die Kinder, deren Diabetesrisiko durch ein Screening frühzeitig festgestellt wurde, im Fall einer Diabeteserkrankung in den ersten fünf Jahren eine deutlich stabilere Stoffwechseleinstellung hatten als Kinder, bei denen der Diabetes plötzlich aufgetreten ist.

Das wären Nachteile: Manche Eltern entwickeln große Ängste wegen des erhöhten Risikos, dies sind nach unseren Erfahrungen jedoch nur wenige Elternteile, denen wir individuelle Hilfen anbieten. Außerdem werden Eltern ihrem Kind für einige Zeit das Insulinpulver einmal täglich morgens geben und regelmäßig an Untersuchungen teilnehmen, die möglichst kindgerecht durchgeführt werden. Dies ist im Norden in Hannover möglich, im Süden in München. Das bedeutet schon etwas Aufwand, kann aber auch Sicherheit vermitteln.

Nachgefragt
In jeder Ausgabe des Diabetes-Eltern-Journals beantworten Experten Fragen aus dem medizinischen und psychosozialen Bereich. Wenn Sie eine Frage haben, können Sie an Professor Karin Lange ( Lange.Karin@mh-hannover.de
) oder Dr. Torben Biester ( biester@hka.de
) schreiben – oder Sie wenden sich anDiabetes-Eltern-Journal-Redakteurin Nicole Finkenauer (E-Mail: finkenauer@kirchheim-verlag.de
); sie leitet Ihr Anliegen umgehend weiter.

von Prof. Dr. Karin Lange
Diplom-Psychologin, Leiterin Medizinische Psychologie,
Medizinische Hochschule Hannover,
E-Mail: Lange.Karin@MH-Hannover.de

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2019; 11 (2) Seite 22-23

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