Tipps fürs Glücklichsein: Was das Leben mit und trotz Diabetes lebenswert macht

5 Minuten

Tipps fürs Glücklichsein: Was das Leben mit und trotz Diabetes lebenswert macht | Foto: skynesher – gettyimages
Foto: skynesher – gettyimages
Tipps fürs Glücklichsein: Was das Leben mit und trotz Diabetes lebenswert macht

Ein gutes Leben mit und trotz Diabetes ist eines der wichtigsten Ziele der Diabetestherapie. Denn wofür nehmen Menschen mit Diabetes die ­täglichen Mühen der Therapie auf sich? Prof. Dr. Bernhard Kulzer ordnet die Ergebnisse einer Umfrage zur Lebensqualität bei Diabetes ein und gibt Tipps fürs Glücklichsein.

Um ihre Lebensziele erreichen zu können und nicht durch Akut- oder Folgekomplikationen daran gehindert zu werden, nehmen Menschen mit Diabetes die Mühen der Therapie auf sich. Wissenschaftliche Studien zeigen jedoch, dass das Leben mit Diabetes Spuren hinterlässt und die Lebensqualität bei Menschen mit Diabetes, unabhängig vom Diabetestyp, im Durchschnitt etwas schlechter ist als in der Allgemeinbevölkerung. Daher wollten wir in der Umfrage wissen, wie Menschen mit Diabetes ihre Lebensqualität einschätzen.

Schlechtere Lebensqualität bei Diabetes?

Fast 60 Prozent der Befragten schätzen ihre Lebensqualität ähnlich ein wie Menschen ohne Diabetes. Das passt zu den Aussagen der Befragten: „Ich schaffe nichts ‚trotz‘ Diabetes. Es ist halt ein Teil meines Lebens und ich mache alles mit meinem Diabetes.“ „Diabetes hindert mich nicht, was auch immer zu schaffen.“ Allerdings geben 39 Prozent an, dass sie ihre Lebensqualität vergleichsweise schlechter einschätzen.

Erahnen, warum das so ist, lässt sich das durch Äußerungen wie: „Ich empfinde immer noch jeden Messwert, der von meiner berechneten Erwartung abweicht, als Enttäuschung bzw. Niederlage.“ „Verschiedene Folgeerkrankungen. Am Beginn meines Diabetes war die ärztliche Betreuung menschlich gut, aber medizinisch schwach.“ Nicht zu vergessen: 3 Prozent schätzen ihre Lebensqualität besser ein als Menschen ohne Diabetes.

Tipps fürs Glücklichsein: Was das Leben mit und trotz Diabetes lebenswert macht | Foto: skynesher – gettyimages

Vielleicht waren dies Teilnehmer, die geantwortet haben: „Ich würde eher sagen, ‚wegen‘ des Diabetes: Ich laufe Halbmarathon und bin sportlich so aktiv, wie ich es vor dem Diabetes nicht gewesen bin, und das mit großer Freude am Sport.“ „Unternehmen gegründet, die halbe Welt bereist, Höhen erklommen und bis zu 24 m tief getaucht.“

Persönliche Ziele sind bedeutsam

„Möglichst am Leben mit allen Sinnen teilzunehmen“ lautet die Antwort eines Teilnehmers auf die Frage nach dem wichtigsten Ziel der Diabetestherapie. Einerseits beinhaltet diese Antwort den Wunsch nach einem bewussten, intensiven Leben. Gleichzeitig schwingt die Sorge mit, aufgrund von Folgeerkrankungen wichtige Sinneseindrücke zu verlieren bzw. Einschränkungen zu erleiden.

Die Frage nach dem „Warum“ führt zu einer entscheidenden Frage: Was ist das Ziel, warum bemühen sich Menschen mit Diabetes jeden Tag um gute Therapie-Ergebnisse? Gute Glukosewerte sind ja nur Mittel zum Zweck, um Lebensziele zu erreichen oder keine Einschränkungen in der eigenen Lebensplanung zu erfahren. Aus der Motivationsforschung ist bekannt, dass persönlich bedeutsame, attraktive Ziele eine ganz wichtige Quelle der Motivation sind.

Viele Teilnehmende dieser Umfrage haben diese Frage bereits für sich beantwortet und uns zahlreiche Berichte über die für sie persönlich wichtigsten Ziele zukommen lassen. Einige wichtige Ziele sind im folgenden Kasten zusammengefasst.


Antworten auf die Frage: Was ist Ihr persönlich wichtigstes Ziel, warum Sie sich um Ihren Diabetes kümmern? (Auswahl)
  • „Die pure Lebenslust“
  • „Ich will Folgeerkrankungen vermeiden“
  • „Dass ich mein Leben möglichst lange so weiterführen kann“
  • „Ich will meine Lebensqualität erhalten“
  • „Möglichst viele Jahre zusammen zu sein mit denjenigen, die mir nahestehen“
  • „Ich will möglichst lange selbstständig bleiben“
  • „Je besser ich mich kümmere, desto besser geht es mir“
  • „Meine Tochter und der Wunsch nach einem zweiten Kind“
  • „Ich will selbstständig bleiben und nicht in ein Altenheim ziehen müssen“

Das ist mir gut gelungen

Wir wollten auch wissen, was Lebensqualität mit Diabetes für sie persönlich bedeutet, was ihr größter persönlicher Erfolg mit Diabetes ist, worauf sie stolz sind. Die Antworten waren so bunt und vielfältig wie das Leben.

Besonders stolz waren Teilnehmende, die schon sehr lange an Diabetes erkrankt sind und trotzdem keine Folgeerkrankungen haben: „55 Jahre Diabetes (mein Alter ist 69) ohne Komplikationen“, „81 Jahre, davon 54 mit Diabetes Typ 1“ oder „48 Jahre mit Diabetes überlebt“, „bin schon 15 Jahre älter als vorhergesagt“ sind typische Antworten. Oder auch ganz knapp: „Ich lebe noch!“

Auch in Bezug auf eine gelungene Diabetestherapie waren Teilnehmende stolz: „Dass ich es trotz anstrengender Schulungen geschafft habe, meine zu hohen Werte in Griff bekommen zu haben“, „HbA1c-Wert 5,9 – alle anderen Blutwerte immer in Ordnung“, „von 112,5 kg auf jetzt 100 kg“, „ich laufe jeden Tag mindestens 20 000 Schritte“.

Berufliche Erfolge

Als befriedigend erleben es nicht wenige Teilnehmende auch, aufgrund des Diabetes keine bzw. nur wenige berufliche Einschränkungen zu erleben: „Studium und Tätigkeit bis zur Rente trotz nahezu 50 Jahren Diabetes“, „Mein berufliches und privates Leben ohne besondere Einschränkungen geschafft“, aber auch „Keinen Tag im Arbeitsleben diabetesbedingt krank gewesen zu sein“.

Besonders stolz waren Teilnehmende, die trotz Hürden oder Einschränkungen ihren beruflichen Werdegang geschafft haben: „Meine Karriere als Generalstabsoffizier der Bundeswehr trotz der damals ahnungslosen Bundeswehr-Sanitäts-Offiziere“, „Studium, meine Arbeit in der Raumfahrt und über 35 Jahre Feuerwehr“, „Verbeamtung“, „Busführerschein“, „Diabetesberater zu werden“.

Auch, Beruf und Kindererziehung trotz Diabetes gut geschafft zu haben, ist für nicht wenige eine Quelle für Stolz: „Beruf, Kinder und Familie unter einen Hut zu bekommen“, „Familie mit Kindern, Pflegekindern“, „2 Kinder erfolgreich ins Erwachsenenleben entlassen“.

Lasse mich vom Diabetes nicht hindern

Aufgrund des Diabetes keine Grenzen aufgezeigt zu bekommen, ist auch wichtig: „Ich fühle mich durch Diabetes an nichts gehindert“, „Ein ‚normales‘ Leben führen zu können trotz bzw. mit den gegebenen Einschränkungen“, „Wanderurlaube rund um die Welt ohne schlimmen Unterzucker“, „Ich war mit unseren 12 Huskys jahrelang aktiv im Schlittenhundesport“.

Aus den Antworten einiger Personen ist zu entnehmen, dass sie stolz sind, auch Hindernisse erfolgreich gemeistert zu haben: „Das Leben intensiver wahrzunehmen und aktiv zu bleiben“, aber auch „Ein fast normales Leben zu führen, keiner sieht, wie viel Energie mich das kostet“.

Lernen, glücklich zu sein

Das Leben gut zu meistern, trotz Herausforderungen, ist nicht einfach. Nicht umsonst spricht man von „Lebenskunst“. Dennoch gibt es wissenschaftliche Ergebnisse, die klar zeigen, welche Konzepte mit einem zufriedeneren und glücklicheren Leben verbunden sind. Hier sind die wichtigsten:

  • Das Leben selbst steuern: Menschen mit einer guten Lebensqualität geben häufig an, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Das gilt auch für Diabetes. Je besser es gelingt, den Diabetes aktiv und selbstbestimmt zu behandeln, desto größer sind die Chancen auf ein gutes Therapieergebnis.
  • Kleine Glücksmomente: Glückliche Menschen geben an, häufig positive Ereignisse in ihrem Leben zu haben. Dabei scheint weniger die Intensität als die Häufigkeit dieser Ereignisse wichtig zu sein. Es ist also besser, sich im Alltag bei vielen verschiedenen Gelegenheiten wohlzufühlen, als auf das „große Glück“ zu warten.
  • Es ist, wie es ist: Menschen mit hoher Lebensqualität sind keine Utopisten, sondern schätzen ihr Leben und seine Möglichkeiten eher realistisch ein. Sie sind deshalb nicht ständig unzufrieden. Dazu ist es auch notwendig, die eigenen Ansprüche manchmal zurückzuschrauben bzw. der Realität anzupassen.
  • Humorvoll sein: Mit Humor geht alles leichter, Humor ist ansteckend und gesund.
  • Dankbarkeit: Glückliche Menschen sehen nicht nur die Probleme, sondern auch das Positive im Leben und sind dankbar dafür. Dankbarkeit erdet und führt dazu, dass man sich mehr auf das konzentriert, was man bisher im Leben erreicht hat, und weniger auf das, was man nicht erreicht hat.
  • Nicht allein bleiben: Menschen fühlen sich am häufigsten und intensivsten wohl, wenn sie mit anderen Menschen zusammen sind. Liebe, Freundschaft und Geselligkeit sind die besten Mittel für eine gute Lebensqualität und nachweislich gut für den Therapieerfolg.
  • Gute Balance: Zufriedene Menschen schaffen eine gute Balance zwischen Anspannung und Entspannung. „Lasst euch durch den Diabetes nicht unnötig einschränken. Ihn ernst nehmen, sich darum kümmern, aber ihn auch nicht das Leben beherrschen lassen“, ist ein guter Tipp eines Teilnehmers.
  • Selbstwirksamkeit: Wer an seine Fähigkeiten glaubt und davon überzeugt ist, dass eigenes Handeln zu positiven Ergebnissen führt, und wer eine optimistische Einstellung zu seinen Fähigkeiten hat, berichtet in der Regel auch über eine höhere Lebensqualität.
  • Flexibilität: Glückliche Menschen sind kreativ und neugierig und lassen sich auf Veränderungen im Leben ein, anstatt dagegen anzukämpfen.
Schwerpunkt: Diabetes und Lebensfreude: So finden Sie die Balance

von Prof. Dr. Bernhard Kulzer

Erschienen in: Diabetes-Anker, 2024; 72 (10) Seite 10-13

Ähnliche Beiträge

Diabetes-Anker-Podcast: Austausch, Information und Inspiration beim T1Day 2025 in Berlin

Der nächste T1Day findet am 26. Januar 2025 im H4 Hotel am Alexanderplatz in Berlin statt – mit spannenden Themen und praxisnahen Workshops. Das Event richtet sich speziell an Menschen mit Typ-1-Diabetes und bietet eine Plattform für Austausch, Information und Inspiration.
Diabetes-Anker-Podcast: Austausch, Information und Inspiration beim T1Day 2025 in Berlin | Foto: Ludwig Niethammer/privat/MedTriX

3 Minuten

Nach Diagnose zum Lockdown: Cynthia schätzt nun auch die „reale“ Diabetes-Community

Eine Woche bevor der Corona-Lockdown begann, bekam Cynthia Engbi die Diagnose Typ-1-Diabetes. Als IT-Projektleiterin in der Finanzbranche fiel es ihr immerhin nicht schwer, sich viel Diabetes-Wissen zunächst übers Internet anzueignen. Sie kommt aber auch immer mehr in der „realen“ Community an und weiß die Vorteile zu schätzen.
Nach Diagnose zum Lockdown: Cynthia schätzt nun auch die „reale“ Diabetes-Community | Foto: Ramona Stanek/MedTriX

13 Minuten

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Werde Teil unserer Community

Community-Frage

Mit wem redest du über deinen Diabetes?

Die Antworten auf die Community-Frage werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Bitte achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Push-Benachrichtigungen

notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert
notification icon
Aktiviere Benachrichtigungen auf dieser Seite, um auf dem laufenden zu bleiben, wenn dir Personen schreiben und auf deine Aktivitäten antworten.
notification icon
Du hast die Benachrichtigungen für diese Seite aktiviert