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Hier geht es zu Teil 1 des Interviews und hier zu Teil 2 des Interviews.
In der Diabetes-Community Blood Sugar Lounge hat sich Huda El Haj Said durch ihre DIAlog-Texte, in denen sie mit ihrem Diabetes auf oft witzige, ungewöhnliche und erhellende Weise kommuniziert, einen Namen gemacht. Aber auch sonst hat sie viel zu sagen …
Lange war es schwer für dich, den Diabetes zu akzeptieren. Zum Diabetologen bist du aber immer gegangen. Hat man dir dort denn nicht gesagt, dass es normal ist, auch einmal eine schlechte Phase zu haben, gerade in der Pubertät?
Huda El Haj Said: Ja, das kam manchmal schon zur Sprache. Meine Diabetesberaterin war eine ganz liebe, ältere Dame, die nie böse wurde, sondern immer viel Verständnis gezeigt hat. Sie hat auch selbst Diabetes. Aber das war für mich trotzdem nicht genug.
Bei mir war es so, dass ich viele Bereiche in meinem Leben gut im Griff hatte: Ich war immer eine ziemlich gute Schülerin, ich hatte immer Freunde, ich war immer ganz glücklich mit dem, was ich so mache. Ich hatte mein Schreiben, ich hatte meine Worte, ich hatte immer das Gefühl: Eigentlich fehlt es mir an nichts. Der Diabetes war immer die eine Sache, die ich nicht geschafft habe, obwohl ich alles andere irgendwie hingekriegt habe.
Was beim Diabetologen auf jeden Fall zu kurz gekommen ist, ist der Aspekt, dass Diabetes auch emotional sehr aussaugend ist. Es ging in den Gesprächen immer nur darum, die Basalrate anzupassen, den Korrekturfaktor zu verbessern … Es ging aber nie um die Person, die mit dem Diabetes umgehen muss, also um mich. Alle haben sich um den Diabetes gekümmert, aber ich habe ganz oft das Gefühlt gehabt: Keiner kümmert sich um den Menschen. Das war die Aufgabe, die man selbst übernehmen musste. Aber das kann man von einem Jugendlichen nicht erwarten. Und dass es auch einmal um den Menschen geht, der mit dem Diabetes zurechtkommen muss, ist, glaube ich, etwas, was vielen fehlt.
Natürlich muss der Diabetes gut eingestellt sein, keine Frage. Aber um das zu erreichen, muss man eben auch andere Kompetenzen mit in Betracht ziehen. Es wirkt sich ja beides aufeinander aus: Wenn meine Werte gut sind, fühle ich mich natürlich besser, als wenn ich mit einem Wert von 300 mg/dl (16,7 mmol/l) herumlaufe. Klar, aber damit ich den Ehrgeiz habe, dass mein Wert eben nicht auf 300 mg/dl steigt, muss es mir auch von vornherein gut gehen. Ich finde, gerade das wird viel zu oft vernachlässigt.
Ist denn dein Diabetes auch ein Grund dafür, dass du Medizin studieren möchtest?
Huda El Haj Said: Absolut. Ich habe drei Monate nach meiner Diagnose gesagt: Ich werde Ärztin – und habe meine Meinung nie mehr geändert. Der Diabetes hat mir gezeigt, wie das ist, wenn eine einzige kleine Sache im Körper nicht so läuft, wie sie laufen müsste. Und wie faszinierend es ist, dass alles so perfekt aufeinander abgestimmt ist. Diese Faszination hat mich damals ergriffen und nicht mehr losgelassen, all die Jahre nicht. Und so sehr ich manchmal auch den Diabetes verfluche, denke ich mir doch: Ich übernehme einen der Jobs, den eigentlich mein Körper ganz automatisch erledigen würde. Wie unglaublich muss mein Körper sein, dass das eigentlich ganz ohne Probleme funktionieren würde?
Und es gibt noch einen weiteren Punkt, warum ich Ärztin werden möchte: Ich weiß ja, wie es ist, krank zu sein. Und ich weiß, wie es ist, einen guten Arzt zu brauchen. Und manchmal kann ein einziger guter Arzt, der versucht, zu verstehen, wie es seinem Patienten geht, unglaublich viel ausmachen. Und ich glaube, so eine Ärztin würde ich gerne sein.
Du hast ja kürzlich ein Praktikum in einem Krankenhaus gemacht. Wie war das in der Klinik: Wussten die Menschen, mit denen du dort zusammengearbeitet hast, über den Diabetes Bescheid?
Huda El Haj Said: Es ist so: Ich habe mich nie für Diabetes geschämt. Ich verstecke ihn nicht, und wenn ich ihn nicht in den Vordergrund stelle, dann nur, damit ich nicht darüber reden muss. Ich habe der Stationsleitung gleich gesagt, dass ich Diabetes habe.
Ein Problem war natürlich der Schichtdienst. Wenn man Frühschicht hat und der Tag schon um vier Uhr morgens beginnt, ist mein Zucker darauf erst einmal nicht eingestellt. Das war mit die größte Herausforderung, denn auf einmal hat die Basalrate doch nicht mehr so gut gepasst, weil sich einfach alles verschiebt und man dann noch den Wechsel hat zwischen Früh- und Spätschicht. Aber diese Herausforderungen habe ich meiner Meinung nach ganz ordentlich gemeistert – und ich glaube, das hätte ich vor einem Jahr noch nicht sagen können.
Es gibt ja auch Zuversicht und Kraft, wenn man merkt, dass man mit Herausforderungen zurechtkommt.
Huda El Haj Said: Ja, total. Eine Sache ist mir noch wichtig: Man entscheidet selbst, was für einen Erfolge sind. Es kann ein Erfolg sein, wenn man es geschafft hat, einen Tag nicht über 250 mg/dl (13,9 mmol/l) zu gehen. Und wenn das HbA1c nicht mehr 12% ist, sondern 9%, dann ist 9% immer noch kein guter Wert im medizinischen Sinn, aber er ist ein Erfolg für einen selbst.
Ich habe eine lange Zeit gebraucht, um das zu verstehen. Ich hatte immer das Gefühl: O.k., es ist besser, aber es ist trotzdem nie gut genug, weil das Lehrbuch immer noch sagt: Du bist nicht im Zielbereich. Aber ich bin doch mehr im Zielbereich, als ich es vorher war! Es sind kleine Schritte, aber es sind auch diese kleinen Schritte, die einen irgendwann dahin führen, wo man schon immer hinwollte. Ich sage ganz offen: Mein HbA1c war im vergangenen Monat das erste Mal seit über 5 Jahren bei 7% – und das war mit das allerschönste Gefühl, das ich je hatte, einfach diesen Wert zu sehen, diese 7 vor dem Komma, und mir zu denken: O Gott, ich kann das! Sieben ist vielleicht für jemanden, der gut eingestellt ist, eine vollkommen normale Zahl, der strebt vielleicht eher die 6 an, aber für mich war diese 7 das Schönste, was ich mir erhoffen konnte. Und das geschafft zu haben, hat sich wie eine unglaublich große Errungenschaft angefühlt.
Man darf stolz auf sich sein, selbst wenn es nicht perfekt läuft – eben weil man es auch dann hinkriegt, wenn nicht alles perfekt läuft. Vor allem: Wenn man sich runterziehen lässt, dann setzt das vielleicht wieder eine Spirale nach unten in Gang – und damit ist gar nichts gewonnen.
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