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Woher bekomme ich günstig Teststreifen, wenn mir der Arzt zu wenige verschreibt? In der letzten Ausgabe berichteten wir darüber, wer überhaupt Teststreifen online verkauft. Diesmal beschreiben wir die Profile derjenigen Menschen, die solche Teststreifen kaufen. Die 2-teilige Serie ist Ergebnis einer langjährigen Studie, die an der Fachhochschule Bielefeld durchgeführt worden ist.
Wer sind eigentlich die potentiellen Käufer der Teststreifen, die auf Online-Auktionsportalen wie ebay angeboten werden?
Eine Gruppe, die bezogen auf die weiteren Überlegungen außen vor gelassen werden kann, sind die Auf- und Wiederverkäufer: Das sind Käufer, die vor allem große Mengen in einem Kaufvorgang übernehmen, um sie dann packungsweise auf eigene Rechnung wieder zum Verkauf anzubieten; diese Käufer finden sich auf der Verkäuferseite unter den Massenrealisierern wieder (Diabetes-Journal 4/2015). Sie verfolgen ein klares Einkommensinteresse.
Die beiden anderen Käufergruppen sind zum einen ängstliche Typ-1-Diabetiker. Sie erhalten nach wie vor Blutzuckerteststreifen von ihrem Arzt verordnet. Ihnen reicht aber die Anzahl der Teststreifen nicht, um sich richtig gemessen und eingestellt zu fühlen.
Zum anderen sind es wohl jene Typ-2-Diabetiker, die seit 2011 deutlich weniger oder gar keine Blutzuckerteststreifen mehr verschrieben bekommen. Die Sorge um ihre Krankheit wird oftmals durch die engbegrenzt zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel eingeschränkt. Das Interesse, eigenverantwortlich möglichst kostengünstig die erforderliche Anzahl von Blutzuckerteststreifen zu beschaffen, treibt sie schon einmal auf solche Wege.
Beiden Gruppen kann nur empfohlen werden: Machen Sie einen großen Bogen um Online-Auktionsportale beim Kauf von Blutzuckerteststreifen. Denn es ist unwahrscheinlich, dass Sie mit einem günstigen Preis auch gute Qualität erhalten.
Auch sollten folgende Aussagen in den Verkaufstexten nicht als Qualitätskriterien angesehen und für die Kaufentscheidung genutzt werden: “neu”, “unbenutzt”, “unbeschädigt”, “ungeöffnet”, “originalverpackt” oder die Angabe des Mindesthaltbarkeitsdatums.
Zwar kann man schon zufrieden sein, wenn ein Haltbarkeitsdatum angegeben wurde, denn eine Nutzung von Teststreifen über das Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus kann selbst bei sachgemäßer Lagerung zu falschen Messergebnissen führen. Das wird weder einem ängstlichen Typ-1- noch einem sich um seinen Diabetes sorgenden Typ-2-Diabetiker wirklich weiterhelfen können. Aber:
In den Verkaufstexten sind meist keine Hinweise auf die unter Qualitätsgesichtspunkten alles entscheidende Lagerung und die Versandbedingungen zu finden. Und genau daran bemessen sich die Qualität und die Brauchbarkeit oder Verlässlichkeit der Blutzuckerteststreifen: Unsachgemäße Lagerung der Teststreifen beim Verkäufer oder schlechte Versandbedingungen auf dem Weg vom Anbieter zum Käufer können zu gravierenden Fehlmessungen führen – selbst bei noch lange nicht erreichtem Mindesthaltbarkeitsdatum.
Wer kennt schon die Lagerungs- und Versandbedingungen im Einzelfall? Man denke nur an den Mitarbeiter eines ambulanten Pflegedienstes, der eine Packung Teststreifen geschenkt bekommen hatte, diese erst einmal in der Ablage des Dienstfahrzeuges liegen lässt und im Hochsommer bei 30 Grad Celsius im Schatten damit einige Tage umherfährt – bis er sich an die Packung erinnert und sie zum Zweck des Einstellens auf ebay mit nach Hause nimmt.
Ähnliches kann man sich auch bei den Entsorgern, Massenrealisierern oder den dazuverdienenden Diabetikern vorstellen (Diabetes-Journal 4/2015). Apothekenähnliche Lagerungs- und Versandbedingungen darf man wohl kaum voraussetzen.
Ein Diabetiker sollte sich beim Ablesen eines gemessenen Blutzuckerwertes sicher darauf verlassen können, dass dieser seine aktuelle Stoffwechsel-Situation wiedergibt, auf die mit einer entsprechenden Insulingabe zu reagieren ist. Ein um seinen Diabetes ehrlich besorgter Diabetiker sollte sich nicht erst mit der Frage belästigen müssen, ob das Messergebnis nicht eventuell auf einen unbrauchbaren Teststreifen zurückzuführen ist.
Noch schlimmer wäre es nämlich, wenn dies gar nicht bedacht würde und die aufgrund der falschen Messergebnisse verabreichte Insulingabe zu einer Entgleisung des Blutzuckers führt!
Bleibt zu hoffen, dass die Krankenkassen angesichts dieser entstandenen und vom Umfang her nicht unbedeutenden Beschaffungsrealität die Verordnungseinschränkung von Blutzuckerteststreifen für Typ-2-Diabetiker nochmals kritisch prüfen.
Die Kosten für die Notfallversorgung von Blutzuckerentgleisungen selbst aufgrund der Nutzung von über Online-Auktionsportale erworbener und unbrauchbarer Teststreifen fallen bekanntlich zu ihren Lasten und wurden bisher noch nicht dem ebay-Verkäufer in Rechnung gestellt. Bis dahin: Online-Auktionsangebote von Blutzuckerteststreifen sollten gemieden werden!
von Prof. Dr. Heiko Burchert
Fachhochschule Bielefeld, E-Mail: heiko.burchert@fh-bielefeld.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2015; 64 (5) Seite 34-35
5 Minuten
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